Eine Gewichtsreduktion per bariatrischer Operation soll auch das Risiko schwerer COVID-19-Verläufe deutlich senken. Das zeigt eine neue Adipositas-Studie.
Schwere Verläufe einer COVID-19-Infektion hängen häufig mit bestehenden Risikofaktoren und Vorerkrankungen zusammen. Adipositas scheint dabei einen hohen Stellenwert zu haben. Zahlreiche Studien konnten zeigten, dass Adipositas das Immunsystem schwächen, zu chronischen Entzündungszuständen führen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Blutgerinnsel und Lungenerkrankungen erhöhen kann. All diese Krankheitsbilder können den Verlauf von COVID-19 verschlimmern.
Schafft man es jedoch, gezielt Gewicht zu verlieren, können viele der Risiken minimiert werden. Dabei versprechen operative Verfahren adipositasassoziierte Erkrankungen deutlich zu verbessern oder zu verhindern und die Lebensqualität zu steigern. Wie erfolgreich diese bariatrischen Eingriffe sind, wird anhand des prozentualen Übergewichtsverlusts (excess weight loss, EWL) beschrieben.
Zu den gängigsten Verfahren zählen der proximale Roux-en-Y-Magenbypass (pRYGB) und die Schlauchgastrektomie, welche Gewichtsreduktionen von bis zu 50–65 % EWL aufweisen können. Das Konzept dahinter: Durch die Verkleinerung des Magens (Schlauchgastrektomie) und/oder eine Verkürzung der Strecke, die der Speisebrei im Dünndarm passiert (Roux-en-Y), können weniger Nahrungsbestandteile verdaut und aufgenommen werden.
Eine US-amerikanische Studie, veröffentlicht in der Zeitschrift JAMA Surgery, zeigt nun, dass eine signifikante Gewichtsreduktion durch bariatrische Operationen dem Risikofaktor Adipositas entgegensteuern kann und COVID-19-Verläufe positiv beeinflusst. Insgesamt wurden 20.212 erwachsene Patienten mit Adipositas (medianes Alter 46 [35–57] Jahre; 77,6 % weiblich; mittlerer BMI von 45) in die Beobachtungsstudie aufgenommen. Geleitet wurde die Studie von Dr. Ali Aminian, Direktor des Cleveland Clinic's Bariatric & Metabolic Institute. Sie zielte initial darauf ab, zu vergleichen, wie erfolgreich bariatrische Eingriffe in Sachen Gewichtsreduktion sind. Eine Gruppe von 5.053 Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 35 oder mehr unterzogen sich zwischen 2004 und 2017 einem chirurgischen Eingriff zur Gewichtsreduktion. Im Verhältnis 1:3 wurden sie mit 15.159 Kontrollpatienten verglichen, welche eine Gewichtsreduktion durch nicht-chirurgische Methoden anstrebten.
Das Ergebnis fiel zugunsten der Operierten aus: Im Vergleich zu der nicht-chirurgischen Gruppe verloren die Patienten, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen 18,6 % mehr Körpergewicht. Auch hatten sie eine um 53 % niedrigere kumulative 10-Jahres-Inzidenz der nicht-Covid-assoziierten Mortalität (4,7 % gegenüber 9,4 %).
Der Stichtag war dabei der 1. März 2020, der Beginn des COVID-19-Ausbruchs in Cleveland.
Nachdem COVID-19-Ausbrüche auch in den USA häufiger und intensiver wurden, erweiterten die Forscher ihre Studie auf vier, mit COVID-19 zusammenhängende Ereignisse: die Rate der SARS-CoV-2-Infektionen, Krankenhausaufenthalte, den Bedarf von zusätzlichem Sauerstoff und schwere Erkrankungen. Der letzte Punkt wurde dabei definiert als eine Kombination aus Einweisung auf die Intensivstation, Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung oder Tod. Von den 20.212 initial eingeschlossenen Patienten waren 11.809 für eine Bewertung der COVID-19-bezogenen Ereignisse verfügbar.
Dabei waren die bariatrisch operierten Studienteilnehmer auch im Hinblick auf die COVID-19-Ereignisse im Vorteil: Obwohl die Rate der SARS-CoV-2-Infektionen in beiden Gruppen ähnlich war (9,1 % der Operierten gegenüber 8,7 % der Nicht-Operierten, 95% CI, 8,0 % – 9,3 %) hatten die Teilnehmer in der Gruppe mit Gewichtsreduktionsoperationen im Vergleich zur Kontrollgruppe wesentlich mildere Verläufe nach SARS-CoV-2-Infektion. Die Forschungsgruppe fand heraus, dass Patienten, die zuvor bariatrisch operiert worden waren, ein um 49 % geringeres Risiko für einen Krankenhausaufenthalt (95% CI, 0,35 % – 0,76 %) hatten. Auch das Risiko, zusätzlichen Sauerstoff zu benötigen, war um 63 % niedriger (95% CI, 0,23 % – 0,61 %). Die operierten Patienten wiesen auch ein um 60 % geringeres Risiko (95% CI, 0,18 % – 0,86 %) auf, schweres COVID-19 zu entwickeln.
Ein Vorbehalt bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist, dass nur etwa 12.000 der ursprünglich 20.212 Patienten für die Nachuntersuchung zur Verfügung standen. Die ähnlichen SARS-CoV-2-Infektionsraten lassen jedoch eine vergleichbare Exposition und ein vergleichbares Risiko beider Gruppen vermuten.
Laut Forschenden zeigen die Ergebnisse, dass Adipositas ein wichtiger, modifizierbarer Risikofaktor für den Schweregrad einer COVID-19-Infektion sein kann. Überraschend ist das nicht. Es ist naheliegend, dass erfolgreich therapierte Adipositaspatienten zum Zeitpunkt einer SARS-CoV-2-Infektion gesünder und fitter sind, was sich dann in besseren klinischen Ergebnissen niederschlägt. Eine gezielte Gewichtsabnahme und die damit verbundenen gesundheitlichen Vorteile können, laut Studie, durchaus als Strategie der öffentlichen Gesundheit während der COVID-19-Pandemie und ähnlicher Infektionskrankheiten nützen.
Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Fuu J, Unsplash