Mischlingsrüde Björn leidet seit zwei Jahren an episodischem Durchfall. Seine Besitzerin ist mit der bisherigen Behandlung unzufrieden. Doch als wir dem Problem auf den Grund kommen, wird sie ganz ruhig.
Frau Riebensam ist nicht zufrieden. Sie möchte sich in unserer Praxis eine Zweitmeinung einholen zu „Björn“, ihrem Hund. Er hat chronischen Durchfall und Borborygmus – schon seit mehr als 3 Monaten und ihr Haustierarzt, so die Klage, habe „nichts dagegen getan“. Die Ungeduld und die Sorge über den Gesundheitszustand ihres Vierbeiners sind ihr deutlich anzumerken.
Björn darf sich im Behandlungszimmer ein wenig umsehen, während ich mir die Vorgeschichte erfrage: Er ist ein mittelgroßer, kastrierter, 4-Jahre alter Mischlingsrüde und seit ungefähr 12 Wochen leidet er unter unterschiedlich schwerer (leicht- bis mittelgradigen) Diarrhoe und wechselndem Appetit. Kurze derartige Episoden habe er seit etwa zwei Jahren mehrmals im Jahr, so Frau Riebensam. Diese seien aber selbstlimititierend und von kurzer Dauer gewesen. Björns Body Condition Score ist bei 3/9, ansonsten ergibt die allgemeine Untersuchung keine Auffälligkeiten.
Bei Hunden und Katzen mit chronischer und/oder rezidivierender Enteritis hat sich bei uns (ganz normale First Opinion Tierarztpraxis) folgendes Vorgehen ganz gut bewährt:
Wir nehmen die Anamnese auf und machen eine allgemeine Untersuchung. Sehr selten ist der Patient in einem so schlechten Gesamtzustand, dass dies eine sofortige Therapie mit Prednisolon und/oder Antibiotika rechtfertigen würde; in dem Falle überweisen wir aber ohnehin in die Tierklinik, denn diese Fälle rechtfertigen meistens eine stationäre Aufnahme. In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle ist das jedoch absolut nicht nötig.
Wir machen ein Basis Blut-CheckUp inklusive großem Blutbild. Dazu Cortisol Basalwert, Folsäure, Cobalamin, TLI (Trypsin-like-Immunreaktivität) und PLI (pankreatische Lipase Immunreaktivität) („Gastroprofil“). Mittels Kotuntersuchung fahnden wir nach möglichen parasitären Ursachen. Oft machen wir auch noch ein Abdominalultraschall, das ist mit einem Termin prima abgehandelt. Wenn bei diesen Voruntersuchungen Auffälligkeiten sind, gehen wir den Grundursachen nach und behandeln sie entsprechend. Wenn nicht, verschreiben wir eine Diät mit einer noch nie gefütterten Protein- und Kohlenhydratquelle („Novel-Protein-Diet“) oder einer hydrolysierten Diät.
Bei hydrolisiertem Futter handelt es sich um eine Zubereitung, bei der die Proteine bei der Herstellung zusätzlich aufgespalten werden. Dadurch ist es dem Immunsystem unmöglich, diese im Futter als Allergene zu identifizieren. Welcher Proteinlieferant dabei genau zum Einsatz kommt, ist in der Regel egal. Dank der Hydrolyse kann ein Hund, der, wie in diesem Beispiel, normalerweise kein Hühnerfleisch verträgt, durchaus hydrolysiertes Hundefutter mit Geflügelprotein fressen.
Der Grad der Aufspaltung ist bei den angebotenen Futtermitteln auf dem Markt unterschiedlich hoch. Je höher der Aufspaltungsgrad, desto weniger wird das Immunsystem getriggert. Es lohnt sich immer, bei Nichtansprechen die Diät zu wechseln, bevor man weitere Behandlungsschritte einleitet. Denn sehr viele vermeintliche „Therapieversager“ sprechen nach Futterwechsel doch noch an – spätestens, wenn man eine sehr stark hydrolysierte Diät wählt.
Ich frage Frau Riebensam nach den Untersuchungen und Behandlungen, die beim Haustierarzt schon erfolgt sind. Wie sich herausstellt, hat der Kollege schon exzellente Arbeit geleistet:
Björn war daraufhin auf eine Novel-Protein-Diät gesetzt worden, die jedoch keine Besserung brachte. Offenbar schlug das danach gewählte hydrolysierte Futter auch nicht an, sonst wäre Frau Riebensam mit ihrem Liebling ja jetzt nicht hier.
Geben wir Antibiotika? Die (z.B. Metronidazol) bessern die Symptomatik oft. Aber unserer Erfahrung nach nur so lange, wie man sie verabreicht. Bei chronischen Enteritiden ist die Darmflora nahezu immer aus dem Gleichgewicht. Ein gezielter Wiederaufbau der Darmflora ist da meiner Meinung nach sinnvoller, als ein Ausradieren aller vorhandenen Darmmikroben.
Bakteriologische Untersuchungen machen wir nur noch bei geBARFten Hunden: Um humanpathogene Keime auszuschließen (mehr dazu findet ihr hier). Nach dem neuen TAMG verbietet sich die Gabe von Antibiotika mangels eindeutiger Indikation ohnehin fast von selbst bei einem Hund, der eigentlich noch recht fit ist (Ausnahmen gibt es natürlich, wie die granulomatöse Kolitis bei vielen kurznasigen Rassen).
Also Prednisolon? Ich scheue mich immer davor, eine chronische Gastroenteritis gleich als steroidresponsive Enteritis (und damit ja die klassische IBD) anzusprechen, bevor ich nicht alles Andere wirklich, WIRKLICH ausgeschlossen habe. Das heißt: Überweisung zur Enteroskopie und Biopsie?
Lieber hake ich bei Frau Riebensam noch einmal nach:
„Frau Riebensam, Sie haben die Diäten WIRKLICH ausschließlich gefüttert?“
„Selbstverständlich“, gibt die Dame zurück.
„Auch keine Leckerlis, kein Fressen von Irgendetwas draußen, gar nichts?“
Frau Riebensam zögert.
„Nun ja“, gibt sie dann zu, „ich habe die Packungsbeilage der hydrolysierten Diät gelesen. Da ist ja Huhn drin. Dann kann ja Huhn als Leckerli so schädlich nicht sein. Und ohne sein Hühnerfleisch hört er beim Gassigehen gar nicht.“
Wie der Mehrzahl der Patientenbesitzer ist Frau Riebensam nicht bewusst, welche zentrale Bedeutung die strikte Einhaltung der verschriebenen Diät bei chronischer Enteritis (CE) einnimmt.
Immerhin fünfzig Prozent aller Hunde mit CE leiden im Grunde an einer FRE (Futtermittel-Responsive-Enteritis). Da lohnt es sich immer, den Sinn der Diätfütterung überdeutlich zu machen. Denn man braucht hier die Besitzer hundertprozentig im Boot. Das kostet natürlich viel Zeit und Geduld von uns Tierärzten im Gespräch. Das wichtigste Ziel muss aber sein, dass den Besitzern klar wird: Die eine schnelle Pille gibt es nicht. Im Gegenteil: Sie selbst haben einen entscheidenden Anteil am Behandlungserfolg.
Wir haben Frau Riebensam also noch einmal sehr detailliert erklärt, was eine hydrolysierte („hypoallergene“) Diät ausmacht und warum es so wichtig ist, sich strengstens daran zu halten.
Offenbar hat das gefruchtet. Denn seit diesem Gespräch vor einem halben Jahr ist Björn auf hypoallergener Diät und mit dieser fit und beschwerdefrei. Eine weitere Behandlung war nicht nötig, abgesehen von wöchentlichen Cobalamin-Injektionen für 6 Wochen und einem Aufbau der Darmflora mit einem geeigneten Präparat.
Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass ungefähr die Hälfte aller Hunde und Katzen mit chronischer Enteritis zum futtermittelresponsiven Typ gehören. Das sind unglaublich viele, die nichts weiter brauchen, als ein anderes Futter. Keine Immunsuppressiva, kein Antibiotikum. Nur anderes Futter.
Quellen:
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen beim Hund- diagnostische und therapeutische Aspekte, Tierarztl. Prax. Ausg. Kleintiere Heimtiere 2017; 45(05): 317-327, DOI: 10.15654/TPK-170366
Webinar: http://www.vetinare.de, chronische Enteropathie des Hundes, Dr. Sabine Thalmeier
Bildquelle: Esmihel Muhammad, Unsplash