Hat die COVID-19-Pandemie das wissenschaftliche Publizieren dauerhaft verändert? Und wie gut sind Preprints im Vergleich zu den später veröffentlichten Arbeiten wirklich? Das beantworten zwei neue Studien.
Das traditionelle wissenschaftliche Publizieren ist ein langsamer und mühsamer Prozess. Die COVID-19-Pandemie hat das verändert: Studien wurden viel schneller verbreitet und in der Öffentlichkeit diskutiert. Die sogenannten Preprint-Plattformen gelten als Mittel, um schneller an wichtige neue Erkenntnisse zu kommen. Auf diesen Plattformen werden Artikel, die noch nicht peer-reviewed wurden, auf speziellen Servern hochgeladen.
Etwa 40 % der frühen COVID-19-Forschungsergebnisse wurden zuerst als Preprints veröffentlicht. Besonders, weil die Berichterstattung dieser Erkenntnisse in den Medien einen direkten Einfluss auf Maßnahmen der öffentlichen Gesundheit mit sich zieht, ist es von entscheidender Bedeutung, dass man die Qualität der Preprint-Literatur genau bewertet. Zwei neue Studien, mit unterschiedlichen Ansätzen, fragten sich deshalb: Inwieweit können wir Preprints vertrauen?
Nachdem Wissenschaftler ihre Forschungsarbeit erfolgreich vollendet haben und die Datenerhebung aus Laborexperimenten, Studien oder beispielsweise Umfragen beendet ist, sind noch einige Hürden zu nehmen, bevor ein wissenschaftlicher Artikel veröffentlicht werden kann. Klassischerweise durchlaufen die Artikel nach dem Einreichen bei einem Fachjournal den Peer-Review Prozess – eine Art Qualitätskontrolle beim Publizieren wissenschaftlicher Forschung.
Dabei begutachten „Peers“, also Fachgutachter (meist Experten aus dem jeweiligen Fachbereich), die Arbeiten auf ihre wissenschaftliche Güte. Es wird geprüft, inwieweit Thema, Inhalt und wissenschaftliche Qualität der Arbeit in die jeweilige Zeitschrift passen und ob das Paper neue Erkenntnisse vermittelt.
Preprint-Veröffentlichungen gewannen im Gegensatz dazu bereits seit Jahren an Popularität und erfuhren während der COVID-19-Pandemie nochmal einen deutlichen Aufwärtstrend. Andere Zweige der Wissenschaft setzen schon seit Jahrzenten auf diese Art der frühzeitigen Veröffentlichung.
Forscher, die sich mit für die Pandemie wichtigen Themen befassen, stellen ihre vorläufigen Ergebnisse in einem noch nie dagewesenen Tempo auf Preprint-Servern und institutionellen Webseiten zur Verfügung und viele Verlage stellen die Arbeiten kostenlos zum Lesen bereit. Dadurch ist der Zugang zu neuen Forschungsarbeiten deutlich einfacher geworden.
Im Rahmen von zwei Studien untersuchten Forscher jetzt, in wie weit die in der Pandemie bereitgestellten Preprints mit ihren hinterher veröffentlichten Versionen noch vergleichbar waren. Beide Arbeitsgruppen veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Open-Access-Fachzeitschrift PLOS Biology.
In der Studie einer Forschungsgruppe der Queen Mary University of London wurden in den ersten vier Monaten der COVID-19-Pandemie über 180 Preprints manuell mit ihren veröffentlichten Versionen abgeglichen. In der anderen Studie, die an der Perelman School of Medicine der University of Pennsylvania durchgeführt wurde, untersuchten die Forscher mithilfe von künstlicher Intelligenz die Qualität von fast 18.000 Preprints.
Die Analyse in der britischen Studie zeigte, dass von den 180 manuell verglichenen Artikeln der ersten vier Pandemiemonate über 83 % der COVID- und 93 % der nicht COVID-bezogenen Artikel keine Änderungen zwischen ihren Preprints und den endgültig veröffentlichten Versionen aufwiesen. Es konnte also gezeigt werden, dass über 83 % der COVID-19- und 93 % der Nicht-COVID-Preprints zuverlässig und vertrauenswürdig sind.
Die durch künstliche Intelligenz unterstützte US-amerikanische Studie konnte zusätzlich aufdecken, dass viele Unterschiede der Preprints zu den endgültigen Versionen offenbar auf Änderungen beim Schriftsatz und das Hinzufügen von Zusatzmaterialien zurückzuführen waren. Inhalt und Datensätze der Manuskripte wurden während des Peer-Review- und Veröffentlichungsprozesses nicht oder nur geringfügig verändert.
Zusammengenommen liefern die Studien starke Argumente für die Zuverlässigkeit von Preprints – sowohl während einer globalen Pandemie, als auch für allgemeine wissenschaftliche Veröffentlichungen. Die Forscher wünschen sich, dass die Rolle und die Bedeutung des Peer-Review im derzeitigen Publikationssystem überdacht und angepasst wird und können sich vorstellen, dass Preprints eine langfristige Rolle bei der Wissenschaftskommunikation spielen werden.
Die Originalpublikationen findet ihr hier und hier, sowie im Text verlinkt.
Bildquelle: Markus Spiske, Unsplash