Bei kindlichen Nierenerkrankungen weisen Mädchen ein höheres Sterberisiko als Jungen auf. Wissenschaftler ermittelten nun den entscheidenden Faktor – und stellen das Transplantationssystem infrage.
Die Sterblichkeitsrate bei Kindern nach einer Nierentransplantation ist in den vergangenen Jahrzehnten gesunken, dennoch ist sie im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung immer noch sehr hoch. Dabei liegt die Sterblichkeitsrate bei Mädchen höher als bei Jungen.
Ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wollte wissen, wie diese erhöhte Sterblichkeit zu erklären ist. Dazu sammelten sie Daten von über 700 Kindern mit chronischer Nierenerkrankung. Die Wissenschaftler beobachteten teilweise über zehn Jahre den Krankheitsverlauf der Patienten – vom Eintreten der Dialysepflichtigkeit bis über eine Nierentransplantation hinaus. So konnten fast 1.400 Datenpunkte analysiert werden, um den Faktor hinter den Geschlechtsunterschieden zu entschlüsseln.
Dabei stießen die Wissenschaftler tatsächlich auf einen geschlechtsspezifischen Unterschied: Die Gefäße der Mädchen zeigten in Form einer Gefäßversteifung erheblichere Schäden als die der Jungen. Dr. Rizky Sugianto, Erstautorin der Studie, erklärt: „Wir zeigen, dass Mädchen mit einer fortgeschrittenen chronischen Nierenerkrankung im Vergleich zu Jungen anfälliger für die Entwicklung einer Gefäßversteifung sind; dieser Unterschied bleibt auch nach der Transplantation bestehen.“
„Die Ergebnisse sind für uns Pädiater ein echter Meilenstein“, sagt Oberärztin Prof. Anette Melk. Die Professorin für Transplantationsmedizin leitet daraus ab, dass das Transplantationssystem angepasst werden muss: „Mädchen leiden nicht nur stärker unter der eingeschränkten Nierenfunktion und der Wartezeit auf ein Organ, sie erhalten laut einer europäischen Studie auch seltener als Jungen eine präemptive Transplantation, also eine Transplantation vor dem völligen Versagen der Nierenfunktion und der Notwendigkeit der Dialyse, der Blutwäsche‚ die ja die fehlende Entgiftungsfunktion der Niere bis zur Transplantation ersetzen soll.“
„Dabei wäre ein schneller Zugang zur Transplantation gerade für Mädchen entscheidend, um genau diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden entgegenzuwirken“, betont Melk.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Dainis Graveris, unsplash.