Nach Unfällen oder Operationen ist eine Verpflanzung von Eigengewebe nicht immer möglich. Als Ersatzgewebe könnten Fasern aus Spinnenseidenprotein dienen. Aber wie sieht es mit der Durchblutung aus?
Ersatzgewebe spielen eine immer wichtigere Rolle zur Rekonstruktion und Schließung von Gewebedefekten, zum Beispiel bei großflächigen Verbrennungen der Haut. Denn die Verpflanzung von Eigengewebe ist nicht immer möglich, etwa weil die Wunden zu groß sind. Ein Problem bei der Züchtung von Ersatzgewebe, dem sogenannten Tissue Engineering, besteht jedoch darin, die Durchblutung des gezüchteten Gewebes zu sichern.
Eine aktuelle Arbeit von Forschungsgruppen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Universität Bayreuth zeigt, dass die Durchblutung von Gewebsgerüsten aus Spinnenseidenproteinen, die als Träger für Gewebszellen dienen, durch Biofunktionalisierung verbessert werden kann. Die Forscher fügten den Spinnenseidenproteinen einen Stoff hinzu, der das Wachstum von Blutgefäßen fördert. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in der führenden Fachzeitschrift Biofabrication veröffentlicht.
Großflächige Gewebedefekte, zum Beispiel nach Tumoroperationen oder Unfällen, können durch die Verpflanzung von Eigengewebe, dem autologen Gewebeersatz, rekonstruiert werden. Aber individuelle Faktoren der einzelnen Betroffenen, etwa Nebenerkrankungen oder Voroperationen aber auch die Defektgröße, können den autologen Gewebeersatz einschränken und in manchen Fällen sogar gänzlich unmöglich machen.
„Eine innovative und besonders schonende Technik, um großvolumige Gewebedefekte wiederherzustellen, ist die Züchtung von künstlichen Ersatzgeweben“, erklärt Prof. Raymund E. Horch, Direktor der Plastisch- und Handchirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen der FAU. Bei diesem Tissue Engineering werden die Gewebszellen, die das zu ersetzende Gewebe bilden sollen, in ein spezielles Gerüst eingebracht. Diese Trägermatrix wird später in den Defekt implantiert. „Die Vaskularisierung, also die Durchblutung der zellularisierten Trägermatrix, ist beim Tissue Engineering die kritische Stellgröße für den erfolgreichen klinischen Einsatz“, führt Horch aus.
In zahlreichen Vorarbeiten konnten die Wissenschaftler der FAU nachweisen, dass durch die Schaffung einer arteriovenösen Kurzschlussverbindung, dem sogenannten AV-Loop, eine Verbesserung der Durchblutung und Gewebeneubildung erreicht werden kann. AV-Loops sind dreidimensionale Gefäßschleifen, die je über eine Arterie und eine Vene an den Blutkreislauf angeschlossen sind. Rund um die Gefäßschleife sollen sich dann Blutgefäße ausbilden, damit neu verpflanztes Gewebe durchblutet und mit Sauerstoff versorgt werden kann.
„In einer früheren Studie konnten wir nachweisen, dass die Verwendung von besonders dünnen Fasern aus dem Spinnenseidenprotein eADF4(C16) die Vaskularisierung, die vom AV-Loop ausgeht, deutlich verbessert“, führt Dr. Dominik Steiner aus. In der aktuellen Studie wurde eine Matrix aus dieser bewährten Spinnenseide mit einem zusätzlichen RGD-Peptid eingesetzt. Das RGD-Peptid fördert unter anderem die Blutgefäßneubildung. Und Spinnenseide übertrifft in ihrer Stabilität und Dehnbarkeit sogar Hightech-Fasern. Sie kann zum Beispiel dreimal mehr Energie aufnehmen als Kevlar®, bevor sie reißt.
Über vier Wochen wurden Matrizen aus der eADF4(C16)-RGD-Spinnenseide mittels AV-Loop vaskularisiert und mit der Kontrollgruppe ohne RGD-Peptid verglichen. „Dabei konnten wir eine deutliche Steigerung der Durchblutung in der RGD-Gruppe beobachten“, berichtet Steiner. „Neben einer guten Biokompatibilität konnten wir einen langsameren Abbau der eADF4(C16)-RGD-Spinnenseidenmatrix gegenüber anderen Biomaterialien beobachten“, ergänzt Horch.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Kevin Grieve, Unsplash