Mehr Spielraum für die Referenzwerte für die Spirometrie und eingeschränkte Indikation für inhalative Steroide – die neue Leitlinie zur COPD wartet mit einigen Neuigkeiten auf. Auch weitere Therapieoptionen sind in der Pipeline.
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) gehört weltweit zu den am weitesten verbreiteten Lungenerkrankungen und zu den häufigsten Todesursachen überhaupt. Der Anteil der COPD-Erkrankten, bezogen auf alle Einwohnern ab 40 Jahren, liegt dabei in Regionen, in denen besonders viele Raucher leben, bei 7,8 Prozent. In Regionen mit wenigen Rauchern sind es dagegen nur 6,3 Prozent. Das geht aus Daten des Gesundheitsatlas Deutschland hervor. Ein absoluter Rauchstopp ist ein Muss, aber oft auch schwierig. Bereits Winston Churchill wusste: „Leidenschaftliche Raucher, die immer wieder von der Gefahr lesen, hören meist auf – zu lesen.“
Doch auch andere Faktoren, wie beispielsweise die Feinstaubbelastung, spielen laut Gesundheitsatlas eine Rolle für die Prävalenz der COPD. So beträgt sie in deutschen Regionen mit der laut Umweltbundesamt niedrigsten Feinstaubbelastung 6,7 Prozent, in Orten mit der höchsten Belastung im Schnitt 7,7 Prozent. Insgesamt sind in Deutschland laut Gesundheitsatlas 3,4 Millionen Menschen an einer COPD erkrankt. Das entspricht einer Prävalenz von 7,1 Prozent unter allen Einwohnern ab einem Alter von 40 Jahren, so eine Pressemitteilung des wissenschaftlichen Institutes der AOK.
Eine COPD ist auch bei jüngeren Patienten keineswegs harmlos, wie häufig angenommen wird. Studienautoren um Block et al. haben die Daten von 194.759 Erwachsenen im Alter von 35 bis 55 Jahren ausgewertet. Die Analyse eines Patientenregisters ergab, dass die jüngeren COPD-Patienten im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne COPD ein 3,1-fach größeres Risiko hatten, klinisch behandelt zu werden. Sie suchten 2,2-fach häufiger eine Notfallambulanz auf und waren 1,7-fach häufiger in ambulanter Behandlung. Ihre Sterberate war sogar 5,6-fach (Frauen) und 4,5-fach (Männer) höher als bei gleichaltrigen Patienten ohne COPD.
Das Team um den LMU-Pharmakologen Prof. Christian Grimm konnte nachweisen, dass bestimmte Ionenkanäle in Immunzellen entscheidend an dem entzündlichen Geschehen beteiligt sind. Im Fokus der Studie standen Alveolarmakrophagen. Nach Angaben der Arbeitsgruppe sekretieren sie verschiedene Mediatoren, u. a. die Makrophagenelastase MMP12, die Entzündungen einleiten oder aufrechterhalten. Bereits in früheren Untersuchungen wurde MMP12 mit der Entwicklung von Lungenemphysemen verbunden, wenn das Produkt der Immunzellen im Überschuss vorliegt.
Die Forscher konnten im Tierversuch zeigen, dass der Ionenkanal TRPML3 hierbei eine zentrale Rolle spielt. Der Ionenkanal kommt in der Lunge fast ausschließlich in Alveolarmakrophagen vor.
Bei COPD ist nicht die Sekretion von MMP12 beeinträchtigt, sondern die Endozytose, bei der Zellen Flüssigkeiten und Partikel aus der Umgebung aufnehmen. Durch eine Entzündung wird nicht mehr MMP12 ausgeschüttet, sondern überschüssiges MMP12 durch TRPML3 nicht ausreichend aufgenommen. In Studien am Patienten zeigte sich, dass der Ionenkanal TRPML3 bei COPD sehr stark hochreguliert ist. Die Arbeitsgruppe vermutet, dass dies ein Versuch des Körpers ist, dem schädlichen Prozess entgegenzuwirken, indem er versucht, durch mehr TRPML3 das überschüssige MMP12 abzubauen. TRPML3 reguliert die MMP12-Aufnahme durch Alveolarmakrophagen und könnte somit als neues therapeutisches Ziel in Betracht gezogen werden.
Die COPD-Exazerbation ist sehr schwammig definiert, was die Therapie zusätzlich erschwert. Ein Gremium internationaler Experten will dies ändern und schlägt ein neues Exazerbationskonzept vor. Im GOLD-Report wird definiert, dass es sich bei der Exacerbation um eine akute Verschlechterung der Symptome, die zu einer zusätzlichen Therapie geführt hat, handelt. Weder auf die Objektivierung der Symptome noch auf Ausmaß und Verlauf der Symptomverschlechterung wird eingegangen.
Der Schweregrad wird erst im Nachhinein anhand der erfolgten Behandlung festgelegt. So spricht die Gabe von kurz wirksamen Bronchodilatatoren für eine leichte Exazerbation, die Verabreichung von Antibiotika und/oder systemischen Steroiden für eine moderate.
Die Einweisung in die Notaufnahme oder eine stationäre Behandlung wird als schwere Exazerbation definiert. Die Nationale Versorgungs-Leitlinie COPD fordert eine strukturierte Erfassung und Dokumentation von Exazerbationen. Auf eine Definition wird hingegen nicht eingegangen. Die internationale Expertengruppe um Prof. Bartolome Celli von der Harvard Medical School hat einen Vorschlag für evidenzbasierte Definition der COPD-Exazerbation vorgelegt.
Eine Entzündung soll die Grundlage einer Exazerbation sein. Es kommt zu einer Steigerung des Atemwegswiderstandes, zur Tachypnoe und zu einer Überblähung der Lunge, zur Dyspnoe sowie zur Hypoxie. Ab Symptombeginn vergehen üblicherweise fünf bis vierzehn Tage, bis die Exazerbation voll ausgeprägt ist. Wie lange es dann bis zum Ende der akuten Episode dauert, hängt vom Schweregrad ab.
Im Vorschlag sollen die Schweregrade leicht, moderat und schwer unterschieden werden und dafür die sechs objektiv messbaren Parameter Dyspnoe, Sauerstoffsättigung, Atem- und Herzfrequenz, Serum-CRP sowie in ausgewählten Fällen arterielle Blutgase, berücksichtig werden. Eine Lungenfunktion kann meist nicht durchgeführt werden, da der Patient für eine solche gesundheitlich nicht in der Lage ist. Die Eosinophilenzahl könnte die Entscheidung für oder gegen systemische Steroide erleichtern, aber es gibt dafür (noch) keine standardisierte Grenze.
Die bedeutendste Änderung in den GOLD-Leitlinien ist die Aufnahme eines neuen Kapitels zu COPD und COVID-19. Es gibt nur begrenzte Daten über die epidemiologischen und klinischen Merkmale von COPD in einigen Ländern. Diagnostische Spirometriedienste sind nicht allgemein verfügbar. Die GOLD-Leitlinie empfiehlt weiterhin, dass eine COPD-Diagnose auf dem Vorhandensein von Symptomen und einer Atemwegsobstruktion basiert, die durch ein postbronchodilatatorisches forciertes Exspirationsvolumen in 1 Sekunde (FEV) oder durch ein forciertes Vitalkapazität (FVC-)Verhältnis von weniger als 0,7 bei der Spirometrie nachgewiesen wird.
„Die Ziele der Bewertung bestehen darin, das Ausmaß der Atemwegsbeschränkung, die Auswirkungen der Krankheit auf den Gesundheitszustand des Patienten und das Risiko zukünftiger Ereignisse (wie Exazerbationen, Krankenhauseinweisungen oder Tod) zu bestimmen“, so die Leitlinienautoren der o.g. Leitlinie. Folgende Aspekte sollen berücksichtig werden:
Der Grad der FEV-1-Beeinträchtigung, ausgedrückt in Prozent des vorhergesagten Werts, wird verwendet, um das GOLD-Stadium (1–4) zu bestimmen.
Der GOLD 2022-Bericht betont erneut, dass diese Bewertung der Symptome und des Exazerbationsrisikos nur als Grundlage für die Bestimmung der Anfangstherapie empfohlen wird und nicht für die erneute Beurteilung von Patienten während der Nachsorge vorgesehen ist. Der Bericht trennt weiterhin Empfehlungen für die Ersttherapie von denen zur Eskalation oder Deeskalation der Therapie auf der Grundlage von Änderungen der Atemnot oder Exazerbationshäufigkeit des Patienten.
Der Bericht empfiehlt, die Eosinophilenzahl im Blut als zirkulierenden Biomarker zu verwenden, um die Behandlungsentscheidungen zu leiten, den Nutzen zu maximieren und das Risiko einer Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) zu minimieren. Höhere Bluteosinophilenzahlen können die Wirksamkeit von ICS bei der Reduzierung von Exazerbationen und die Entwicklung einer Lungenentzündung vorhersagen.
Der GOLD-Bericht enthält eine aktualisierte Bewertung des Nutzens einer Dreifachtherapie mit langwirksamem Beta-2 -Agonist (LABA)/langwirksamem Muskarin-Antagonist (LAMA)/ICS. Im Vergleich zu LAMA allein, LABA/LAMA und LABA/ICS hat sich gezeigt, dass die Dreifachtherapie die Lungenfunktion und die von Patienten berichteten Ergebnisse verbessert und Exazerbationen reduziert.
Der Bericht überprüfte die aktuelle Evidenzlage zu COPD und COVID-19. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass Patienten mit COPD kein stark erhöhtes Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu haben scheinen. Patienten mit COPD haben lediglich ein leicht erhöhtes Risiko für einen Krankenhausaufenthalt wegen COVID-19. Insgesamt ist das Ausmaß dieser Risiken geringer als erwartet.
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