Bis zu acht verschiedene Krebsarten mit nur einer Blutuntersuchung aufspüren – mit einer neuen weiterentwickelten Variante der Liquid Biopsy soll das in Zukunft standardmäßig möglich sein. Noch hat diese Form der Krebsdiagnostik aber einige Schwächen.
Krebsleiden gehören nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Bei malignen Krebserkrankungen verläuft der Beginn häufig ohne charakteristische Symptome. Haben Patienten Beschwerden, ist der Krebs bereits in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Deshalb suchen Wissenschaftler nach Markern im Blut, die sich für routinemäßige Untersuchungen eignen könnten. Joshua D. Cohen von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore entwickelte mit Kollegen das CancerSEEK-Verfahren. Dabei handelt es sich um ein weiterentwickeltes Liquid Biopsy-Verfahren.
Durch Ablösung von Tumorzellen aus ihrem Gewebeverbund gelangt unter anderem zellfreie DNA (cfDNA) in das periphere Blut. Diese DNA kann mittels Liquid Biopsy nachgewiesen werden. Darüber hinaus gelangen auch Proteine ins Blut, von denen bereits einige als Tumormarker zur Verlaufskontrolle verwendet werden. Bei CancerSEEK wird sowohl auf cfDNA als auch auf die Tumormarker hin untersucht. Das soll die Sensitivität im Vergleich zu den einzelnen Tests steigern. Um das neue Verfahren zu evaluieren, untersuchte das Team um Cohen Blutproben von 1.005 Patienten mit nicht metastatischen, klinisch nachgewiesenen Karzinomen des Eierstocks, der Leber, des Magens, der Bauchspeicheldrüse, der Speiseröhre, des Darms, der Lunge oder der Brust. Diese Karzinome sind in den USA für 60 Prozent der Krebstodesfälle verantwortlich. Über alle Krebsarten gemittelt, lag die Sensitivität bei 70 Prozent. Cohen unterstreicht, es gebe bei etlichen dieser Tumoren bislang kein Screening-Verfahren. Als Spezifität gibt er 99 Prozent an. Rückschlüsse auf die Lokalisation der Tumore waren ebenfalls möglich. Prospektive Studien mit symptomfreien Probanden ohne klinische Krebsdiagnose gibt es bislang nicht. Der Preis ist Forbes-Schätzungen zufolge mit 500 US-Dollar eher unproblematisch. Wie bewerten Experten CancerSEEK aus methodischer Sicht?
„Der Mehrwert der beschriebenen Methode ergibt sich aus der Verwendung von minimalinvasiv zugänglichen Körpermaterialien – beispielsweise einer Blutprobe“, kommentiert Professor Dr. Holger Sültmann. Er arbeitet am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg. „Die Kombination verschiedener Marker – in diesem Fall bekannte krebsspezifische Mutationen und Proteine – ist eine sinnvolle Weiterentwicklung bisheriger diagnostischer Verfahren.“ Sültmann bewertet die Studiengröße als „beachtlich“. Mit Ausnahme des kolorektalen Karzinoms, bei dem die Früherkennung bereits heute wesentlich zuverlässiger sei als mit Biomarkern, bestehe in allen getesteten Krebsarten hoher Bedarf für eine frühere Detektion. Trotzdem findet der Experte Kritikpunkte: „Da in der Testkohorte bereits erkrankte Patienten untersucht wurden, kann man nicht von einer Früherkennung von Tumoren bei symptomfreien Probanden sprechen.“ Außerdem liege die Sensitivität, Tumoren im Stadium I zu finden, im Median bei 43 Prozent. Weniger als jeder zweite Krebsfall wird gefunden. Sültmann zufolge sei die diagnostische Aussagekraft für Ärzte derzeit noch zu niedrig. Er spricht trotzdem von einem „wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer verbesserten Früherkennung“.