Bei Schwangeren, deren Ungeborene aufgrund einer Unterfunktion der Plazenta nicht ausreichend versorgt werden, zeigen Veränderungen des Blutflusses des Kindes besser als dessen Herztonfrequenz den optimalen Geburtszeitpunkt an.
In die zugrundeliegende Studie wurden ausschließlich schwangere Frauen aufgenommen, deren Ungeborene sich aufgrund der Unterversorgung zu langsam entwickelten. Alle Babys kamen deutlich vor Ablauf der normalen Schwangerschaft zur Welt. „Das Ergebnis unserer Studie zeigt, wie wichtig das intensive Überwachen dieser Kinder während der Schwangerschaft ist“, erklärt Prof. Dr. Kurt Hecher, Direktor der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Schließlich sollten die Kinder einerseits nicht zu früh auf die Welt kommen, andererseits aber auch nicht zu spät, weil die schlechte Versorgung in der Gebärmutter ihre Entwicklung hemmt. Das Ergebnis hat Hecher zufolge unmittelbare Auswirkungen auf die klinische Praxis: „Man sollte warten, bis sich deutliche Auffälligkeiten im Blutfluss des Ductus venosus [...] zeigen und dann die Geburt einleiten. Es sei denn, es treten vorher andere Komplikationen auf.“ Die Störung selbst, eine ausgeprägte Unterversorgung des Mutterkuchens, ist ausgesprochen selten und betrifft lediglich etwa 0,5 Prozent aller Schwangerschaften. Für die Studie mit dem Arbeitsnamen TRUFFLE (The Trial of Umbilicial and Fetal Flow in Europe) untersuchten Hecher und seine Kollegen an 20 westeuropäischen Kliniken zwischen Januar 2005 und Oktober 2010 insgesamt 503 schwangere Frauen mit einer Mutterkuchenunterfunktion. Alle teilnehmenden Frauen wurden per Zufall gleichmäßig auf eine von drei Untersuchungsgruppen verteilt. In der einen Gruppe bestimmten die Ärzte den Entbindungszeitpunkt, indem sieso genannte Kurzzeitvariationen der Herztonfrequenz des Kindes maßen. In den anderen beiden Gruppen beobachteten sie mithilfe von Ultraschall Veränderungen des Blutflusses in den Nabelschnurarterien und im Ductus venosus und leiteten entweder bei frühen oder bei späten Blutflussveränderungen die Geburt ein. Zwei Jahre nach der Geburt wurden alle Kinder untersucht. Dabei wurden unter anderem ihre geistige Entwicklung, ihr Hör- und Sehvermögen, die Motorik sowie ihr Kommunikationsvermögen getestet. Ergebnis: Kinder, bei denen späte Veränderungen des Blutflusses den Entbindungszeitpunkt bestimmten, sind im Alter von zwei Jahren eher ohne neurologische Auffälligkeiten (Anteil: 95 Prozent). In den beiden anderen Untersuchungsgruppen lagen diese Werte bei 91 und 85 Prozent. Insgesamt überlebten 82 Prozent aller Kinder ohne neurologische Auffälligkeiten. „Der Anteil derjenigen Kinder, die ohne neurologische Auffälligkeiten überleben, ist deutlich höher als in bisherigen Studien berichtet wurde“, so Prof. Hecher. Ebenfalls erfreulich und höher als erwartet: Insgesamt lebten 92 Prozent dieser zum Teil extrem zu früh (im Mittel in der 31. Schwangerschaftswoche; das durchschnittliche Geburtsgewicht betrug 1.019 Gramm) geborenen Babys. Zwölf waren bereits im Mutterleib gestorben, weitere 29 nach der Geburt. Originalpublikation: 2 year neurodevelopmental and intermediate perinatal outcomes in infants with very preterm fetal growth restriction (TRUFFLE): a randomised trial Christoph C. Lees et al.; The Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(14)62049-3; 2015