PFIC ist eine seltene Erkrankung, die im Kindesalter auftritt und Lebensqualität und -erwartung schwer einschränkt. Bisher war eine kurative Behandlung nur durch Lebertransplantation möglich – ein neu zugelassenes Orphan Drug bietet eine Alternative.
Teil 2 unserer Serie über seltene Krankheiten und ihre Behandlung. Hier geht's zu Teil 1.
Quälender Juckreiz, Ikterus, chronische Diarrhoe und Leberzirrhose: Jedes dieser Symptome für sich ist schon belastend genug. Wenn dann die oder der Betroffene ein Kind mit einer Lebenserwartung von etwa 10 Jahren ist, ist diese Erkrankung unerträglich. Dahinter steckt die progressive familiäre intrahepatische Cholestase (PFIC). Eine genaue Zahl der Betroffenen dieser seltenen Krankheit ist nicht bekannt. Schätzungen gehen aber davon aus, dass eines von 50.000 bis 100.000 Neugeborenen an PFIC leidet.
Es handelt sich dabei um eine Gruppe von autosomal-rezessiv vererbten Lebererkrankungen, die unter anderem auch zu Wachstumsstörungen führen. Beim Subtyp PFIC1, auch als Byler-Syndrom oder Byler'sche Krankheit bezeichnet, wird das Protein FIC1 nicht in ausreichender Menge gebildet. Dieses körpereigene Eiweiß wird auch als ATP8B1bezeichnet. Der FIC-1-Transporter ist dafür verantwortlich, dass der Gallensaft richtig zusammengesetzt ist und dass die Leberzellen richtig funktionieren. Durch einen Mangel an diesem Protein kann beides gestört sein. Gegen das Byler-Syndrom ist jetzt erstmals ein Arzneistoff zugelassen: Odevixibat.
Cholestatische Lebererkrankungen sind grundsätzlich durch die Kumulation von Gallensalzen charakterisiert. Die Ursache ist eine gestörte Gallensaftbildung und/oder ein gestörter Gallenfluss. Leberschäden, Entzündungen und Fibrose werden durch die Retention von Gallensäure gefördert. Zu den Symptomen können Pruritus, Müdigkeit und Gelbsucht gehören. Weitere Symptome sind ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen, Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Hörprobleme und chronischer Husten.
Die PFIC lässt sich in mehrere Subtypen einteilen und spezifischen Genen zuordnen. PFIC1 und PFIC2 treten typischerweise in den ersten Lebensmonaten auf, während sich PFIC3 auch später bis hin zum jungen Erwachsenenalter manifestieren kann. Neben den hohen Gallensäurenkonzentrationen ist die yGT-Aktivität erniedrigt oder normal. Bei dem Subtypen PFIC3 ist sie allerdings erhöht.
Die benigne rekurrierende intrahepatische Cholestase (BRIC) und die intrahepatische Cholestase in der Schwangerschaft (ICP) sind milde Formen der PFIC. Für die hepatischen Erkrankungen sind in der Mehrzahl der Fälle Mutationen in den Genen ATP8B1, ABCB11 und ABCB4 verantwortlich.
Die Ausscheidung der Lecithine Phosphatidylserin und Phosphatidylethanolamin ist gestört. Diese sind für die Funktionsfähigkeit der Gallenkapillarmembran der Hepatozyten erforderlich. Alle Funktionen der hepatischen Membran sind dadurch in ihrer Funktion eingeschränkt. Der biliäre Transport von Gallensäuren und Phospholipiden wie auch der von Bilirubin ist beeinträchtigt. Entsprechend kumulieren diese Substanzen im Körper und führen bereits im Säuglingsalter zu ausgeprägten Cholestasesymptomen.
Genetisch ergibt sich folgende Pathogenese:
Die Varianten 4 -7 sind noch seltener.
2020 zeigte eine niederländische Studie, dass PFIC3 mitunter auch bei Menschen auftreten kann, die nur ein defektes Chromosom in sich tragen. Bei der großen Mehrzahl waren die Krankheitsverläufe jedoch milder als bei homozygoten Trägern.
Steckbrief
Name der Erkrankung
progressive familiäre intrahepatische Cholestase (PFIC)
Weitere Namen
Byler Syndrom
Häufigkeit
1 : 50.000 bis 100.000
Gestörte Funktion
Cholestatische Lebererkrankung
Kumulation von Gallensäuren
Minderwuchs
Leberfibrose
Ikterus
Starker Juckreiz
Frustrane Prognose
Genlokalisation
ATP8B1, ABCB11 und ABCB4, FIC1 u.a.
Orphan drugs
Odevixibat (Bylvay ®)
Wirkung
Inhibitor des Gallensäure-Transporters IBAT
juckreizstillend
Verbesserung hepatischer Störungen
Positive Auswirkungen auf den Minderwuchs
Die Diagnose ist komplex. Laborchemisch wird die Aktivität der Leberenzyme und Gallensäuren bestimmt.
Eine Leberbiopsie zeigt eine typische Histologie; zum Nachweis der defekten Transportproteine in den Leberzellmembranen erfolgt eine immunhistochemische Färbung.
Der genetische Nachweis bereits bekannter Mutationen ist möglich, jedoch gelingt nicht in allen Fällen eine eindeutige genetische Zuordnung.
Nur ein Teil der Patienten sprach bisher auf eine medikamentöse Therapie an. Der Juckreiz kann mit H1-Antihistaminika gelindert werden. Der Langzeiterfolg fehlt allerdings und durch die sedierende Wirkung wird die Lebensqualität eingeschränkt. Auch der Opiatantagonist Naltrexon oder das Antibiotikum Rifampicin werden off-label eingesetzt.
Ursodesoxycholsäure kann bei einigen Patienten das Leber-Remodeling verhindern oder zumindest verlangsamen. In geringen Mengen kommt Ursodesoxycholsäure auch in der menschlichen Galle vor. Bei PFIC1 wird untersucht, ob Fibrate die Wirksamkeit dieses Wirkstoffes verbessern können. Die Wirkungsweise bei cholestatischen Lebererkrankungen beruht vermutlich auf einem Austausch toxischer körpereigener Gallensäuren gegen untoxische Ursodesoxycholsäure, auf einem leberzellschützenden Effekt und auf einer Verbesserung sekretorischer Prozesse der Leberzellen.
Die Alternative zur Pharmakotherapie sind hepatische Operationen oder die Lebertransplantation als einzige kurative Therapie. Die Möglichkeit, das Organ zu teilen (Split-Technik) und die möglich gewordene Lebendspende haben zu einer Zunahme der chirurgischen Therapie geführt.
Das erste, nicht nur symptomatisch wirkende Medikament gegen PFIC hat nun die Hürden der Zulassung als Orphan drug genommen. Gestützt wurde die Zulassung von Odevixbat (Bylvay®) durch Daten aus den Studien PEDFIC 1 und PEDFIC 2.
In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten PEDFIC 1-Studie erreichte Odevixibat sowohl die primären Endpunkte Juckreiz als auch die Senkung der Serumgallensäure und wurde gut vertragen. Die häufigste Nebenwirkung war Diarrhoe. PEDFIC 2 – eine langfristige, offene Phase-3-Verlängerungsstudie – bestätigte, dass unter der Therapie nachhaltige Senkungen der Serumgallensäuren erreicht wurden. Außerdem wurde eine Verbesserungen des Pruritus, des Wachstums und anderer Marker der Leberfunktion erzielt. Es gab keine schwerwiegenden, behandlungsbedingten Nebenwirkungen.
Auch für die Behandlung anderer Erkrankungen könnte Odevixibat hilfreich sein: In der klinischen Phase-3-Studie BOLD wird die Wirkung bei Patienten mit Gallengangsatresie und in der klinischen Phase-3-Studie ASSERT die Effizienz beim Alagille-Syndrom, eine ebenfalls seltene pädiatrische cholestatische Lebererkrankung, getestet. Daten der ASSERT-Studie werden dieses Jahr erwartet, die der BOLD-Studie 2024.
Odevixibat ist ein niedermolekularer Inhibitor des Gallensäure-Transporters IBAT. Der Wirkstoff ist zur Behandlung von cholestatischen Lebererkrankungen, einschließlich progressiver familiärer intrahepatischer Cholestase (PFIC), Gallengangsatresie und Alagille-Syndrom entwickelt worden. Zugelassen ist das Orphan drug in Europa bei PFIC, in den USA auch bei Pruritus.
Odevixibat zeigt eine selektive, reversible Hemmung des IBAT. Das Medikament reduziert den Gallensäurespiegel im Plasma/Serum, indem es die Wiederaufnahme von biliären Säuren im distalen Ileum reduziert und die Kolon-Clearance von Gallensäuren erhöht. In einem Mausmodell der sklerosierenden Cholangitis verbesserte Odevixibat die cholestatische Leber- und Gallengangsschädigung und schien sowohl antifibrotische als auch entzündungshemmende Wirkung zu haben.
Die Pharmakodynamik von Odevixibat setzt voraus, dass der enterohepatische Kreislauf von Gallensäuren und der Gallensalztransport in die Gallenkapillaren nicht gestört ist. Zustände, Medikamente oder chirurgische Eingriffe, die entweder die gastrointestinale Motilität oder den enterohepatischen Kreislauf der Gallensäuren stören, können die Wirksamkeit von Odevixibat reduzieren. Auch der Transport der Gallensalze in die Gallenkanälchen darf nicht vermindert sein.
Aus diesem Grund werden Patienten mit PFIC2, die ein vollständiges Fehlen oder eine mangelnde Funktion des Proteins der Gallensalzexportpupme (BSEP) aufweisen, nicht auf Odevixibat ansprechen. Zu Odevixibat bei anderen PFIC-Subtypen als 1 und 2 liegen begrenzte bzw. keine klinischen Daten vor.
Die Substanz interagiert gleich auf zwei sehr häufigen Interaktionswegen mit anderen Arzneistoffen: über hepatische CYP-Enzyme und Transportproteine.
Odevixibat ist ein Substrat für den Effluxtransporter P-Glycoprotein (P-gp). Die gleichzeitige Anwendung des starken P-gp-Inhibitors Itraconazol erhöht daher den Plasmaspiegel einer Einzeldosis Odevixibat um etwa 50-60 Prozent. Weitere potenziell relevanten Transporter-vermittelten Wechselwirkungen wurden in vitro jedoch nicht festgestellt.
In In-vitro-Studien erwies sich Odevixibat auch als CYP3A4/5-Inhibitor. Bei gleichzeitiger Anwendung verringerte es den Blutspiegel (AUC) von oralem Midazolam (einem CYP3A4-Substrat) um 30 Prozent. Weitere hepatische Interaktionen sind möglich.
Es passiert nicht oft, dass für eine seltene Erkrankung, bei der bisher nur symptomatisch oder chirurgisch behandelt werden konnte, ein Medikament zugelassen wird. Es steht aber bereits eine weitere, ähnliche Substanz in den Startlöchern. Dem in der EU noch nicht zugelassenen Mitbewerber Maralixibat hat die Food and Drug Administration (FDA) bereits den Status „Breakthrough Therapy“ und „Orphan Drug“ für Pruritus im Zusammenhang mit dem Alagille-Syndrom bei Patienten ab einem Jahr erteilt.
Das Byler-Syndrom ist für Säuglinge und Kleinkinder extrem belastend, da Juckreiz in dem Alter noch als Schmerz wahrgenommen wird. Odevixibat kann den kleinen Patienten ihr Leid nehmen. Weitere Studien müssen zeigen, wie stark sich der Wirkstoff auf die Lebenserwartung auswirkt. Auf jeden Fall ist es ein immenser Fortschritt, wenn ein Pharmakon eine Organtransplantation vermeiden kann.
Interesse geweckt? Hier geht es zum nächsten Teil der Serie.
Bildquelle: Irina Iriser, pexels