Eine 64-jährige Frau leidet seit einiger Zeit an Parästhesien des anterolateralen Oberschenkels. Doch sämtliche Untersuchungen liefern keinen Hinweis auf die Ursache der Beschwerden - bis den Ärzten ein winziges Detail ins Auge sticht.
Eine 64-jährige Frau stellt sich in Singapur mit seit etwa 2 Monaten anhaltendem Taubheitsgefühl im rechten anterolateralen Oberschenkel, das mit einen Brennen verbunden ist, in der allgemeinmedizinischen Abteilung eines Krankenhauses vor. Die Beschwerden verschlimmern sich bei Bewegung zwar nicht, jedoch kann sie auch keine lindernden Faktoren benennen. Ein Trauma, das die Beschwerden erklären könnte, verneint die Frau ebenso wie Rückenschmerzen, Muskelschmerzen oder eine Gliederschwäche. Blasen- und Darmfunktion sind ebenfalls unbeeinträchtigt. Vor 30 Jahren hatte sie ein leichtes Rückentrauma erlitten, die Heilung sei damals jedoch problemlos verlaufen, sodass die Ärzte einen Zusammenhang zu den jetzigen Symptomen ausschließen.
Initiale Laboruntersuchungen ergeben ein normales Blutbild. Die Nieren- und Schilddrüsenfunktion, der Vitamin-B12-Spiegel und der HbA1c-Wert sind ebenfalls unauffällig. Der Hausarzt der 64-Jährigen hatte ihr bereits Pregabalin und Naproxen verschrieben, um die Parästhesien zu lindern, doch leider ohne Erfolg. Daher wird nun in der Klinik eine umfassende neurologische Untersuchung der unteren Extremität durchgeführt. Doch merkwürdigerweise können die Ärzte hier nichts finden, was die Beschwerden erklären würde. Muskeltonus, Reflexe, Kraft und Koordination sind allesamt unauffällig.
Doch die Patientin kann den Parästhesiebereich im anterolateralen Teil des rechten Oberschenkels deutlich abgrenzen. Hautläsionen sind dort nicht zu erkennen und auch Untersuchungen von Abdomen, Leisten und der Wirbelsäule liefern keinen Hinweis auf die Ursache der Beschwerden. Anschließend führen die Ärzte eine Nervenleitfähigkeitsuntersuchung des rechten und linken Nervus cutaneus femoris lateralis durch. Doch auch dabei zeigen sich beidseits ähnliche Werte bei Latenz, Amplitude und Leitungsgeschwindigkeit.
Schließlich lassen die Ärzte MRT-Aufnahmen des Plexus lumbosacralis anfertigen. Dabei entdecken sie eine winzige Veränderung: Der rechte N. cutaneus femoris lateralis ist unterhalb des Leistenbandes neben der Spina iliaca anterior superior fokal leicht geschwollen.
Dieser Befund führt die Ärzte zur Diagnose einer Meralgia paraesthetica. Dabei handelt es sich um ein Engpasssyndrom des N. cutaneus femoris lateralis. Als die Patientin 4 Monate nach dem Erstauftreten der Symptome zu einer Kontrolluntersuchung in der Klinik erscheint, berichtete sie, dass die Parästhesie vollständig und spontan verschwunden sei.
Text- und Bildquelle: Moy et al. / Oxford Medical Case Reports
Bildquelle: Sacre Bleu / Unsplash