Eine 29-jährige Frau erleidet nach einem Streit mit ihrem Freund einen Nervenzusammenbruch. Sie wird ins nächste Krankenhaus eingeliefert, wo eine psychiatrische Abklärung angestrebt wird. Doch als die Ärzte die Patientin ein zweites Mal ansehen, wendet sich das Blatt.
Eine 29-jährige Medizinstudentin wird wegen eines Nervenzusammenbruchs in die Notaufnahme eines Krankenhauses eingeliefert. Bei ihrer Ankunft ist sie sehr unruhig und unkooperativ, was eine detaillierte Anamnese und körperliche Untersuchung erschwert. Sie berichtet von einem emotionalen Streit mit ihrem Freund, seit dem sie sich hysterisch fühle, und klagt außerdem über allgemeines Unwohlsein, Kribbeln und leichte Taubheit in beiden Händen und Füßen. Dies habe sich - ihrer Erinnerung nach - allmählich entwickelt. Bei der jungen Frau sind bislang keine psychischen Erkrankungen bekannt.
Die Messung der Vitalparameter ergibt eine Sinustachykardie bei 100 bpm und eine Tachypnoe bei 30 Atemzügen/min. Aufgrund der Unruhe der Patientin können die Ärzte Blutdruck und periphere O2-Sättigung nicht messen. Ein EKG ist allerdings unauffällig. Zur Behandlung der Hyperventilation, lassen die Ärzte die Frau in einen Plastikbeutel atmen und geben ihr zur Beruhigung sublinguales Lorazepam. Anschließend fordern sie bei Verdacht auf eine Panikstörung mit Hyperventilation ein psychiatrisches Konsil an.
Doch als sie die Patientin noch einmal ansehen, fällt den Ärzten auf, dass ihre Lippen leicht zyanotisch sind und sie sehr blass erscheint. Sie werfen einen Blick auf die Hände und stellen dort außerdem auffallende Flecken fest. Handelt es sich vielleicht doch nicht um eine psychiatrische Ätiologie der Symptome? Eine BGA zeigt eine leichte Azidose (pH 7,23), normwertiges Kalzium und ein erhöhtes Laktat (6,4mmol/L), was nicht mit einem Hyperventilationssyndrom vereinbar ist.
Inzwischen ist die junge Frau etwas ruhiger, sodass eine genauere körperliche Untersuchung möglich ist. Dabei machen sie eine alarmierende Entdeckung: Alle vier Extremitäten sind pulslos. Auskultatorisch stellen sie außerdem ein 2/6 diastolisches Geräusch fest. Sofort führen sie eine transthorakale Echokardiographie durch, wobei sie eine Aortenregurgitation zweiten Grades als Folge einer aneurysmatischen Aorta ascendens mit einem Durchmesser von 52 mm sehen.
Sie haben bereits einen ersten Verdacht, womit sie es zu tun haben könnten, und lassen daher noch eine Kontrast-CT durchführen. Dabei sehen sie - wie vermutet - eine Stanford-Typ-A-Dissektion. Die Patientin wird sofort in den Operationssaal gebracht, wo ein klappenerhaltender Ersatz der Aortenwurzel und des Aortenbogens ohne Komplikationen durchgeführt wird. 19 Tage später, kann die Frau entlassen werden. Bei der Nachuntersuchung 49 Tage nach der Entlassung ist sie symptomfrei.
Text- und Bildquelle: Witsch et al. / The Journal of Emergency Medicine
Bildquelle: Ali Hajiluyi / Unsplash