Bislang war unklar, ob eine vollständige Immunisierung gegen COVID-19 auch vor Long Covid schützt. Lest hier mehr über die ersten Daten – und dazu, was Psyche und Hunde mit der Erkrankung zu tun haben.
Zwar füttert uns die Welt der Forschung fast täglich mit neuen Erkenntnissen zu COVID-19, doch bleiben noch viele Fragen zu den Langzeitfolgen einer Infektion offen. Neben der genauen Ursache von Long Covid ist auch noch unklar, wie sich eine Durchbruchsinfektion längerfristig bei Geimpften manifestieren könnte.
Grund für die lückenhafte Datenlage zum Effekt der Impfung gegen Long bzw. Post Covid ist, dass sich jetzige Studien noch mit Betroffenen aus der 1. und 2. Welle der Corona-Pandemie beschäftigen – damals standen die COVID-19-Impfungen noch nicht jedem zur Verfügung. Das hat sich inzwischen geändert, weshalb nun bei der Datenerhebung auch Geimpfte in den Fokus rücken (wir berichteten). Eine aktuelle israelische Studie liefert jetzt neue Daten.
Die Querschnittsstudie vergleicht Langzeit-Symptome einer überstandenen COVID-19-Infektion in einer Kohorte aus Geimpften und Ungeimpften. Dafür nahmen 951 erwachsene Probanden im Zeitraum von März 2020 bis 2021 an einer Befragung teil. Davon waren 634 Personen bzw. 67 % einfach oder vollständig geimpft.
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Unter den 951 Teilnehmern berichteten 337 (35 %) während des Follow-ups nicht vollständig genesen zu sein: Die häufigsten Symptome waren dabei Fatigue (22 %), Kopfschmerz (20 %), sowie Gelenk- und Gliederschmerz (10 – 13 %). Eine vollständige Impfung zeigte sich hierbei von Vorteil: Die Geimpften wiesen diese Post-Covid-Symptome zu 64 %, 54 % und 57 – 68 % weniger häufig auf als Ungeimpfte.
„Insgesamt wurde eine vollständige Impfung (2 oder mehr Impfstoffe) mit einer erheblichen Abnahme der Meldung der häufigsten Post-COVID-19-Symptome und Zunahme bei der Meldung einer vollständigen Genesung, insbesondere bei Personen über 60 Jahren, assoziiert“, schreiben die Autoren zu ihren Daten. Mit anderen Worten: Die COVID-19-Impfung scheint nicht nur vor einer tatsächlichen Infektion zu schützen, sondern auch vor Langzeitsymptomen der Infektion. Eine Frage bleibt jedoch weiterhin offen: Wie kommt es überhaupt zu dieser Symptomatik? Ist SARS-CoV-2 der alleinige Übeltäter?
Möglicherweise ist eine vorangegangene COVID-19-Infektion nicht die alleinige Ursache für die Entwicklung von Post Covid. Eine französische Studie legte den Fokus auf einen anderen Ursprung – könnte es sein, dass ein Teil der Symptome eher psychosomatisch ist? Um diese Frage näher beantworten zu können, untersuchten die Forscher in ihrer Querschnittsstudie eine Kohorte aus 26.823 Probanden. Dabei nutzten sie ELISA als Verfahren, um Antikörper gegen SARS-CoV-2 in Trockenblutproben der Teilnehmer zu detektieren. Alle Testpersonen berichteten im Zeitraum von Dezember 2020 bis Januar 2021, dass sie annahmen an COVID-19 erkrankt gewesen zu sein – dabei handelte es sich um eine Annahme, denn zuvor fand keine PCR-Diagnose statt. Ihren Angaben zufolge wiesen sie in den vergangen Wochen Symptome auf, die mindestens 8 Wochen anhielten und für Long Covid typisch sind, wie etwa Fatigue oder Konzentrationsschwierigkeiten.
Insgesamt waren aber nur 1.091 der Teilnehmer tatsächlich positiv auf SARS-CoV-2-Antikörper getestet worden. Der Glaube an eine vorangegangene COVID-19-Infektion assoziierte laut Autoren mit allen langanhaltenden Symptomen, positive SARS-CoV-2-Testergebnisse wurden tatsächlich nur mit Anosmie assoziiert. Dabei konnten die Forscher keinen signifikanten Einfluss zwischen Glauben und der Serologie der Teilnehmer ermitteln. Das heißt, nur der Geruchsverlust als langanhaltendes Symptom ging mit einer tatsächlich vorangegangenen COVID-19-Infektion einher.
Aber wieso dachten dann so viele Probanden, dass sie eine COVID-19-Infektion durchgemacht haben? Grund dafür könnten laut Autoren zwei Mechanismen sein: Einerseits könnten bereits existierende langanhaltende Symptome zum Glauben einer durchlaufenen COVID-19-Infektion führen; anderseits könne der Glaube selbst zu der anhaltenden Symptomatik führen. Vor dem Hintergrund der ersten beiden Pandemiewellen, könnte es sich bei vielen der von Long-Covid-Betroffenen möglicherweise gar nicht um Long Covid handeln.
Hierzulande werden Betroffene, die in den Post-Covid-Ambulanzen vorstellig werden, zunächst einer ausführlichen Anamnese unterzogen (wir berichteten). Das heißt, wenn die Symptome nicht auf andere Uraschen zurückzuführen sind und eine bestätigte vorangegangene SARS-CoV-2-Infektion vorliegt, werden diese Patienten mit Post bzw. Long Covid diagnostiziert.
Möglicherweise sind die Long-Covid-Symptome auch auf eine persistierende COVID-19-Infektion zurückzuführen – zumindest weist unser Bundesgesundheitsminister via Twitter darauf hin. Er zitiert eine Studie, in der Hunde auch nach einem Jahr noch Corona-Infektionen erschnüffeln können:
Im Rahmen der aufgeführten Studie wurden Hunde so trainiert, SARS-CoV-Virus im Schweiß von Menschen zu erschnüffeln. Das tun die Hunde, indem sie flüchtige organische Verbindungen wahrnehmen. Anders gesagt: Die Hunde sollen persistierende virale RNA im Schweiß der Menschen erkennen.
Dafür trainierten die Forscher zwei Hunde, die in den Versuchen fünf zufällig platzierte und mit Achselschweiß getränkte Proben beschnüffelten. Vier der Wattestäbchen stammten jeweils von COVID-19-negativen Probanden, eines davon von Long-Covid-Patienten. Insgesamt wurden Proben von 45 Patienten über einen Zeitraum von Mai bis Oktober 2021 gesammelt. Die Hunde identifizierten 23 der 45 Long-Covid-Probanden (51,1 %) als positiv, hingegen erfassten sie keine der 188 Kontrollindividuen als positiv.
Die Autoren schließen daraus, dass „Hunde flüchtige organische Verbindungen bis zu 1,5 Jahre nach der Anfangsphase von COVID-19 erkennen können“. Das deute wiederum darauf hin, dass das Virus bei einigen Long-Covid-Patienten persistieren kann. Die Ergebnisse weisen zwar darauf hin, dass das Virus länger im Kreislauf persistieren könnte, doch handelt es sich dabei bisher nur um eine Hypothese.
Aber nicht nur die Frage nach der genauen Ursache von Long Covid ist schwer zu beantworten: Wie behandelt man Long Covid?
Die Immunologin Prof. Akiko Iwasaki löste in einem Tweet zu einem Fallbericht eine breite Diskussion auf Twitter aus. In dem Fall berichtete eine Long-Covid-Patientin positiv über ihre Behandlung mit der monoklonalen Antikörpertherapie durch REGEN-COV®. Laut der Betroffenen, lösten sich durch die Gabe die meisten Langzeitsymptome. Iwasaki fragte daraufhin nach weiteren Erfahrungen mit der Therapie, woraufhin Immunologe Dr. Andrew L. Croxford im weiteren Thread darauf hinweist: „Klinische Studien sind das, was wir brauchen, mit echten Placebos, die unter angemessener Aufsicht durchgeführt werden. So machen wir Behandlungen, die wirken.“
Tatsächlich fehlen uns in Sachen Long Covid Daten und klinische Studie – es wird wahrscheinlich noch etwas Zeit brauchen, genauere Antworten zur Ursache und Behandlung zu bekommen. Doch klar ist, wer sich mit SARS-CoV-2 infiziert, muss sich nicht nur auf die COVID-19-Erkrankung selber einstellen, sondern möglicherweise auch auf Long Covid.
Bildquelle: Vinicius "amnx" Amano, unsplash