Das Lungenvolumen geringer, die Pumpkraft des Herzens schwächer: Selbst ein milder COVID-19-Verlauf kann Organe mittelfristig schädigen. Eine aktuelle Studie aus Hamburg liefert genaue Zahlen.
Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) konnten nachweisen, dass auch milde bis moderate Krankheitsverläufe mit COVID-19 die Funktionen von Herz, Lunge und Nieren mittelfristig beeinträchtigen und mit gehäuften Zeichen einer Beinvenenthrombose einhergehen.
In der Hamburg City Health Study (HCHS) wurden 443 Personen nach einer SARS-CoV-2 Infektion mit nur leichteren Symptomen umfassend untersucht. Ihre Daten wurden mit denen von nicht an COVID-19 erkrankten Teilnehmer der HCH-Studie verglichen. Die Studienergebnisse wurden heute als sogenannte Fast-Track-Publikation im European Heart Journal veröffentlicht.
Seit Mitte 2020 wurden die Studienteilnehmer im Alter zwischen 45 und 74 Jahren nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion im Epidemiologischen Studienzentrum des UKE eingehend untersucht.
„Die umfassenden Datensätze inklusive der Magnetresonanz-Tomographie des Herzens und des Gehirns sowohl bei SARS-CoV-2-Betroffenen wie auch in der Kontrollgruppe erlaubte eine organübergreifende Analyse. Die Erkenntnis, dass selbst ein milder Krankheitsverlauf mittelfristig zur Schädigung diverser Organe führen kann, hat höchste Bedeutsamkeit gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Omikron-Variante, die mehrheitlich mit milderen Symptomen einherzugehen scheint“, so Prof. Raphael Twerenbold, Wissenschaftlicher Studienzentrumsleiter und Kardiologe im Universitären Herz- und Gefäßzentrum des UKE, und Erstautorin Elina Petersen, Epidemiologin im Epidemiologischen Studienzentrum des UKE.
Die Studie wurde mit Unterstützung der Freien und Hansestadt Hamburg unter Beteiligung von mehr als zehn Kliniken und Instituten des UKE durchgeführt. „Die Ergebnisse ermöglichen es uns, frühzeitig mögliche organische Folgeerkrankungen zu erkennen und die entsprechenden therapeutischen Maßnahmen einzuleiten“, sagt Prof. Stefan Blankenberg, HCH-Studienleiter und Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums des UKE.
Die Studienteilnehmer gaben keine, milde oder höchstens mäßiggradige Symptome zum Zeitpunkt der SARS-CoV-2-Infektion an. Die überwiegende Mehrheit von ihnen (93 Prozent) wurde daher rein ambulant behandelt, keiner benötigte eine intensivmedizinische stationäre Behandlung.
In der Studie wurden das Herz-Kreislauf- und Gefäßsystem, die Lunge, die Nieren und das Gehirn auf Funktion, Struktur und mögliche Folgeschädigungen im Mittel zehn Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion untersucht. Anhand von Fragebögen wurde die Lebensqualität erfasst. Zum Vergleich wurden 1.328 Teilnehmer ähnlichen Alters, Geschlechts und Bildungsstatus aus dem HCHS-Datensatz vor Ausbruch der Pandemie ausgewählt.
Im Direktvergleich zur Normalbevölkerung fanden sich bei den Probanden nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion Anzeichen von mittelfristigen Organschädigungen. In der Lungenfunktionstestung konnte bei den Teilnehmern ein um etwa drei Prozent reduziertes Lungenvolumen sowie ein leicht erhöhter Atemwegswiderstand dokumentiert werden.
Die Herzuntersuchungen ergaben eine durchschnittliche Abnahme der Pumpkraft um ein bis zwei Prozent sowie eine 41-prozentige Erhöhung eines Markerproteins im Blut, welches Auskunft über die Belastung des Herzens gibt.
Ein zentrales Ergebnis der Analyse: Durch die Ultraschalluntersuchung der Beine konnten zwei- bis dreifach häufiger Zeichen einer zurückliegenden Beinvenenthrombose nachgewiesen werden. Ebenso wurde bei den Probanden nach SARS-CoV-2-Infektion eine Abnahme der Nierenfunktion um etwa zwei Prozent festgestellt.
Die Untersuchung von Struktur und Leistungsfähigkeit des Gehirns nach einer SARS-CoV-2-Infektion ergab ebenso wie die erfragte Lebensqualität keine Verschlechterung im Vergleich mit der Kontrollgruppe. Zur frühzeitigen Erfassung und gezielten Behandlung dieser möglicherweise unbemerkt beeinträchtigten Organfunktionen empfehlen die Autoren routinemäßig einen simplen Abklärungspfad.
Die Hamburg City Health Study (HCHS) ist die größte lokale Gesundheitsstudie der Welt. Insgesamt sollen 45.000 Hamburger zwischen 45 und 74 Jahren über einen langen Zeitraum hinweg untersucht werden, um die Risikofaktoren für häufige Erkrankungen wie Herzinfarkt, Vorhofflimmern, Schlaganfall, Demenz oder Herzinsuffizienz zu identifizieren.
Ziel der 30 beteiligten Kliniken und Institute des UKE ist es, individualisierte Behandlungsmöglichkeiten und eine gezielte Prävention zu entwickeln. Inzwischen sind rund 16.000 Hamburger untersucht worden.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Studie haben wir euch im Text und hier verlinkt.
Bildquelle: Sharon McCutcheon, Unsplash