Verwachsungen sind nach Bauchoperationen keine Seltenheit. Einem Forschungsteam ist es nun gelungen, den zentralen Auslöser zu identifizieren.
Nach Operationen im Bauchbereich können sich Verwachsungen bilden, die erhebliche Folgeprobleme verursachen. Vergangene Studien zeigten bereits, dass Verwachsungen bei sterilen Eingriffen auf Makrophagen zurückgehen, die auf die Öffnung des Bauchraumes überreagieren. Bei bestimmten Operationen – wie bspw. einer Appendektomie – können aber auch Darmbakterien in den Bauchraum gelangen. Solche Verunreinigungen scheinen stärkere Verwachsungen nach sich zu ziehen. Ein Schweizer Forschungsteam hat daher in aktuellen Studie untersucht, was der Auslöser des übermäßigen Zellwachstums sein könnte. Die Forschungsgruppe um Prof. Daniel Candinas wollte vor allem wissen, warum die Verwachsungen nach Verunreinigungen mit Darmbakterien stärker sind als nach sterilen Operationen.
Die Wissenschaftler wussten bereits, dass sie bei den Mesothelzellen ansetzen können: Diese sind Teil des Reparaturmechanismus, der verletztes Gewebe im Bauchraum wieder Instand bringen soll. „Die Entzündung bringt Mesothelzellen dazu, ihr Verhalten zu ändern. Anstatt eine glatte Oberfläche zu bilden, die eine reibungslose Bewegung des Darms gewährleisten sollte, produzieren die Zellen nun sehr viel Narbenmaterial. Es scheint, die Entzündung, die u.a. auf die Verunreinigung zurückgeht, ist für dieses Umprogrammieren der Zellvermehrung der Mesothelzellen verantwortlich." erklärt Erstautor Dr. Joel Zindel. Die Suche galt deshalb dem Programmierer, der für die Veränderung verantwortlich ist.
Bei der Suche nach dem Auslöser konnte der Epidermal Growth Factor Rezeptor (EGFR) als entscheidender, aktiver Faktor bestimmt werden. Dieser ist kein Unbekannter: Aus der Krebsforschung ist EGFR bereits als wichtiger Faktor, der das Wachstum von Tumoren antreibt bekannt. Im Tierversuch wurde gezeigt, dass dieser die treibende Kraft ist, wenn normale Mesothelzellen ihre Rolle ändern und Verwachsungen zu bilden beginnen. Der Prozess wird durch die Entzündungsreaktion nach der Verunreinigung mit Bakterien gestartet. Die Wissenschaftler prüften anschließend, ob sich der neu entdeckte Mechanismus auch dazu eignet, Entstehung von Verwachsungen beim Menschen nachzuweisen. Dazu stellten sie Patienten mit Darmbakterien im Bauchraum nach einem geplatzten Blinddarm solchen, mit Operationen ohne Vorbelastung durch Verunreinigungen gegenüber. Tatsächlich fanden die Forscher hier die identischen Prozesse.
„Mit der Identifikation der Mesothelzelle als Ausgangspunkt und EGFR als wichtigster Treiber von überschießender Narbenbildung ist ein großer Schritt getan. Im Experiment wurden Medikamente eingesetzt, die in der Onkologie den Tumorwachstumsfaktor EGFR bremsen. Tatsächlich konnte eine Reduktion der Verwachsungen erreicht werden, allerdings erst bei sehr hohen Dosierungen.", sagt Prof. Daniel Candinas.
Bis zum therapeutischen Einsatz sind noch wichtige Fragen zu klären. Dennoch ist man einer künftigen Bekämpfung der Verwachsungen nach Verunreinigungen einen Schritt nähergekommen. Um zu verstehen, wie genau Bakterien eine Hochregulierung von EGFR auf Mesothelzellen bewirken, sind weitere Studien geplant.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsspitals Bern. Hier geht es zur Originalpublikation.
Bildquelle: QUI NGUYEN, unsplash.