Über die Weihnachtszeit haben viele meiner Patienten geschlemmt – und wollen zum Jahreswechsel einen Neustart für ihren Körper. Detox und Entschlackung stehen hoch im Kurs. Warum das leider kompletter Quatsch ist.
Weihnachten und Silvester sind vorbei, das neue Jahr hat begonnen und ich wünsche, wohl gerutscht zu sein. Wie in jedem Jahr verspricht man sich am Neujahrstag selbst: „Dieses Jahr esse ich etwas weniger!“, „Kein Alkohol!“ oder „Ab diesem Jahr lebe ich vegetarisch!“
Die guten Vorsätze halten in der Regel etwa 24 Stunden lang an, dann schleichen sich die ersten Ausnahmen ein. Schließlich müssen am 2. Januar noch die Reste vom Silvesterraclette vernichtet werden und es wäre außerdem schade um die Weihnachtsplätzchen von Oma Hilde.
Aber dann!! So jedenfalls der Plan. Wie jeder weiß, sind Pläne dafür da, nicht eingehalten zu werden. Die Schlemmertage haben unsere Gehirnwindungen, die für Disziplin und Askese verantwortlich sind, heimlich umprogrammiert.
Daher haben wir sicher alle das eine oder andere Kilo zugelegt, weil wir den süßen und fettigen Versuchungen in Form von Plätzchen, Gänsebraten und Glühwein zu sehr nachgaben. Und nun haben wir den Salat. Oder besser gesagt: die Schlacken!
Glaubt man den gängigen Frauenmagazinen und einschlägigen „Gesundheitsseiten“ im Netz, sind Schlacken beinahe bösartige Ablagerungen, die unseren Darm, die Blutgefäße und die inneren Zellwände verstopfen. Besagte Internetseiten sagen den Schlacken den Kampf an und verkaufen Teechen, Süppchen, Pillchen, Sälbchen und Mittelchen, um die klebrigen Massen in unserem Körper zu beseitigen.
Beschäftigen wir uns doch mal damit, ob das Ganze sinnvoll und zielführend ist.
Spoiler: Ist es nicht.
Wenn man den Begriff googelt, erscheint als erstes der Wikipedia-Eintrag zu dem Begriff. Die Definition von Schlacken lautet dort: „Schlacke bezeichnet in der Metallurgie die glasig oder kristallin erstarrten nichtmetallischen Begleitphasen. Es handelt sich dabei um ein Stoffgemisch, das sich aus basischen und sauren Oxiden zusammensetzt. Es entsteht bei der Gewinnung von Metallen in der Erzverhüttung.“
Sprich: Verbrennungsrückstände aus Hochöfen bei der Metallverarbeitung.
Nun, jetzt sind wir nicht viel schlauer. Was hat die Metallverarbeitung mit unserem Darm und unseren verklebten Geweben zu tun?
Wir googeln weiter. Es folgen eine Menge Internetseiten zum Thema Entschlackung, auf denen man sich im Rahmen seriöser Recherche nicht herumtreiben sollte. Da die evidenzbasierte Medizin aber bisher keine Schlacken im Körper nachweisen konnte, muss man sich also doch leider dort mit den nötigen (Falsch-) Informationen versorgen.
Da heißt es also, Schlacken seien Abfallprodukte von Lebensmitteln, Getränken und Umweltgiften, die wir aufnehmen und die der Körper nicht loswerden kann. Je nach Website sind die Schlacken entweder klebrige Abfallstoffe oder ätzende Säuren und Gifte, die wir ansammeln.
Diese Abfallstoffe lagerten sich in den Darmzotten ab, heißt es dort, und über die Jahre veränderten sich diese zunächst schleimigen Schichten zu einem schwarzen, klebrigen Material, das man loswerden müsse. Weiter wird erklärt, diese Substanz lande dann (über Wege, die sich mir nicht erschließen) in der Lunge, im myofaszialen Bindegewebe und in den Zellen.
Mein Kopf stellt sich klebrig zugekleisterte Gewebefetzen vor, die uns zu einem stinkenden, wandelnden Abfallzombie degradieren. Wer mal so richtig unwissenschaftlich absülzen möchte, der treibe sich bitte auf diversen Internetseiten herum, die das Entschlacken verkaufen möchten. Dann klappt’s auch mit dem Aluhut.
Es wird dann vorsorglich noch darauf hingewiesen, dass wir Schulmediziner uns im Bezug auf Entgiftungs- und Entschlackungsmethoden taub stellten und ahnungslos seien.
Nun habe ich, um meine Ahnungslosigkeit zu besiegen, pubmed befragt. Dies ist eine wissenschaftliche Datenbank, auf der ich nach Studien zu „Detox diet“ suchte und im Prinzip keine belastbaren Studien dazu fand. Also suchte ich weiter und stieß auf die Website Medizin-transparent aus Österreich, die sich nach klar geregelten Vorgaben mit verschiedenen Irrungen und Wirrungen in der Medizin beschäftigt.
Der Artikel von Jörg Wipplinger beschreibt eigentlich alles, was ich hier auflisten wollte, zudem gibt es einen Artikel von Edzart Ernst, der Literatur auswertete, und keine Beweise für die Wirksamkeit von „Entgiftungen“ im Sinne von speziellen Ernährungskuren finden konnte.
Wenn wir unseren Körper einmal betrachten, stellen wir fest, dass wir ein ziemliches Wunderwerk sind. Unsere Organe schaffen es in ihrer normalen, gesunden Funktion, aufgenommene Giftstoffe auszuscheiden. Die Leber als große Stoffwechselfabrik baut bekanntermaßen beispielsweise Alkohol ab, die Nieren reinigen unser Blut und regeln gemeinsam mit der Lunge den pH-Wert des Körpers, der in einem extrem schmalen Toleranzbereich liegt und der uns bei größeren Abweichungen schnell auf die Intensivstation befördert. Um Zahlen zu nennen: unser pH-Wert liegt zwischen 7,35 und 7,45, also in einem sehr eingegrenzten Bereich.
Wenn der pH-Wert durcheinandergebracht wird, beispielsweise bei einem außer Kontrolle geratenen Diabetes, dann versucht der Körper durch verschiedene Kompensationsmechanismen den normalen Säure-Base-Haushalt wiederherzustellen, unter anderem durch eine vermehrte, sehr tiefe Atmung.
Eine Übersäuerung liegt bei einem pH-Wert von unter 7,35 vor. Solche Werte haben jedoch nichts mit der Übersäuerung zu tun, die wir angeblich durch schlechte Ernährungsformen erreichen.
Unsere Nieren spielen ebenfalls eine große Rolle in der Regulation des Säure-Basen-Haushaltes, so dass wir bei deren Funktionsverlust sehr große Probleme bekommen. Wenn die Nieren ihre Blutwäsche nicht mehr durchführen können, ist die Dialyse als Ersatzverfahren notwendig. Das könnte man tatsächlich Detox nennen, denn ohne die Blutwäsche verbleiben Giftstoffe im Körper.
Auch bei Leberversagen, z. B. im Rahmen einer Leberzirrhose, lagern sich Giftstoffe wie Ammoniak massiv an und können zum hepatischen Koma führen. Patienten mit einer Leberzirrhose erhalten Laktulose zum Ausscheiden von Ammoniak. Auch dies ist Detox im weitesten Sinne.
Manche Giftstoffe oder Schwermetalle, die wir über die Jahre aufnehmen, können sich im Fettgewebe ablagern, dazu gehören Stoffe wie Dioxine oder polychlorierte Biphenyle. Nimmt man im Rahmen einer Diät massiv ab, werden diese frei und können unsere Gesundheit belasten. Bei einer echten Schwermetallvergiftung kommen Chelatbildner zum Einsatz, das sind Medikamente, die Schwermetalle binden und ausscheiden. Freiverkäufliche sogenannte Zeolithe sollen das angeblich auch tun, aber dies ist zum einen nicht erforscht, zum anderen können so auch Mineralstoffe verloren gehen.
Ablagerungen, die wir in unseren Blutgefäßen haben können, entwickeln sich über die Jahre durch ein zu hohes Cholesterin, gerne in Verbindung mit dem Konsum von Zigaretten. Schlacken sind aber auch das nicht, und loswerden kann man die Plaques in den Arterien nicht. Man muss sie vermeiden, ggf. kann man sie medikamentös durch Statine stabilisieren. Eine angepasste Ernährung, der Verzicht auf Zigaretten und die Reduktion weiterer Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes verzögern das Voranschreiten der Gefäßerkrankung.
Fassen wir zusammen: Entgiftende Verfahren gibt es, wenn Stoffwechselprozesse und -organe krankheitsbedingt massiv gestört sind. Dann sind sie auch überlebensnotwendig.
Das alles hat aber nichts mit den Detox-Verfahren zu tun, die uns gerne verkauft werden.
Die Produkte, die wir einnehmen sollen, um unsere Organe von „Schlacken“ und Giften und Schlonz zu befreien und damit kernzusanieren, werden meist als „d-tox“, „antitox“ oder „freetox“ verkauft, denn der Bundesgerichtshof verbot im Jahr 2015 den Begriff „Detox“ in Verbindung mit Lebensmitteln.
Fakt ist allerdings, dass die meisten dieser Tees und Tabletten auch schaden können. Oft haben sie entwässernde Wirkung, so dass bei ausgeprägtem Konsum ein Gewichtsverlust durch Wasserverlust hervorgerufen wird. Durch die Entwässerung über längere Zeit gehen auch wichtige Mineralstoffe verloren. Zudem können die Inhaltsstoffe mit Medikamenten in Wechselwirkung geraten und ihre Wirkung schwächen oder verstärken. Beides ist nicht sinnvoll.
Nun ist es aber bekanntlich so, dass es manchen Menschen nach „Detox“, Fastenkuren und Säure-Base-Diät besser geht. Warum ist das so?
Fastenkuren haben in einigen Studien bisher gute Wirkungen gezeigt, die allerdings ähnlich zu bewerten waren wie eine gleichförmige Kalorienreduktion. Auf Fasten möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, das würde den Rahmen sprengen.
Ferner kann es kann positive Effekte mit sich bringen, sich dann und wann mit seinem Körper zu befassen und sich und seiner Seele etwas Gutes zu tun. Durch begleitende Anwendungen im Rahmen von „Detox-Kuren“ kommen Menschen zur Ruhe, entspannen sich und nehmen sich bewusste Auszeiten. Das kann zuweilen wirklich gut tun. Alleine beispielsweise die Zeremonie des Teetrinkens kann ja schon helfen, sich besser zu fühlen, oder? Es ist auch überhaupt nichts gegen eine sogenannte basische Ernährung einzuwenden, die im Prinzip eine pflanzenbasierte Kost darstellt. Im Gegenteil.
Eine ausreichende (nicht übertriebene) Flüssigkeitszufuhr, dazu gesunde und fleischarme Ernährung, die am besten aus frischen Zutaten selbst hergestellt wird, Reduktion von Zucker, Verzicht auf Alkohol und Zigaretten, und schon geht es einem besser. Und zwar langfristig.
Wer viel abnehmen muss, bespricht sich bitte mit seinem Hausarzt oder seiner Hausärztin. Er oder sie kann gezielt nach Mangelerscheinungen oder Risikofaktoren (z. B. ernährungsbedingte oder familiäre Cholesterinbelastung, Zucker) suchen, zu Darmsanierung (z. B. nach Antibiotikatherapie) oder notwendigen Nahrungsergänzungsmitteln beraten, passende Untersuchungen einleiten und ggf. auch Medikamente verordnen, wenn sie angeraten sind.
Alles andere ist Geldmache.
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