Das Risiko einer Myokarditis ist durch COVID-19 höher als durch die mRNA-Impfung. Jetzt gibt es genaue Zahlen.
Die Herzmuskelentzündung prominenter Fußballspieler wie Alphonso Davies hat erneut die Frage aufgeworfen: Wie gefährlich ist COVID-19 für das Herz – auch bei jüngeren Menschen? Und wie hoch ist das Risiko einer Myokarditis oder einer Perikarditis im Nachgang einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff?
„Das Auftreten einer impfbedingten Myokarditis oder einer Perikarditis ist außerordentlich selten“, betont der Kardiologe Prof. Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. Zugleich gibt er zu bedenken: „Das gesundheitliche Risiko durch eine Covid-Infektion ist – in jeder Altersklasse – sehr viel höher einzuschätzen als das Risiko einer Myokarditis/Perikarditis durch Impfung mit einem mRNA-Impfstoff.“
So ist das Myokarditis-Risiko durch eine COVID-19-Erkrankung mindestens um das Vierfache höher als das einer impfbedingten Herzmuskelentzündung, wie Studien aus den USA, Großbritannien und Israel zeigen. Zudem erhöht sich für Ungeimpfte deutlich das Risiko für andere Herzrisiken, etwa Rhythmusstörungen und Herzinfarkt, sowie für akute Nierenschäden und Lungenembolien.
„Wir appellieren daher an alle, ganz besonders Ältere und Personen mit einem Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf, sich vollständig impfen, beziehungsweise ihren Impfschutz mit einem Booster auffrischen zu lassen“, so der Herzstiftungs-Experte.
Die Häufigkeit einer impfbedingten Herzmuskel- oder einer Herzbeutelentzündung durch einen mRNA-Impfstoff beträgt im Schnitt ein bis zehn Fälle pro 100.000 Impfungen. Zum Beurteilen der Risikolage liegen mittlerweile Daten aus über 300 Millionen COVID-19-Impfungen weltweit in unterschiedlichen Ländern vor. Das lässt auch eine sichere Aussage zum Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Impfung gegen COVID-19 zu mit dem Ziel, schwere Krankheitsverläufe und Tod durch eine SARS-CoV-2-Infektion zu vermeiden.
„Das Risiko einer schweren akuten Herzschädigung ist bei einer Infektion mit dem Erreger SARS-CoV-2 offenbar merklich größer als bei einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff zum Schutz vor COVID-19“, sagt Meinertz und verweist auf eine Vielzahl an Studien, darunter eine Auswertung der Daten von rund 1,7 Millionen Menschen mit und ohne Impfung aus Israel und eine Studie aus Großbritannien mit Daten von 38 Millionen geimpften Menschen, die Fällen von Myo-/Perikarditiden und Herzrhythmusstörungen sowie SARS-CoV-2-Infektionsdaten gegenübergestellt wurden.
Impfdaten für Deutschland zeigen, dass das Risiko einer Myokarditis nach einer mRNA-Impfung zwar vorhanden ist, aber sehr gering. Wie das Paul Ehrlich-Institut (PEI) in seinem Sicherheitsbericht vom Dezember 2021 betont, treten die Fälle in Übereinstimmung mit anderen, internationalen Daten (u. a. Israel, USA, Europa) überwiegend bei männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 29 Jahren auf – meist innerhalb von wenigen Tagen und häufiger nach der zweiten Dosis einer mRNA-COVID-19-Impfung.
Die ganz überwiegende Mehrheit der Patienten mit einer Myo-/Perikarditis nach Impfung mit mRNA-Impfstoffen spricht laut PEI gut auf Behandlung und Ruhe an und sie fühlen sich schnell besser, auch wenn im Einzelfall schwerwiegendere Verläufe beobachtet wurden. Generell sollen Patienten und Ärzte/medizinisches Fachpersonal nach einer COVID-19-Impfung auf die Zeichen einer Herzentzündung achten, rät das PEI.
Ein einzelnes Leitsymptom einer Myo-/Perikarditis gibt es nicht. „Im Fall einer COVID-19-Erkrankung gehen die ersten Anzeichen einer Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung in den allgemeinen Infektionsbeschwerden unter und werden nicht aufs Herz bezogen“, erklärt Kardiologe Meinertz. Aufmerksam sollte man werden, wenn nach dem Abklingen der Infektionssymptome (Fieber, Schwindel, Muskelschmerzen, Durchfall) diese Beschwerden anhalten bzw. neu auftreten:
So unspezifisch die Symptome sind, so schwierig ist gerade bei milden Verlaufsformen auch die Diagnose. Für die Klärung des Verdachts setzt der Arzt an erster Stelle zunächst EKG, Röntgenbild und Echokardiographie ein. Wichtig sind im weiteren Verlauf auch eine Magnetresonanztomographie des Herzens (kMRT) und Blutuntersuchungen für den Laborwert Troponin.
Intensive sportliche Aktivitäten sollten nach einer sicher anzunehmenden Myokarditis etwa sechs Monate vermieden werden und erst nach einer kardiologischen Kontrolluntersuchung mit unauffälligen Befunden wieder aufgenommen werden. Die Langzeitprognose nach einer akuten, nicht wesentlich kompliziert verlaufenen Virusmyokarditis ist überwiegend positiv. Bei etwa 70 % der Patienten ist von einer kompletten Heilung auszugehen. Bei einigen Betroffenen bleiben leichte Beschwerden durch eine Vernarbung im Herzmuskel, u.a. leichte Rhythmusstörungen, zurück. Bei Patienten mit bereits vorhandener ausgeprägter Herzinsuffizienz ist die Prognose hingegen deutlich schlechter.
Laut PEI-Sicherheitsbericht sind bei insgesamt über 107 Millionen Impfdosen Comirnaty/Biontech und Spikevax/Moderna, die bis einschließlich 30.11.2021 in Deutschland verimpft wurden, 1.554 Verdachtsfälle einer Myo-/Perikarditis – unabhängig vom ursächlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Impfung – gemeldet worden. Eine Gesamtmelderate für alle Altersgruppen und alle Impfungen lag nach Berechnungen für Comirnaty/Biontech bei knapp 0,8 Verdachtsfällen pro 100.000 Impfungen bei Frauen und bei 1,5 Verdachtsfällen pro 100.000 Impfungen bei Männern. Für Spikevax/Moderna lag eine Melderate von 1,28 Verdachtsfällen pro 100.000 für Frauen bzw. 4,6 für Männer vor.
Die Melderate einer Myo-/Perikarditis liegt für Comirnaty/Biontech bei jungen Männern (18-29 Jahre) nach der zweiten Impfung bei rund neun Verdachtsfällen pro 100.000 Impfdosen (Frauen gleichen Alters 1,5 Fälle). Für Spikevax/Moderna war die Melderate bei jungen Männern (18-29 Jahre) nach der zweiten Dosis mit über 25 Verdachtsfällen pro 100.000 Impfungen am höchsten (Frauen knapp sechs Fälle). Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt daher vorsorglich nur den Impfstoff Comirnaty für Personen unter 30 Jahren.
Über die gemeldeten Verdachtsfälle im PEI-Bericht hinaus, gibt es inzwischen etliche Studien, die klinische Fälle ausgewertet haben: „Alle Daten deuten darauf hin, dass eine klinisch nachgewiesene Myokarditis nach mRNA-Impfung insgesamt sehr selten ist. Zudem wurden 95 Prozent der Fälle als mild beschrieben mit einem zumeist kurzen Krankenhausaufenthalt“, so der Kardiologe und Pharmakologe Meinertz.
Aus den bisherigen Studiendaten lassen sich folgende gemeinsame Erkenntnisse herauslesen, die auch von Wissenschaftlern so immer wieder in der Praxis bestätigt werden:
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung/ Deutschen Stiftung für Herzforschung.
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