Die ungewöhnlichen Hautläsionen eines Kindes ließen Forscher aufhorchen. Bei der Suche nach der Ursache entdeckten sie einen Gendefekt – und die bedeutende Rolle, die das Immun-Gen ISG15 spielt.
Die Hauterkrankung eines ägyptischen Kindes hat ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Frank Peßler auf die Spur einer bisher unbekannten Funktion des Interferon-stimulierten Gen 15 (ISG15) geführt. Die Entdeckung erfolgte eher zufällig, nachdem der Kinderrheumatologe und Leiter der Arbeitsgruppe Biomarker für Infektionskrankheiten am TWINCORE als Gastprofessor die ägyptische Universitätsklinik von Sohag besuchte.
Ein Junge mit Geschwüren der Haut gab den Ärzten Rätsel auf. Bakterielle Infektionen oder Parasiten konnten sie als Ursache ausschließen. Die Untersuchung einer Hautbiopsie zeigte chronische Entzündung. Diese ließ sich zwar mit Cortison behandeln, allerdings blieben ausgedehnte Narben zurück. Später zeigte die Schwester des Erkrankten die gleiche Symptomatik und die Mediziner vermuteten eine genetische Ursache. Zurück in Deutschland ließ Peßler in der Abteilung Genomanalytik am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) an Blutproben der gesamten Familie eine sogenannte Ganz-Exom-Sequenzierung durchführen. „Dabei werden alle aktiven Gene analysiert. Bei den beiden Geschwistern entdeckten wir eine homozygote Loss-of-Function-Mutation des Gens ISG15, den Kindern fehlte einfach die Funktion dieses Gens“, sagt Peßler.
In der Folge fehlt das gleichnamige Protein ISG15, das eigentlich eine Rolle in der Regulierung des Interferonsystems spielt. „Interferon wird im Körper beispielsweise als erste Antwort auf Krankheitserreger freigesetzt und führt zu Entzündungen“, sagt Peßler. „ISG15 hat dabei eine hemmende Wirkung.“ Fehlt es, kommt es zu unkontrollierten Entzündungen. Allerdings führt Entzündung allein nicht unbedingt zu Hautgeschwüren. Die Forscher gehen davon aus, dass sie sich bei Patienten mit ISG15-Mangel deshalb bilden, weil zusätzlich die Funktion von ISG15 für die Integrität der Haut fehlt.
Durch Untersuchungen an dreidimensionalen stammzellbasierten Hautmodellen in den Leibniz Forschungslaboratorien für Biotechnologie und Künstliche Organe (LEBAO) und der Klinik für Dermatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) konnten die Wissenschaftler die Rolle von ISG15 in der Haut genauer ergründen. Unter anderem entdeckten sie, dass es am Zusammenhalt der Hautzellen und an migratorischen Prozessen beteiligt ist. „Darunter versteht man die Wanderung von bestimmten Zelltypen an ihren Bestimmungsort“, sagt Peßler. „Liegt hier eine Störung vor, finden die Zellen der verschiedenen Hauttypen nicht mehr an ihren richtigen Platz.“ Dann kommt es zu Läsionen, wie sie bei dem Geschwisterpaar aus Ägypten beobachtet wurden.
„Die Entdeckung, dass immer wieder auftretende oder chronische Wunden bei überschießenden Entzündungen in der Haut bei einzelnen Patienten auf eine relativ einfach nachweisbare Ursache, nämlich dem Fehlen von ISG15, beruhen können, ist klinisch äußerst relevant“, sagt Prof. Thomas Werfel, Stellvertretender Direktor der Klinik für Dermatologie der MHH.
Dazu kommt, dass die Forscher bereits einen Behandlungsvorschlag machen können: Im Laborversuch konnte eine Kombination aus Ruxolitinib, dem Zytokin TGF-beta, sowie dem Antibiotikum Doxycylin – hier als Enzym-Hemmstoff eingesetzt – das Fehlen von ISG15 kompensieren. „Die Narbenbildung und die teils schweren Nebenwirkungen langjähriger Behandlung mit Cortison können so hoffentlich vermieden werden“, sagt Peßler.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des TWINCORE Zentrums für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Aleksei Алексей Simonenko Симоненко, unsplash.