Wie gut wirkt der monoklonale Antikörper Sotrovimab bei der Omikron Sublinie BA.2? Zwar sät eine neue Studie Zweifel an der bewährten Therapie, doch Experten warnen vor voreiligen Schlüssen.
Es hat bekanntlich etwas gedauert, bis der in Österreich schon vor Weihnachten verfügbare, monoklonale SARS-CoV-2-Antikörper Sotrovimab auch in Deutschland zu haben war. Angesichts der Omikron-Welle war das suboptimal, da die Omikron-Variante gegen die in der Deltawelle bewährten, monoklonalen Antikörper (Mab) für die akute Frühtherapie bei COVID-19-Erkrankten in Risikokonstellationen weitgehend resistent ist. Ein Einsatz der bisherigen Antikörper empfiehlt sich daher in der Regel nicht mehr ohne Weiteres; zumindest im Moment, ein bisschen abhängig von der regionalen Erregerstruktur und der wahrscheinlichen Infektionsquelle.
Dass Deutschland in der Deltawelle von den, von der Bundesregierung beschafften, monoklonalen Antikörpern vor allem im Spätherbst ordentlich Gebrauch gemacht hat, zeigt eine Übersicht, die der Kölner Intensivmediziner und Mitglied im COVID-Expertenrat der Bundesregierung, Prof. Christian Karagiannidis, auf Twitter veröffentlichte. Demnach wurden in den Kalenderwochen 42 bis 52 rund 20.000 Dosen appliziert: „Die passive Immunisierung mit Antikörpern gegen COVID-19 hat in der Deltawelle vielen Menschen das Leben gerettet“, so Karagiannidis.
Sollte der Tweet nicht laden, bitte die Seite aktualisieren.
Umso ärgerlicher, dass neue Studiendaten jetzt Zweifel daran säen, wie effektiv das eigentlich als „Omikron-Mab“ propagierte Sotrovimab bei Omikron tatsächlich ist. Konkret geht es um die Sublinie BA.2, die teils auch als B.1.1.529.2 firmiert und in vielen Ländern und Regionen – allerdings in unterschiedlicher Geschwindigkeit – auf dem Vormarsch ist. Aktuell haben Wissenschaftler um Sho Iketani und David D. Ho von der Columbia University Irving Medical Center in New York Analysen zu den antikörperevasiven Eigenschaften von SARS-CoV-2-Sublinien vorgelegt.
Darin zeigen sie einerseits einen Verlust an Neutralisierungsaktivität bei mRNA-Impfstoffen gegen die zwei Omikron-Sublinien BA.1 mit R346K Mutation und BA.2 auf: Und zwar in ähnlichem Umfang, wie das für BA.1 schon beschrieben war. Sie zeigen außerdem, dass BA.2 eine „deutliche Resistenz“ gegen 17 von 19 untersuchten neutralisierenden Mabs zeigt, darunter – Achtung – Sotrovimab: Dieser neue Befund zeige, dass kein derzeit zugelassener Mab alle Sublinien von Omikron adäquat abdecke, so die Autoren zusammenfassend.
Ganz ohne Kritik bleiben die bisher nur als Preprint ohne Peer Review veröffentlichten Daten nicht. Dr. Robert Beale vom Cell Biology of Infection Lab am Francis Crick Institute in London widerspricht den US-Kollegen auf Twitter: Zwar beschreibe die Veröffentlichung der New Yorker Wissenschaftler eine 27-fach geringere Neutralisierung durch Sotrovimab bei BA.2. Allerdings betrage die mittlere Serumkonzentration ein Monat nach Infusion von 500 mg immer noch 24,5 µg/ml. Beale mahnt, vor weitreichenden Schlüssen auf die Ergebnisse von Studien mit Lebendviren zu warten.
Widerspruch kommt auch von Vir Biotechnology, dem Unternehmen, das Sotrovimab zusammen mit GlaxoSmithKline entwickelt hat. BA.2 sei NICHT resistent gegen Sotrovimab, so das Unternehmen. Entsprechende Daten würden derzeit den Zulassungsbehörden vorgelegt. Bisher gibt es nur eine Presse- und Investorenmitteilung, allerdings hat Vir Biotechnology für kommende Wochen einen entsprechendes Preprint angekündigt.
Auf Nachfrage der DocCheck News Redaktion hinsichtlich Erfahrungen mit Sotrovimab und BA.2 in Deutschland rät auch Karagiannidis dazu, die aktuellen Daten nicht überzuinterpretieren: „Das war in einem Preprint. Ich würde auf weitere Arbeiten warten, um dies gut zu beurteilen zu können.“ Die in Sachen Mab-Therapie bei COVID-19 sehr engagierte COVRIIN-Arbeitsgruppe am Robert-Koch-Institut sei an dem Thema in jedem Fall dran. Deren aktuelle Empfehlungen sind hier zu finden.
Bildquelle: Falaq Lazuardi, Unsplash