Der erste Lockdown im Jahr 2020 hat in der Bevölkerung offenbar für erhöhten Blutdruck gesorgt. Das zeigt jetzt eine großangelegte US-Studie. Eine Gewichtszunahme ist aber wohl nicht schuld.
Im Zuge der COVID-19-Pandemie kam es im Jahr 2020 erstmals zu weltweiten Lockdowns. Das veränderte nicht nur das alltägliche Leben, sondern unterbrach auch die medizinische Routine – wie unter anderem die Kontrolle und Behandlung von chronischen Erkrankungen wie der arteriellen Hypertonie. Eine Forschergruppe um Laffin et al.¹ untersuchte daher die Fragestellung, welchen Einfluss der Lockdown auf den Blutdruck der Menschen in den USA hatte.
Bei der arteriellen Hypertonie handelt es sich um eine kardiovaskuläre Erkrankung, die in Europa bei Erwachsenen mit einer Prävalenz von 30 % auftritt.² Während in Europa die arterielle Hypertonie mit systolischen Blutdruckwerten ≥ 140 mmHg und ≥ 90 mmHg diastolisch definiert ist, gilt in den USA bereits ein Blutdruck von ≥ 130/80 mmHg als Hypertonie Grad I.
Die Längsschnittstudie von Laffin et al. untersuchte Mitarbeiter und ihre Ehepartner/Partner aus allen 50 Bundesstaaten und dem District of Columbia, die an einem jährlichen, von Arbeitgebern gesponserten Gesundheitsprogramm von Quest Diagnostics teilnahmen. Die Studienteilnehmer mussten ihren Blutdruck in allen 3 analysierten Jahren (2018–2020) von geschultem Personal messen lassen.
Die jährlichen Blutdruck-Änderungen im Jahr 2019 gegenüber 2018, Januar bis März 2020 gegenüber 2019 und April bis Dezember 2020 gegenüber 2019 wurden für Vergleiche zwischen den Zeiträumen vor der Pandemie (Januar 2019–März 2020) und während der Pandemie (April–Dezember 2020) genutzt. Die meisten US-Gerichtsbarkeiten hatten zwischen Mitte März und Anfang April 2020 COVID-19-Anordnungen für den Aufenthalt zu Hause erlassen und damit präpandemische und pandemische Zeiträume festgelegt.
Von 533.645 potenziellen Teilnehmern im Jahr 2018 verblieben nach der Datenauswertung 464.585 (87 %) Studienteilnehmer zur Auswertung mit gültigen Daten für jedes der 3 analysierten Kalenderjahre. Die Kohorte umfasste 53,5 % Frauen mit einem Durchschnittsalter (SD) von 45,7 (11,1) Jahren im Jahr 2018. Es konnten keine Unterschiede gegenüber dem Vorjahr sowohl beim systolischen als auch beim diastolischen Blutdruck zwischen 2019 und Januar bis März 2020 nachgewiesen werden (P = 0,8 für den systolischen und P = 0,3 für den diastolischen Blutdruck).
Im Gegensatz dazu war der jährliche Blutdruckanstieg von April bis Dezember 2020 signifikant höher als 2019 (P < 0,0001 für den systolischen und diastolischen Blutdruck). Während der Pandemiezeit lagen die mittleren monatlichen Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr zwischen 1,10 und 2,50 mmHg für den systolischen Blutdruck und 0,14 bis 0,53 mmHg für den diastolischen Blutdruck. Die Anstiege des systolischen und diastolischen Blutdrucks galten für Männer und Frauen und über alle Altersgruppen hinweg. Es wurden größere Anstiege bei Frauen sowohl für den systolischen als auch für den diastolischen Blutdruck beobachtet sowie bei älteren Teilnehmern für den systolischen Blutdruck und bei jüngeren Teilnehmern für den diastolischen Blutdruck (alle P < 0,0001).
Eine Gewichtszunahme war nicht der Grund für den beobachteten Anstieg des Blutdrucks während der Pandemie, da die Gewichtsschwankungen ähnlich wie in der präpandemischen Phase waren: In der Pandemiezeit war bei Männern eher eine Gewichtsreduktion (-0,2 ± 12,4 Ib umgerechnet -0,09 ± 5,6 kg) und bei Frauen eine Gewichtszunahme (0,6 ± 12,2 Ib umgerechnet 0,3 ± 5,5 kg) zu beobachten.
Die Ergebnisse der Studie sind für den klinischen Alltag relevant, da auch geringe Anstiege des Blutdrucks mit einer erhöhten langfristigen Inzidenz für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse verbunden sind. Beispielsweise ist ein um 2 mmHg höherer systolischer Blutdruck mit einem signifikanten Anstieg der Sterblichkeit durch einen Schlaganfall und eine ischämische Herzkrankheit bei Erwachsenen mittleren Alters verbunden.
Gründe für pandemiebedingte Blutdruckerhöhungen sind wahrscheinlich multifaktoriell, folgern die Autoren. Obwohl eine Gewichtszunahme nicht der Grund war, könnten andere mögliche Erklärungen wie erhöhter Alkoholkonsum, weniger körperliche Aktivität, emotionaler Stress und eine schlechtere medizinische Versorgung (einschließlich einer reduzierten Medikamenteneinnahme) sein.
Während der Langzeitstudie von Prof. Wojciechowska³, die sich mit dem Effekt von Lärmbelastung auf den Blutdruck beschäftigte, kam es durch den Pandemie-Lockdown zum Verstummen des Lärms. In der Studie, in der 74 Flughafenanwohner mit 75 Kontrollpersonen verglichen wurden, zeigte sich bei den Flughafenanwohnern nicht nur eine signifikante Verbesserung der wahrgenommenen Lärmbelastung, sondern auch bessere Werte in den 24 h-Blutdruckwerten und der Pulswellengeschwindigkeit nach Beginn des Lockdowns. Der systolische Blutdruck sank von durchschnittlich 121,2 auf 117,9 mmHg. Der diastolische Blutdruck sank von 75,1 mmHg auf 72 mmHg und die Pulswellengeschwindigkeit reduzierte sich von 10,2 auf 8,8 m/s. In der Kontrollgruppe zeigten sich weniger starke Veränderungen der Parameter während es Lockdowns.
Während des Lockdowns kam es zu einer am ehesten multifaktoriellen Erhöhung sowohl des systolischen als auch des diastolischen Blutdrucks. Dies ist mit einem Anstieg der Sterblichkeit durch einen Schlaganfall und eine ischämische Herzkrankheit bei Erwachsenen mittleren Alters verbunden. Eine Ausnahme scheinen allerdings Menschen zu sein, die in der Nähe von Flughäfen leben. Bei ihnen zeigten sich während des Lockdowns mit dem Wegfall der Lärmbelastung ein verbesserter Blutdruck.
Quellen:
Bildquelle: Grégoire Hervé-Bazin, unsplash