Corona-Infektionen verlaufen unterschiedlich schwer – woher dieser Unterschied kommt, ist nicht eindeutig geklärt. Eine Studie zeigt nun, welche Rolle das Endothel der Patienten dabei spielt.
„Wir haben in unserer Studie untersucht, welche Immunzellen bei schweren Fällen aktiviert werden und in welcher Form das Endothel, also die Blutgefäße, und deren Aktivierung eine Rolle im Krankheitsgeschehen spielen“, erklärt Prof. Christina Falk, Wissenschaftlerin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Viele klinische Symptome, wie zum Beispiel die Zerstörung der Blutgefäße in der Lunge und das akute Atemnotsyndrom, deuten auf einen Einfluss des Endothels hin.
Das Endothel beschreibt eine dünne Schicht von Zellen, welche die Blutgefäße auskleiden und damit eine Barriere zwischen Blutstrom und Geweben bilden. Durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 scheint es zu einer starken Aktivierung von Immun- und Endothelzellen in der Lunge zu kommen, in deren Folge verschiedene lösliche Plasmaproteine freigesetzt werden. Bei schweren COVID-19-Verläufen sind diese mit einer Funktionsstörung des Endothels assoziiert, die Barriere zwischen den Lungenbläschen und den umliegenden Gefäßen ist nicht mehr intakt.
In ihrer Studie mit 25 schwer an COVID-19 Erkrankten und 17 Genesenen auf der Intensivstation konnten die Wissenschaftler zeigen, dass der Schweregrad der Erkrankung mit der Störung der Endothelbarriere assoziiert ist und anhand von inflammatorischen Plasmaproteinen messbar ist. Ein Muster von sieben Plasmaproteinen tritt offensichtlich im Zusammenhang mit einer schweren Erkrankung auf, die durch starke Entzündungsprozesse gekennzeichnet sind und bei denen das Endothel nachhaltig geschädigt ist. Des Weiteren scheint die Genesung von schweren COVID-19 Fällen mit der Regeneration dieser Endothelbarriere zusammenzuhängen.
Welche Immunzellen konnten bei den COVID-19-Intensivpatienten nachgewiesen werden? Die Studie zeigte, dass es zu einer übersteigerten Aktivierung von T-Lymphozyten und natürlichen Killerzellen kommt, außerdem zur Entwicklung von Gedächtnis-T-Zellen und zu einer starken Vermehrung von Plasmablasten – Zellen, die große Mengen an Antikörpern produzieren können. Des Weiteren weisen COVID-19-Intensivpatienten hohe Titer an Spike- und Nucleocapsid-spezifischen Antikörpern auf. Interessant für die Forscher: Der Immunzellphänotyp dieser Patienten veränderte sich vor allem über die Zeit und stand weniger mit einem fortschreitenden Schweregrad in Zusammenhang. Das Fortschreiten von COVID-19 war hingegen eng assoziiert mit erhöhten Konzentrationen verschiedener löslicher Plasmaproteine, nämlich bestimmter Entzündungsmediatoren und vor allem Endothelfaktoren.
„Wir konnten zeigen, dass sich COVID-19-Intensivpatienten anhand ihres Plasmaprotein-Profils in unterschiedliche Gruppen einteilen lassen, die mit dem Schweregrad der Erkrankung assoziiert sind“, erklärt Erstautorin Louisa Ruhl, naturwissenschaftliche Doktorandin an der MHH. Diese Erkenntnis ist von großer Bedeutung für die Identifikation von potenziellen Biomarkern für schwere COVID-19-Verläufe, sowie auch für die Entwicklung und den Einsatz neuer Therapieansätze.
Das Team um Falk will nun herausfinden, welche Akteure des Immunsystems zu einer Aktivierung und Schädigung des Endothels führen und ob die starke Aktivierung des Immunsystems auch zur Entwicklung Virus-spezifischer T-Lymphozyten führt, die infizierte Zellen erkennen, zerstören und damit zu Überreaktion beitragen können. Zudem hat die Studie gezeigt, dass es auch zu Verschiebungen im Immunzell-Repertoire bei genesenen COVID-19 Intensivpatienten kommt. Die Entstehung von Long Covid könnte damit in Zusammenhang stehen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Will Myers, unsplash