Vitamin D ist ein erstaunlich kontrovers diskutiertes Thema – auch bei COVID-19. Wir machen für euch den Faktencheck: Beugt das Vitamin tatsächlich einer Infektion vor oder beeinflusst es gar den Krankheitsverlauf?
Es gibt mal wieder News zum „Wundermittel“ Vitamin D. Einige schwören darauf, dass Vitamin D sie seit Pandemiebeginn effektiv vor COVID-19 geschützt haben soll. Aber, ist da etwas dran? Wir haben das Ganze mal genauer unter die Lupe genommen und uns eine kürzlich erschienene Meta-Analyse zu diesem Thema angeschaut.
Einige Studien haben bereits hervorgehoben, dass SARS-CoV-2-Infizierte signifikant niedrigere Vitamin-D-Spiegel aufwiesen, als negativ Getestete. Außerdem deuten weitere Untersuchungen bei Patienten mit niedrigerem Vitamin-D-Spiegel auf einen schwereren COVID-19-Verlauf hin. Eine Assoziation zwischen Vitamin D und SARS-CoV-2-Positivität konnte jedoch nicht bewiesen werden. Der Einfluss von Vitamin D auf den Verlauf der Infektion wird aber weiterhin kontrovers diskutiert.
Zwei Forscher stöberten dafür in den bekannten Datenbänken PubMed, EMBASE und medRxiv nach internationalen Studien zum Thema COVID-19 und Vitamin D, die bis zum 5. Juni 2021 veröffentlicht wurden. Aus einem anfänglichen Pool von 643 Studien kamen sie nach gründlichem Aussortieren, aufgrund von Dopplungen oder unzureichenden Informationen, auf insgesamt 13 Veröffentlichungen. Diese Publikationen umfassen Daten aus den USA, Großbritannien, Europa, Asien sowie Australien. Die Analyse umfasste folgende Studien: Zwei randomisierte kontrollierte Untersuchungen auf Vitamin-D-Supplementierung bei COVID-19-Infektionen und elf Kohortenstudien mit insgesamt 536.105 Patienten in Bezug auf das COVID-19-Risiko und einen damit zusammenhängenden Tod.
Die Analyse der Forscher zeigte, dass weder ein Vitamin-D-Defizit (< 20 ng/ml) noch eine -Insuffizienz (< 30 ng/ml) mit einem signifikant erhöhten Risiko einer COVID-19-Infektion oder einem hospitalisierten Tod assoziiert werden konnten. Auch eine Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels um 10 ng/ml konnte nicht mit einem signifikant niedrigeren Risiko für eine COVID-19-Infektion oder einem damit zusammenhängenden Tod assoziiert werden.
Eine Vitamin-D-Supplementierung scheint nicht hilfreich zu sein: So verringert eine Supplementations-Therapie bei hospitalisierten COVID-19-Patienten nicht das Sterberisiko oder das Risiko auf die Intensivstation verlegt werden zu müssen.
... die du nicht selbst gefälscht hast. Aber wie kommt es zu dieser kontroversen Diskussion über die Rolle von Vitamin D bei COVID-19? Die Autoren führen dazu auf, dass es im Gegensatz zu ihrer Publikation weitere Meta-Analysen gibt, die eine positive Korrelation zwischen einem niedrigem Vitamin-D-Spiegel im Serum und schlechteren klinischen Ergebnissen bei COVID-19-Patienten ermittelten. Jedoch umfassen diese Analysen auch Case-Control-Studien und führten zudem keine statistischen Anpassungen durch, was zu größeren Verzerrungen durch die Störfaktoren führe, erklären die Forscher. „Zum Beispiel, Ergebnisse der UK Biobank fanden einen positiven Zusammenhang zwischen niedrigem Vitamin D und COVID-19-Infektionen, aber die Assoziation war nach Adjustierung auf Störfaktoren nicht mehr signifikant“, heißt es. Im Gegensatz dazu, reduzieren die hier untersuchten Kohorten- und randomisierten kontrollierten Studien sowie ihre eigene Analyse diese potenziellen Verzerrungen.
Aber auch diese Studie hat ihre Limitierungen: Darunter fallen die hohe Heterogenität der Primärstudien im Design. Außerdem wurden viele Faktoren, die den Vitamin-D-Status beeinflussen – sowie genetische Polymorphismen, Alter, Gesundheitsstatus, Sonnenexposition der Patienten und die Jahreszeit – nicht berücksichtigt. Vitamin-D-Mangel tritt hierzulande häufig saisonal auf, so wie steigende Corona- oder auch Grippe-Infektionen. Ob dies also direkt miteinander korreliert oder ob weitere Störfaktoren wie Feuchtigkeit, Temperatur oder Verhalten der Menschen eine große Rolle spielen, sollte somit ebenfalls berücksichtigt werden.
Und: Korrelation heißt nicht gleich Kausalität. Dass Vitamin D eine Rolle in der Immunantwort spielt, ist bereits bekannt. Das heißt aber nicht, dass es als alleiniges Wundermittel gegen COVID-19 eingesetzt werden kann. Bereits vorige Analysen haben gezeigt, dass eine Vitamin-D-Supplementierung in gesunden Menschen nicht vorbeugend gegen respiratorische Infektionen eingesetzt werden kann. Bei einem tatsächlichen Vitamin-Mangel kann das aber anders aussehen. Die beschriebenen Patienten in dieser Studie wiesen keinen Vitamin-D-Mangel (< 12 ng/ml) auf, obwohl von einigen Autoren ein Calcidiol-Wert von über 20 ng/ml bzw. 30 ng/ml im Serum angestrebt wird. Ob eine Vitamin-D-Supplementierung bei betroffenen COVID-19-Patienten mit einem Mangel tatsächlich hilfreich ist, kann lediglich über mehrere klinische randomisierte Placebo-kontrollierte Studien erfasst werden.
Die hier vorgestellten Ergebnisse der Meta-Analyse deuten zumindest darauf hin, dass eine Calcidiol-Serumkonzentration von über 20 ng/ml bzw. 30 ng/ml nicht unbedingt mit einer COVID-19-Infektion oder einem damit verbundenen höheren Sterberisiko zusammenhängen. Auch eine Supplementation scheint den klinischen Status in COVID-19-Patienten nicht zu verbessern.
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