Sildenafil ist das meistgenutzte Potenzmittel – kommt allerdings nicht ohne Nebenwirkungen aus. Worüber ihr eure Patienten aufklären solltet, lest ihr hier.
Die Entdeckung von Sildenafil im Jahr 1990 war ein Zufallsfund. Eigentlich wollte der Hersteller ein Medikament gegen Herzbeschwerden entwickeln. Seitdem ist die kleine blaue Pille zum meistgenutzten Potenzmittel aufgestiegen.
Sildenafil ist nicht nur ein Potenzmittel, dass als Nebenwirkung die Nasenschleimhäute anschwellen lässt. Der PDE-5-Hemmer kann auch ernste unerwünschte Wirkungen hervorrufen. Weltweit ist die Substanz für mehr als 500 Tote verantwortlich, allein in Deutschland sind 18 dokumentiere Fälle bekannt. Die Erhebungen sind alt, stammen aus dem Jahr 2000, neuere seriöse Studien zu Todesfällen unter Sildenafil existieren nicht.
Hochrechnungen aus der Spontanberichterstattung erlauben zwar keine exakten Rückschlüsse, geben jedoch Hinweise auf Gefahren. „Unsere Vorbehalte werden bestätigt: Sildenafil hätte nicht zugelassen werden dürfen“, mahnte das Arzneimitteltelegramm bereits im Jahr 2000. Auch in Amerika wurde in JAMA vor Todesfällen gewarnt. Es ist aber schwierig herauszufinden, ob Sildenafil direkt daran beteiligt ist. Möglicherweise hat allein die Kombination von vorbestehender Herzkrankheit und sexueller Aktivität zum Tode geführt.
Sildenafil ist ein selektiver oraler Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5), der durch eine Erhöhung des cGMP-Spiegels und eine Entspannung der glatten Muskulatur wirkt. Trotz hoher Selektivität hemmt jeder PDE-5-Hemmer auch andere PDE-Isoenzyme. Sildenafil und Vardenafil beispielsweise haben nur eine 10- bzw. 15-mal geringere Spezifität für PDE6 als für PDE5. Avanafil zeigte eine 100-mal geringere Spezifität für PDE6 als für PDE5, was vermutlich die potenziellen Nebenwirkungen reduziert, die sich aus der nichtselektiven Hemmung von PDE6 ergeben.
Mit Hilfe der okularen Bildgebung wurde der Einfluss von Sildenafil auf die okulare Hämodynamik, insbesondere die choroidale Perfusion, gezeigt. Auch wurde die Wirkung von Sildenafil auf bipolare Zellen und zyklisch-nukleotidgesteuerte Kanäle nachgewiesen. Diskutiert werden in einer Studie von Auso et al. mögliche schädliche Wirkungen am Auge: zentrale seröse Chorioretinopathie, Glaukom, ischämische Optikusneuropathie und Risiken für rezessive Träger von Retinitis pigmentosa.
Die Rolle von cGMP als Second Messenger ist der Schlüssel zur Regulation der Phototransduktion. Die gesamte Signalkaskade ist vom Gleichgewicht zwischen seiner Synthese durch retinale Guanylylcyclase (GC) und seiner Hydrolyse durch PDE6 abhängig. PDE6 ist ausschließlich in retinalen Photorezeptoren vorhanden.
Daher scheint es offensichtlich, dass die Störung des cGMP-Metabolismus schwerwiegende Folgen für die Sehfunktion haben kann, einschließlich Photorezeptortoxizität und Zelltod. Die Auswirkungen auf die Netzhautfunktion zeigen sich als leichte und vorübergehende visuelle Symptome, die häufig als blaues oder rotes Sehen, erhöhte Lichtempfindlichkeit und verschwommenes Sehen berichtet werden. Da PDE5 in den Endothelzellen und glatten Muskelzellen der choroidalen und retinalen Gefäße exprimiert wird, kann Sildenafil die Durchblutung des Auges beeinflussen.
In einer Kasustik berichten Yanoga et al. über einen 31-jährigen Mann ohne medizinische Vorgeschichte. Dieser stellte sich kurz nach der Einnahme von Sildenafil mit Beschwerden über bilaterale mehrfarbige Photopsien und Erythropsie (Rotsehen) vor. Bei dem Patient wurde eine Schädigung der Zapfen-Photorezeptoren festgestellt, die mit Elektroretinogramm, optischer Kohärenztomographie und adaptiver optischer Bildgebung nachgewiesen wurde. Die Symptome des Patienten und die strukturellen Veränderungen der Photorezeptoren hielten mehrere Monate an. „Bei hoher Dosierung kann Sildenafilcitrat bei bestimmten Personen zu anhaltender Netzhauttoxizität führen“, warnen die Autoren.
Eine retrospektive Querschnittsstudie aus den USA zeigte eine positive Korrelation zwischen der Einnahme von Sildenafil und der Häufigkeit von Glaukom-Diagnosen. Ein Fallbericht aus Großbritannien beschreibt ein akutes Winkelblock-Glaukom drei Stunden nach Einnahme von Sildenafil. Die Autoren dieses Fallberichts diskutieren die sympathische Stimulation während der sexuellen Erregung, einen erhöhten choroidalen Blutfluss durch Sildenafil und einen bestehenden Katarakt als auslösende Faktoren.
Da die mittlere Wand der Arterien aus glatten Muskelzellen besteht, führt die Blockade von PDE5 zu einer Relaxation der Blutgefäße. Dies erleichtert bei einer erektilen Dysfunktion die Füllung der Schwellkörper und senkt bei einer pulmonalen arteriellen Hypertonie den Blutdruck im Lungenkreislauf. Einige klinische Fälle haben über das Auftreten einer Aortendissektion unter Sildenafil berichtet. Es wurde zudem eine verringerte PDE5A-Expression in menschlichem Aortenaneurysma-Gewebe gefunden.
Die tägliche Gabe von Sildenafil hat in einer Laborstudie bei Mäusen zu einer deutlichen Vergrößerung eines abdominalen Aneurysmas geführt. Die Forscher um Zhang etl. raten im Journal of the American Heart Association zur Vorsicht bei Patienten, bei denen bereits ein Bauchaortenaneurysma diagnostiziert wurde.
Der Verdacht, dass die Relaxation für Menschen mit einem abdominalen Aneurysma gefährlich sein könnte, gründet sich zum einen auf Fallberichte über Aortendissektionen im zeitlichen Zusammenhang mit einer (exzessiven) Einnahme von Sildenafil. Zum anderen gibt es zahlreiche Gendefekte, die durch eine Schwächung der glatten Muskulatur das Aneurysmarisiko erhöhen.
Ein mit Sildenafil assoziierter Myokardinfarkt wird selten bei Patienten ohne vorherige koronare Herzkrankheit gesehen. In einer Kasuistik berichten Yoon et al. über einen 40-jährigen Mann ohne bekannte kardiovaskuläre und nicht bekannte frühere ischämische Symptome. Nach der Einnahme von Sildenafil erlitt er einen Myokardinfarkt mit ST-Strecken-Hebung.
Wichtige Kontraindikationen für Sildenafil sind die gleichzeitige Anwendung mit Alpha-Adrenozeptor-Antagonisten oder mit Nitraten. Eine Isoform 5 der Phosphodiesterase wurde auch im Myokard nachgewiesen und kontrolliert den löslichen Pool von cGMP. Sildenafil ist zwar sehr spezifisch für cGMP, kann aber zyklisches Adenosinmonophosphat im Myokard indirekt erhöhen. Dies tritt bei kleinen therapeutischen Dosen des Arzneimittels nicht auf. Es gibt einige Kasuistiken, die einen Zusammenhang zwischen Sildenafil und Arrhythmien sehen. Es besteht der Verdacht, dass Sildenafil eine sympathische Aktivierung hervorrufen kann.
Eine spanische Studie untersuchte die Steigerung der Nebenwirkungen mit Cannabis. Es wurden 13 Beiträge analysiert, fünf davon untersuchten die Kombination von Cannabis und Sildenafil als eine neue Form der nichtmedizinischen Freizeitnutzung. Drei Artikel bezogen sich auf einen Zusammenhang zwischen Sildenafil und Cannabis und kardiovaskulären Ereignissen: ein Hinterwandinfarkt, ein Myokardinfarkt ohne ST-Hebung und ein akutes Koronarsyndrom.
Eine positive Nebenwirkung der ganz anderen Art sind: Steife Stängel. Ja, richtig gelesen. Das Potenzmittel im Blumenwasser hält die Pflanzen bis zu einer Woche länger frisch. Darüber berichteten israelische und australischen Forscher.
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