Aktuelle Studien sehen einen Zusammenhang zwischen Morbus Parkinson und dem Darmmikrobiom. Könnte ein Pilz die Ursache für die Erkrankung sein?
Die Parkinson-Krankheit (PD) ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Bisher gibt es keine Behandlung, um den neurodegenerativen Prozess zu stoppen. PD-Patienten leiden nicht nur an motorisch bedingten und kognitiven Symptomen, sondern auch an gastrointestinalen Beschwerden. Es kommt bei den Patienten vermehrt zu Obstipation, verlängerter Darmpassage oder Stuhlgang-assoziierten Dysfunktionen. Diese können den klassischen motorischen Symptomen mehrere Jahre vorausgehen.
Darüber hinaus gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass das enterische Nervensystem (ENS) vor dem Zentralnervensystem beeinträchtigt wird. Diese Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass die Parkinson-Krankheit zumindest bei einer Untergruppe von Patienten im GI-Trakt beginnen und sich auf das zentrale Nervensystem ausbreiten könnte.
Das ENS ist über den Sympathikus und den Vagusnerv, die die sogenannte Darm-Hirn-Achse bilden, mit dem Zentralnervensystem verbunden. Daten deuten darauf hin, dass diese neuronale Kette zwischen ENS und dem Gehirn es pathologischen Peptiden ermöglicht, sich prionenartig zwischen Darm und Gehirn auszubreiten, wodurch der Verlauf dieser neurologischen Erkrankung moduliert wird. Ist Parkinson möglicherweise auch eine Prionopathie?
Ein wichtiges pathogenes Ereignis bei der Parkinson-Krankheit ist durch die Konformationsänderung von α-Synuclein (SNCA) gekennzeichnet. Das lösliche Protein im Gehirn ist unter anderem an der Regulation der Dopamin-Ausschüttung beteiligt und ist in der Lage, Membrankanäle zu bilden. Mutationen im SNCA-Gen sind verantwortlich für Synucleinopathien, wie die bestimmte erbliche Formen der Parkinson-Krankheit und der Lewy-Körperchen-Demenz.
α-Synuclein bildet dabei pathologische Aggregate von fehlgefalteten Proteinen und sammelt sich in intraneuronalen Einschlüssen, was zu einem dopaminergen neuronalen Verlust in bestimmten Hirnregionen führt. Die Aggregate von α-Synuclein können sich prionenartig ausbreiten.
Darm-assoziierte PD-Symptome wie Verstopfung werden als Abhängigkeit von Veränderungen der Zusammensetzung der Darmmikrobiota und ihrer metabolischen Aktivität diskutiert. Neuere Veröffentlichungen legen nahe, dass insbesondere eine bakterielle Dysbiose eine wichtige Rolle bei der Pathogenese der Parkinson-Krankheit spielen könnte.
Der pathologische Prozess der Parkinson-Krankheit entlang der Darm-Hirn-Achse wird vermutlich durch die Darmmikrobiota moduliert oder initiiert. Es wird vermutet, dass eine verstärkte Entzündung bei Parkinson, die durch erhöhte Spiegel von fäkalen Markern für Entzündungen und Darmpermeabilität angezeigt wird, mit einer Dysbiose in der Darmumgebung in Verbindung gebracht wird.
Die Veränderungen der relativen Häufigkeit einiger pathogener Bakteriengattungen sind zumindest teilweise auf die Pharmakotherapie zurückzuführen. Die Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen der Pathogenese der Parkinson-Krankheit und der Struktur und Funktion der Darmmikrobiota ist jedoch noch unklar.
Die bakterielle Überwucherung des Dünndarms (Small intestinal bacterial overgrowth, SIBO) ist eine Darmdysbiose. Der Dünndarm ist dabei erheblich von Bakterien besiedelt, die typischerweise im Dickdarm vorkommen. Es kann zu einer Ansammlung von mikrobiellen Gasen im Darm kommen. Auch Darmentzündungen, Malabsorption und Vitamin-Ungleichgewichte können auftreten. SIBO kann durch eine oder mehrere Antibiotika-Zyklen ausgerottet werden, tritt jedoch erneut auf, wenn die prädisponierende Erkrankung anhält.
Die Behandlung symptomatischer SIBO konzentriert sich auf die Verwendung oraler Antibiotika, die die Bakterien, die den Dünndarm überbevölkern, erfolgreich beseitigen. Studien haben gezeigt, dass die Eradikation von SIBO zumindest kurzfristig (bis zu 6 Monate) bei Menschen mit PD möglich ist und dass sie dazu beitragen kann, motorische Schwankungen und möglicherweise gastrointestinale Symptome zu verbessern.
Die Manipulation der Darmmikrobiota durch probiotische Anwendung oder Stuhltransplantation bei Menschen mit Parkinson kann ebenfalls zu einer klinischen Verbesserung führen, insbesondere in Bezug auf gastrointestinale Symptome, hält eine Studie von Dănău et al. fest.
Neben Bakterien umfasst die Darmmikrobiota auch Viren und verschiedene eukaryontische Arten einschließlich Pilze. Bakteriophagen spielen ebenfalls eine Rolle. Das Darmmikrobiom moduliert die Darm-Hirn-Achse durch Sekretion von Neurotransmittern, Zytokinen und die Produktion kurzkettiger Fettsäuren. In einer Studie von Weis et al. wurde die Besiedelung mit Pilzen und Bakterien von Patienten mit Morbus Parkinson untersucht.
Am auffälligsten waren Unterschiede in der relativen Häufigkeit des Schimmelpilzes Geotrichum candidum, der Infektionskrankheiten (Geotrichosen) auslösen kann. In den Parkinson-Proben zeigte dieser auch als Milchschimmel bekannte Pilz eine mittlere relative Häufigkeit von 39,7 Prozent aller DNA-Sequenzen, in den Kontrollproben dagegen nur von 0,05 Prozent.
Solch deutliche Unterschiede in der Häufigkeit einer einzelnen Art sind in komplexen Mikrobiotastudien etwas Aussergewöhnliches. „Falls Geotrichum candidum tatsächlich eine funktionelle Rolle bei Morbus Parkinson spielt, könnte man ihn vielleicht als Biomarker in der Diagnostik nutzen“, so die Autoren. Ein Pilz als Auslöser von PD? Zumindest ein spannender Ansatz.
Nicht-motorische Symptome, die dem Verdauungssystem zuzuschreiben sind, treten bei Patienten mit Parkinson besonders häufig auf. Hypersalivation als Folge von Schluckstörungen und Obstipation durch Motilitätsveränderungen sind die häufigsten Funktionsstörungen des Magen-Darm-Traktes. Diese Beobachtungen unterstützen die Hypothese, dass PD im Darm entstehen kann. Außerdem kann eine Obstipation mit einer Degeneration des enterischen Nervensystems in Verbindung gebracht werden. Diese entsteht durch die Aggregation von α-Synuclein, die eine erhöhte Darmpermeabilität und lokale Entzündungen verursacht wird.
Die Darmmikrobiota sind in der Lage, aktive Metaboliten zu produzieren und freizusetzen, die als Neuromediatoren dienen können. Diese sind an der Kommunikation mit dem ZNS beteiligt. Kurzkettige Fettsäuren (SCFAs), aromatische Aminosäuren und Gallensäuren sind die wichtigsten Substanzen aus der Mikroflora, die das Gehirn beeinflussen. SCFAs bestehen hauptsächlich aus Acetat, Butyrat, Propionat und Succinat, die das Produkt der bakteriellen Fermentation von Kohlenhydraten sein könnten. Wechselwirkungen zwischen diesen Säuren und dem Darm können durch die Bindung an G-Protein-gekoppelte Rezeptoren vermittelt werden.
Kurzkettige Fettsäuren werden durch den Fermentationsprozess von Bakterien im Darm produziert. Es kommt zu einem Umbau der Metaboliten der Darmmikrobiota. Die Veränderungen stehen in Zusammenhang mit der Pathopysiologie neurologischer Erkrankungen. Die Liste ist lang, bei denen eine Verknüpfung festgestellt wurde: Alzheimer, Multiple Sklerose, Parkinson, amyotrophe Lateralsklerose, Stress, Angst, Depression, Autismus, vaskuläre Demenz, Schizophrenie, Schlaganfall und andere Erkrankungen.
Diese Erkenntnisse bringen spezielle Diäten bei neurologischen Erkrankungen in den Blickpunkt der Forschung. In der aktuellen S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zu idiopathischem Parkinson wird auf eine Diät nur in einem Nebensatz kurz Bezug genommen. Immerhin wird die Obstipation als mögliches Symptom erwähnt, das Wort Mikrobiom sucht man gänzlich vergebens.
Die Dysbalance des Darmmikrobioms scheint bei Morbus Parkinson und anderen neurologischen Erkrankungen noch bedeutsamer zu sein als gedacht. Weitere Studien über Stuhltransplantationen, Diäten oder Antibiotika- bzw. Antimykotikatherapien sind notwendig, um neue Therapieansätze bei Parkinson zu ermöglichen.
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