Wenn wir auf Ziele hinarbeiten und unsere Handlungen entsprechend anpassen, spricht man von Motivation. Aber wie sind die neuronalen Mechanismen dahinter? Baseler Forscher konnten ihn bei Mäusen nun aufklären.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen jeden Tag in eine Bäckerei, nur um ein bestimmtes Brot zu kaufen. Dann erfahren Sie, dass Ihr Lieblingsbrot dort künftig nicht mehr verkauft wird und gehen nicht mehr dorthin. Dies nennt man zielgerichtetes Verhalten, und man weiß, dass die Amygdala – das kleine mandelförmige Gefühlsverarbeitungszentrum im Gehirn – an der Steuerung dieses Verhaltens beteiligt ist.
Bisher wurde die Rolle der Amygdala bei Mäusen im so genannten Signal-gesteuerten Verhalten untersucht: Dabei ist ein visueller oder auditiver Hinweis (z.B. ein Geräusch) das Signal dafür, dass etwas passieren wird (etwa, dass die Maus Zucker erhalten wird) und veranlasst die Maus zu einem bestimmten Verhalten (z.B. wird sie zu dem Ort im Käfig gehen, an dem sie den Zucker erhält). Wie die Amygdala jedoch an zielgerichtetem Verhalten beteiligt ist – also wenn Mäuse etwas ohne Hinweise und in ihrem eigenen Tempo tun, um ein Ziel zu erreichen – war bisher unklar.
In einer in Science veröffentlichten Studie trainierte Julien Courtin, Postdoc in der Gruppe von Prof. Dr. Andreas Lüthi vom Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research (FMI) in Basel, Mäuse mit einer zielgerichteten Aufgabe: Im Laufe mehrerer Tage lernten die Tiere, dass sie beim Betätigen eines Hebels einen Tropfen Saccharose und beim Betätigen eines anderen Hebels einen Tropfen Milch erhielten.
Sobald die Tiere diese Aufgaben beherrschten, passte Courtin den Versuch an: Er gab den Mäusen die Belohnung, ohne sie den Hebel drücken zu lassen; oder er ließ sie den Hebel ohne Belohnung drücken; oder er erlaubte den Mäusen, sich mit einer der Belohnungen vollzustopfen. Während all dieser verschiedenen Handlungen der Mäuse zeichnete Courtin deren Hirnaktivität in der Amygdala auf und entwickelte zusammen mit der Bioinformatikerin Yael Bitterman neue Analysemethoden, um den zugrunde liegenden neuronalen Code zu entschlüsseln.
Courtin and Bitterman, die Co-Erstautoren der Studie, identifizierten die Populationen von Neuronen in der Amygdala, die an den verschiedenen Aspekten dieses zielgerichteten Verhaltens beteiligt sind. Sie zeigten zum Beispiel, dass eine bestimmte Population von Neuronen aktiv war, wenn die Maus den Hebel 1 drückte, um die Belohnung 1 zu erwarten. Sobald jedoch Hebel 1 nicht mehr mit der Belohnung verbunden war, verlor diese Neuronengruppe ihre Aktivität. „Die Neuronenpopulation war nicht aktiv, weil die Maus den Hebel drückte, sondern weil der Hebel mit der Erwartung der Belohnung verbunden war“, sagt Courtin. „Als die Maus lernte, keine Belohnung mehr zu erwarten, verschwand diese Population“.
Die Ergebnisse zeigen, dass nicht nur die Art der Belohnung, ihre Größe und die Wahrscheinlichkeit, dass sie eintritt, in der Amygdala repräsentiert sind, sondern auch ihr Wert – ein flexibler Parameter, der von vielen Faktoren abhängt (etwa davon, wie hungrig die Maus ist). Die Amygdala leitet all diese Informationen an andere Hirnregionen weiter, die sie dann nutzen, um entsprechende Entscheidungen zu treffen und das Verhalten an die möglichen Belohnungen anzupassen.
Andreas Lüthi erklärt: „Allein durch die Betrachtung der Amygdala waren wir in der Lage, ein detailliertes Bild von der Belohnung zu erhalten, die die Maus erwartete, und was sie tun musste, um sie zu bekommen. Die Amygdala macht Vorhersagen – wenn ich X tue, werde ich Y bekommen – und sie passt diese Vorhersagen entsprechend den Veränderungen an. Es gibt keine andere Gehirnstruktur, die so präzise vorhersagen kann, was passieren wird.“
Die Experimente von Courtin und Bitterman mit Mäusen lassen sich leicht auf das menschliche Verhalten übertragen. Jeden Tag führen wir Hunderte von Handlungen mit bestimmten Erwartungen aus. Wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, passen wir unser Verhalten an – wir tun etwas anders, oder wir tun es weniger oft oder öfter. Dieselben neuronalen Mechanismen in der Amygdala, die diese Studie bei Mäusen aufzeigte, liegen auch unserem Verhalten zugrunde.
Die Fähigkeit, unser Verhalten auf der Grundlage von Vorhersagen anzupassen, ist für uns Menschen von grundlegender Bedeutung. Aber manchmal sind diese Prozesse beeinträchtigt, beispielsweise bei Sucht, Depression, Zwangsstörungen oder Parkinson. „Bei diesen Erkrankungen wird die von uns aufgeklärte Verhaltenssequenz im Gehirn möglicherweise nicht richtig reguliert“, sagt Courtin. „Dies könnte ein Weg für die klinische Forschung sein. Allerdings besteht die größte Herausforderung darin: Wie können wir in einen Prozess eingreifen, der im Gehirn schief gelaufen ist, wenn er in so kurzer Zeit abläuft?“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Jeremy Lapak, Unsplash