Mal wieder mussten sich die Gerichte mit der Causa Doc Morris beschäftigen – und mal wieder hat der Versender verloren. Was ihm diesmal nicht gepasst hat, lest ihr hier.
Ein Rx-Versandverbot wäre den deutschen Apothekern zwar lieber gewesen, aber das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheke (VOASG) und sein seither im SGB V etabliertes Rx-Boni-Verbot für Arzneimittel im GKV-Bereich wurde immerhin als ein Schritt in die richtige Richtung gesehen (DocCheck berichtete). Anders empfanden es natürlich die ausländischen Versender, die umgehend ankündigten, gegen das Gesetz zu klagen – nichts anderes war zu erwarten.
Da nun aber auch die EU-Kommission ihr seit 2013 schwelendes Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik wegen des Rx-Boni-Verbotes eingestellt hat, obwohl sie es eigentlich als nicht europarechtskonform erachteten, hat Doc Morris schlechte Karten. Die Politiker in Brüssel verzichteten auf weitere Verfahren und begründete diesen Schritt mit dem eigenen Ermessensspielraum vor dem Hintergrund des digitalen Wandels und der Coronapandemie. Beides habe die deutschen Apotheken ohnehin schon vor große Herausforderungen gestellt.
Ein Schlag ins Gesicht für Doc Morris, den Arzneimittelversender aus den Niederlanden, der vor wenigen Tagen auch noch eine weitere Niederlage einstecken musste. Ich meine den Rechtsstreit um einen Medikamenten-Automaten im nordbadischen Hüffenhardt. Hier sollten, nach einer Videoberatung, Medikamente an Patienten ausgegeben werden. Doch die Zur-Rose-Tochter unterlag zuerst vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe und nun auch noch vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.
Doch Doc Morris möchte nicht einfach klein beigeben. Da das VOASG offenbar nur schlecht direkt anfechtbar ist, verlagert sich der Rechtsstreit nun auf die neu geschaffene Überwachungsstelle. Dem Sozialgerichtshof in Berlin liegt ein Eilantrag vor, in dem sich DocMorris gegen diese paritätisch besetzte Stelle – die bei Verstößen gegen das Rx-Boni-Verbot Vertragsstrafen zwischen 50.000 und 250.000 Euro erheben und sogar die Versorgungsberechtigung aussetzen darf – wendet. Die Aufsicht über künftige Boni- Verstöße setzt sich zu gleichen Teilen aus je drei nominierten Vertretern des Deutschen Apothekerverbandes und des GKV-Spitzenverbandes zusammen. Diese Rahmenvertragspartner konnten sich kürzlich nicht auf die noch festzusetzende Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen einigen, und mussten deshalb eine Schiedsstelle anrufen.
Man sieht also, dass die jeweiligen Vertreter dieser vom Gesetzgeber beauftragten Stelle bei weitem nicht immer konform gehen. Die Frage nach der Strafhöhe bei Boni-Verstößen hatte sich dagegen schneller klären lassen. Im Oktober erhielt der Rahmenvertrag zwei neue Absätze.
§ 27 Abs. 4 RahmenV neu
Inländische und ausländische Apotheken erhalten bei einem gröblichen oder einem wiederholten Verstoß gegen § 129 Absatz 3 Satz 3 SGB V Vertragsstrafen von bis zu 50.000 € für jeden Verstoß, wobei die Gesamtvertragsstrafe für gleichgeartete und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang begangene Verstöße 250.000 € nicht überschreiten darf. Wird eine Vertragsstrafe nach § 129 Absatz 4 Satz 4 SGB V ausgesprochen, kann vorgesehen werden, dass die Berechtigung zur weiteren Versorgung bis zur vollständigen Begleichung der Vertragsstrafe ausgesetzt wird. Vertragsstrafen nach Satz 1 und 2 werden durch eine paritätisch besetzte Stelle ausgesprochen. Das Nähere zur Einleitung und Durchführung des Verfahrens wird in Anlage 10 geregelt.
Auch das in diesem Fall einzuleitende Sanktionsverfahren ist genau geregelt. Erhält eine der beiden Parteien einen Hinweis auf einen Verstoß gegen die Rx-Preisbindung, dann stellt sie einen Antrag zur Verfahrenseröffnung. Die paritätische Stelle muss dann innerhalb der folgenden zehn Tage über mögliche Sanktionen entscheiden, denen mindestens die Hälfte der Mitglieder zustimmen muss. Gibt es hier keine Einigkeit, wird eine andere Maßnahme gewählt, für die sich eine Mehrheit finden muss. Die von der Sanktion betroffene Apotheke – oder der Versender natürlich – hat nach der Mitteilung der Strafe anschließend zehn Tage Zeit, um darauf zu reagieren. Nachdem diese Stellungnahme bei der paritätischen Stelle eintrifft, muss die entsprechende Sanktion innerhalb eines Monats festgelegt werden.
Da Doc Morris mit den deutschen Krankenkassen abrechnen muss, muss der Versender auch dem Rahmenvertrag beitreten und sich damit auch diesem neuen Paragrafen unterwerfen. Das möchte Doc Morris natürlich nicht, denn die Boni, die er gewährt hat, waren der Hauptgrund für die meisten Besteller, ihre Rezepte dort einzuschicken. Argumentiert wird im Eilverfahren damit, dass die zugrundeliegende gesetzliche Regelung europarechtswidrig sei und damit wird wieder das große Urteil des EuGh von 2016 bemüht, das den Vor-Ort-Apotheken seit 5 Jahren sehr zu schaffen macht. Da die EU ja bereits darüber befunden hat, dass der Umzug des Boni-Verbots zwar nicht mit dem Europarecht konform geht, aber dennoch aufgrund politischer Erwägungen von Brüssel nicht in Frage gestellt wird, war der Antrag von DocMorris eigentlich von Beginn an zum Scheitern verurteilt.
Trotzdem mussten die Gerichte ein weiteres Mal mit einer Causa Doc Morris beschäftigen, vielleicht auch, damit die Besitzer der Zur-Rose-Aktien ein wenig besänftigt werden. Nachdem die Klage am vergangenen Freitag (17. Dezember) abgeschmettert wurde, erklärte die Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ), dass das Gericht bereits nicht das im einstweiligen Rechtsschutz notwendige Rechtsschutzbedürfnis gegeben sah und es DocMorris zuzumuten sei, abzuwarten, bis die paritätische Stelle tatsächlich eine Entscheidung trifft, um dann anschließend dagegen vorzugehen. Hierdurch würden dem Unternehmen keine unzumutbaren, insbesondere keine nicht wiedergutzumachenden Nachteile drohen. Maßgeblich sei, dass die paritätische Stelle zur Begleichung der Vertragsstrafe eine Zahlungsfrist setzen müsse und erst nach deren Ablauf den Ausschluss von der Versorgung anordnen dürfe. Der gleichzeitige Ausspruch von Vertragsstrafe und Versorgungsausschluss bis zur Begleichung der Vertragsstrafe sei offensichtlich unverhältnismäßig.
Grundsätzlich stellt sich ohnehin die Frage, ob das Heil für die Versender künftig weiterhin in den Boni liegen wird, die den Kunden gewährt werden. Auf diese hat Doc Morris nämlich bereits für E-Rezepte freiwillig verzichtet, da man eine Allianz mit den Vor-Ort-Apotheken in Deutschland auf einer gemeinsamen Plattform eingehen möchte.
Eine weitere Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof musste Doc Morris übrigens erst in den letzten Tagen einstecken, denn die Revision für das „Gewinnspiel-Urteil“ vom Juli 2021 wurde dort abgelehnt – das Urteil ist somit rechtskräftig. Hier wurde der Versender von der Apothekerkammer Nordrhein verklagt, da dieser für die Einsendung von Rezepten ein Gewinnspiel ausgelobt hatte, bei dem unter anderem ein E-Bike verlost wurde. Das Gericht sah damit den Verbraucher unsachlich beeinflusst und das Gewinnspiel als Unterwanderung des Zuwendungsverbotes des deutschen Heilmittelwerbegesetzes. Dieses soll nämlich eigentlich eine mittelbare Gesundheitsgefährdung vermeiden.
Das 2016er Urteil war hier sogar nützlich für die Apothekerkammer, denn das Gericht berief sich auf die dort festgestellte Ausführung, dass Versandapotheken im Gegensatz zu stationären Apotheken nicht in der Lage sind, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten, sondern ein vergleichbar eingeschränktes Leistungsangebot haben. Da es für den Kunden bedeutsam sein könne, durch die Apotheke nicht nur telefonisch und auf ausdrückliche Nachfrage beraten zu werden, sei die Entscheidung für eine stationäre Apotheke oder eine Versandapotheke gesundheitsrelevant und dürfe nicht beeinflusst werden.
Wer weiß, welche Kreise dieses Urteil noch ziehen wird. Es war vielleicht auch im aktuellen Fall der Boni-Überwacher die passende Argumentation. Der Freibrief, den Doc Morris 2016 erhalten hatte, wird offensichtlich inzwischen etwas kritischer gesehen und bewertet. Die Apotheke vor Ort kann das nur freuen – es ist in jedem Fall das Beste für die Gesundheit unserer Kunden.
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