Nun kommt sie also, die Corona-Impfung in der Apotheke. Ich finde: Es wurde Zeit. Was sich damit im Alltag von Arzt und Apotheker ändert, lest ihr hier.
Kürzlich habe ich mit meinen Kollegen in der Apotheke zusammengesessen und wir haben uns gewundert, wie sehr sich unser Arbeitsalltag in den letzten zwei Jahren gewandelt hat. Hätte uns damals jemand erzählt, dass die Hauptlast der vorweihnachtlichen Arbeit aus dem Erstellen von Codes und Impfkarten, dem Abstreichen von Nasensekreten und der Labortätigkeit für Antigen-, Antikörper- und PCR-Tests bestehen würde, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Dass wir irgendwann zum Grippeimpfen übergehen, hatte sich damals schon angedeutet. Aber das ist im Alltag eher sporadisch der Fall, da sich dieses Angebot bislang ausschließlich auf AOK-Versicherte im Rahmen eines Modellprojektes beschränkt. Was jetzt aber kommen soll, ist mehr: die Corona-Impfung in der Apotheke – und zwar für alle, die das möchten.
Vor wenigen Monaten noch erschien mir die Möglichkeit, innerhalb der Apothekenräumlichkeiten auch gegen Corona zu impfen, zu impraktikabel. Inzwischen hat sich einiges verändert. Das Wichtigste dabei: Die Impfstoffknappheit ist inzwischen beendet. Das ist in meinen Augen die Grundvoraussetzung dafür, dass sich neben den Haus- und Fachärzten auch die Zahnärzte, die Tierärzte und eben auch die Apotheken in das Impfgeschehen einmischen.
Denn eines scheint ganz offensichtlich zu sein: Die meisten Hausarztpraxen sind mit der Mammutaufgabe, alle Deutschen zu impfen oder zu boostern, überfordert, selbst wenn so mancher Hausärzteverband das nicht zugeben möchte. Allerorts klagen die Menschen darüber, dass ihr Booster-Termin noch zwei Monate in der Zukunft liegt, wenn er denn überhaupt schon vergeben wurde und man nicht auf einer dreistelligen Warteliste landet. Extratermine für Berufstätige wurden ebenfalls nur selten angeboten; erst seitdem die Vergütung beim Impfen an Wochenenden verbessert wurde, beteiligen sich immerhin mehr Praxen als zuvor.
Das ist keinesfalls die Schuld der impfenden Ärzte selbst – das Personal ist in diesen Zeiten ohnehin knapp und auch ohne Corona gibt es zum Jahresende genug in den Praxen zu tun. Patienten mit akuten und chronischen Erkrankungen benötigen ihre Versorgung weiterhin. Wo soll dann die Zeit bleiben, um täglich 1,5 Millionen Spritzen zu setzen, um das ehrgeizige Ziel unseres neuen Bundeskanzlers zu erfüllen?
Mobile Impfbusse und Impfungen in Turnhallen oder Schul-Aulas werden durch die Bevölkerung angenommen, sind letztlich aber meist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Gerade ältere Menschen haben auch oft nicht mehr die Kraft, viele Stunden in der Kälte anzustehen, um ihre Impfung zu erhalten, was Patienten- und Pflegebeauftragte schon seit längerer Zeit monieren. Die Impfzentren, in denen täglich viele hundert Menschen versorgt werden konnten, wurden zum großen Teil wegen zu hoher Kosten geschlossen. Eine dezentrale Versorgung wäre auch für mobilitätseingeschränkte Personen deutlich praktikabler.
Die Ärzteverbände laufen trotzdem Sturm gegen Impfungen in den Apotheken. Das war nicht anders zu erwarten, da sie auch die Grippeimpfungen dort nicht befürworten. Die Argumente dagegen wirken allerdings recht dünn. Klar, es ist wenig hilfreich, andere Berufsgruppen impfen zu lassen, wenn allgemein zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht. Das ist nun nicht mehr der Fall und soll sich bis zum Januar weiter verbessern.
Die fehlende Qualifikation ist ein weiterer Vorwurf, denn das Impfen sei eine originär ärztliche Aufgabe. Das Robert-Koch-Institut sieht das jedoch seit Jahren anders. Auf seiner Informationsseite schreibt es: „Grundsätzlich sind Impfstoffe Arzneimittel, die nur der Arzt verordnen darf. Es gibt allerdings keine gesetzliche Vorschrift, die die Durchführung einer Impfung ausschließlich dem Arzt vorbehält. Pflegekräfte, Arzthelfer mit entsprechender Ausbildung dürfen auch Arzneimittel verabreichen.“
Aus eigener Erfahrung im Impfzentrum Mannheim kann ich berichten, dass ich meine Zweitimpfung von einer MFA erhalten habe, die laut eigener Aussage bereits seit 8 Jahren ausschließlich in der Verwaltung eines Krankenhauses gearbeitet und nur aufgrund der wirklich guten Bezahlung wieder einmal praktisch Hand angelegt hat. Ich habe keinen Unterschied zu meiner Erst- und der Booster-Impfung bemerkt, die mir ein Mediziner verabreicht hat. Und das Argument, dass die Gefahr eines allergischen Schocks besteht, zieht ebenfalls nicht recht. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass bei einer Corona-Impfung ein erhöhtes Risiko besteht und jede Apotheke ist mit einer Notfallausstattung zur Behandlung eventuell auftretender anaphylaktischer Reaktionen ausgestattet. Die Behandlung eines solchen Schocks ist Bestandteil der Fortbildung, die Apotheker durch Ärzte im Rahmen ihrer Weiterbildung zum Impfen erhalten.
Die Tatsache, dass reflexartig das Dispensierrecht für Ärzte aus der Schublade gezogen wird, obwohl es dazu noch keine Vorüberlegungen und Modellprojekte seitens der Ärztekammern gibt, zeigt deutlich, dass die Diskussion ins Unsachliche abdriftet. Es geht wieder einmal um Grabenkämpfe, bei denen eine Seite der anderen die Butter auf dem Brot neidet. Ein Dispensierrecht für Ärzte im Notdienst, so wie es FDP-Abgeordneter Ullmann ins Gespräch gebracht hat, finde ich dagegen tatsächlich sinnvoll. Das würde vielleicht auch die Apotheken-Notdienste etwas entlasten.
Nun ist es jedenfalls beschlossene Sache, das „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19“ hat Bundestag und Bundesrat passiert. Darin heißt es wörtlich:
„Zur Stärkung der Impfkampagne sollen Apotheker, Zahnärzte sowie Tierärzte vorübergehend zu eigenverantwortlichen Schutzimpfungen gegen COVID-19 bei Menschen ab 12 Jahren berechtigt werden. Voraussetzungen sind eine vorherige ärztliche Schulung und geeignete Räumlichkeiten oder die Einbindungen in geeignete Strukturen, wie z. B. in ein mobiles Impfteam. Muster-Schulungskonzepte sollen von der Bundesapothekerkammer, der Bundeszahnärztekammer sowie der Bundestierärztekammer bis zum 31. Dezember 2021 jeweils in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer entwickelt werden.
Damit können Apotheker, Zahnärzte sowie Tierärzte bei Vorliegen einer entsprechenden Schulung zügig im Rahmen der derzeit bestehenden Impfstrukturen, z. B. Impfzentren oder mobile Impfteams, eigenständig Impfungen durchführen. Um darüber hinaus als eigenständige bestellberechtigte Impfstelle tätig sein zu können, bedarf es noch einer kurzfristigen Anpassung der Coronavirus-Impfverordnung.“
Nun können die Apotheken beweisen, was in ihnen steckt und wie wichtig sie für die Gesunderhaltung der Bevölkerung sind. Sie sollten die Chance ergreifen und der Politik klar machen, dass man sie nicht einfach durch Versandhäuser ersetzen kann. Was könnte sich dafür besser eignen als die Impfung in der Apotheke?
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