Es scheint einem angesichts der Bandbreite an Facharztrichtungen oft unmöglich, eine Entscheidung zu treffen. Ein Münchner Projekt soll hier die Wahl erleichtern. Im „FacharztDuell“ fahren Mediziner große Kaliber auf, um die Studenten für ihre Fachrichtung zu gewinnen.
Statt in einer Waldlichtung am frühen Morgen, findet das Duell der Mediziner in einem stinknormalen Hörsaal statt. Pistolen sind gegen Mikrofone eingetauscht und die Cowboyuniform ist einem schlichten Arztkittel gewichen. Worte treffen schließlich härter als Kugeln, sofern es um die Verteidigung des eigenen Faches geht. Wenn Ärzte im Rahmen der Veranstaltung „FacharztDuell“ an der Münchner Universitätsklinik aufeinandertreffen, wird nicht der hinterlistige Bösewicht erschossen, sondern es geht um die Unterstützung von Medizinstudenten bei deren Karriereplanung und die Werbung für die jeweils eigene Fachgruppe. Wer die meisten Studenten für seinen Bereich gewinnen kann, der erlangt nicht nur die Ehre, ein großer Überzeugungskünstler zu sein, sondern auch begehrten Nachwuchs für sein Fachgebiet. Wir haben die Initiatorin Lena Welbergen interviewt, die 2012 ein Projekt ins Leben gerufen hat, das alles andere als eine langweilige Infoveranstaltung für kommende Ärzte ist. Hier geht es um wichtige Zukunftsentscheidungen für die Medizinstudenten und genauso ist das Duell der Ärzte auch aufgezogen. Seit Juli 2012 haben bereits sechs Duelle stattgefunden. Moderiert werden die Diskussionsrunden von Prof. Martin Fischer, Studiendekan der LMU und Lehrstuhlinhaber für Didaktik und Bildungsforschung im Gesundheitswesen. Inzwischen ist das Projekt zu einem der beliebtesten an der Münchner Medizinerfakultät geworden. Viele Studenten wollen dabei sein, wenn es für eine Fachrichtung wieder heißt „Hasta la vista, baby!“. © Lena Welbergen DocCheck: Lena, wie bist Du zu deiner Arbeit beim FacharztDuell gekommen? Lena: Das FacharztDuell ist eine Mentoring-Veranstaltungsreihe, die ich während meiner Zeit als studentische Hilfskraft bei MeCuM-Mentor, dem Mentoring-Programm der Medizinischen Fakultät der LMU München, initiiert habe. Im Gespräch mit Kommilitonen wurde immer wieder deutlich, wie groß der Bedarf ist, frühzeitig mehr über einzelne Fachrichtungen und ihre Schwerpunkte zu erfahren. Nach thematischen Gesprächsanalysen, einer online-basierten Bedarfsumfrage und einer ad-hoc-Fokusgruppe, die wir im Rahmen des Mentoring-Programms durchgeführt haben, wurde dieser Bedarf weiter bestätigt, sodass wir die Konzeptentwicklung begonnen haben und im Juli 2012 das erste FacharztDuell veranstaltet wurde. DocCheck: Wie viele Mitglieder hat die Organisationsgruppe in München und wie lange existiert sie schon? Lena: Das erste FacharztDuell hat im Juli 2012 zwischen der Kardiologie und der Herzchirurgie stattgefunden. Die ersten anderthalb Jahre wurde das FacharztDuell hauptverantwortlich von einer Person organisiert. Mittlerweile wird das Projekt durch Personal- und Sachmittel gefördert, sodass das FacharztDuell-Team derzeit aus drei Personen besteht, die sehr motiviert sind, das Projekt weiter voranzutreiben. DocCheck: Woher kam die Idee, das Projekt in München zu starten? Lena: Die Facharztwahl ist eine sehr wichtige und weitreichende Entscheidung, die man während seines Medizinstudiums trifft und gehört zu den am häufigsten besprochenen Themen im Studium. Viele Studenten wissen von Anfang an, in welchem Fachbereich sie sich später einmal sehen, einige entscheiden sich im Laufe des Studiums um und andere wissen bis zum Arbeitsbeginn nicht sicher, welche Richtung sie einschlagen möchten oder ziehen sogar mehrere Fächer für sich in Erwägung. Mit einigen Fächern kommt man leider erst zu einem sehr späten Zeitpunkt seines Studiums in Berührung. Bis zu diesem Zeitpunkt hat man häufig schon einige weichenstellende Entscheidungen, wie zum Beispiel die Wahl der Fächer, in denen man famuliert oder die Wahl des Doktorarbeitsthemas, getroffen. Das kann den Zugang zu einem Fach erschweren. Neben der Begeisterung für ein Fach spielen weitere Faktoren wie Arbeitszeiten, flexible Arbeitsmodelle, Rahmenbedingungen, die eine Fachrichtung vorgibt und z. B. die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für viele eine wichtige Rolle bei der Facharztwahl. Es ist nicht immer leicht, an Informationen aus den unterschiedlichen Fachrichtungen zu kommen, die man auch nicht im Internet oder an anderen Stellen nachlesen kann. So ist die Idee entstanden, eine Veranstaltung zur Karriereberatung in der Medizin zu gründen, die versucht, Informationen auf informellem Wege für Studierende zugänglich zu machen, authentische Einblicke in den Arbeitsalltag zu gewährleisten und damit einen Beitrag zur Nachwuchsförderung in den vertretenen Fachbereichen zu leisten. Gleichzeitig war es für uns wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem offen über Vor- und Nachteile einzelner Fachrichtungen zwischen Ärzten und Studenten diskutiert und persönliche Erfahrungen ausgetauscht werden können. DocCheck: Was gab es für anfängliche Probleme? Lena: Die erste Schwierigkeit lag darin, ein geeignetes Veranstaltungsformat zu finden, welches unsere Ziele am ehesten treffen würde. Dafür war die enge Zusammenarbeit mit dem Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin unter Professor Martin Fischer, dem das Mentoring-Programm angegliedert ist, sehr bedeutend. Das Format der moderierten Diskussionsrunde und der Duellcharakter sind für den Erfolg der Veranstaltung entscheidend. Entsprechendes Marketing für die Veranstaltung zu betreiben, um Studierende auf das neue Angebot ausreichend aufmerksam zu machen, war eine nächste Herausforderung. Die direkte Kommunikation mit den teilnehmenden Fachbereichen war insofern wichtig, als dass es sich beim FacharztDuell nicht um eine klinikspezifische Veranstaltung handelt, sondern um ein Mentoring-Angebot, welches darauf abzielt, möglichst realistische Darstellungen aus dem Alltag eines Arztes in einem Fach zu vermitteln. Wir haben bei der Auswahl der Duellanten großen Wert auf Offenheit auch in kritischen Punkten gelegt, was für einige die Entscheidung der Teilnahme schwerer gemacht hat. DocCheck: Wie sieht Eure Arbeit bei der Organisation des FacharztDuells genau aus? Lena: Die Organisation eines Facharzt-Duells beginnt mit der Auswahl der sich duellierenden Fachrichtungen. Diese werden entsprechend der vorherigen Evaluation festgelegt, in der wir die Teilnehmer dazu befragen, welche Fachrichtung sie als nächstes gerne sehen würden. Aus den am häufigsten genannten Fachrichtungen versuchen wir dann eine sinnvolle Kombination sich duellierender Fachrichtungen zu schaffen. Anschließend machen wir uns auf die Suche nach geeigneten Duellanten aus den jeweiligen Fachbereichen. Dabei versuchen wir, Ärzte unterschiedlichen Ausbildungsstandes und möglichst auch aus unterschiedlichen Einsatzbereichen, also Uniklinik, peripheres Haus und Niederlassung für das Duell zu gewinnen. Wir reservieren einen geeigneten Hörsaal, entwerfen Plakate und lassen diese drucken, bewerben die Veranstaltung, aktualisieren die Homepage mit relevanten Informationen zu den Duellanten und erstellen den Evaluationsbogen. Über die Homepage besteht die Möglichkeit, uns schon vorab anonym Fragen für das Duell einzureichen, die durch den Moderator in die Diskussionsrunde integriert werden. Am Tag des FacharztDuells sind wir natürlich auch vor Ort. DocCheck: Warum ist es so wichtig, dass es Euer Projekt gibt? Lena: Unser Ziel war und ist es, weiterhin mit dem FacharztDuell ein Angebot zu leisten, von dem Studierende in ihrer Entscheidungsfindung für die Facharztwahl profitieren, Ärzte sich aktiv und unmittelbar an der Nachwuchsförderung ihres Fachbereiches beteiligen können und ein Raum geschaffen wird, in dem offen über Weiterbildungsangebote in der Medizin diskutiert werden kann. Die teilnehmenden Ärzte können positive und negative persönliche Erfahrungen und Ratschläge für den zukünftigen Berufseinstieg in ihre Fachrichtung weitergeben. Außerdem bleibt der Eindruck, dass die Vernetzung zwischen Ärzten und Studenten deutlich dadurch gefördert wird, dass die beiden Gruppen sich auf informellem Wege miteinander austauschen können und ihre jeweilige Perspektive besser kennenlernen. Immer wieder hören wir, dass wir mit dem FacharztDuell Informationen für Studenten komprimiert zugänglich machen, die man weder in einem Buch noch im Internet entsprechend nachlesen kann. Diese Nachricht freut uns natürlich sehr. Nachdem wir häufig Nachfragen zu den besprochenen Inhalten von Studenten bekommen haben, die ein FacharztDuell verpasst haben, zeichnen wir mittlerweile jedes FacharztDuell auf und stellen es als Podcast über unsere Homepage zur Verfügung. Es ist immer wieder beeindruckend, mit welcher Motivation die Duellanten sich an der Diskussion beteiligen und auch nach der offiziellen Diskussionsrunde für Kleingruppengespräche und darüber hinaus für Fragen zu ihrer Fachrichtung zur Verfügung stehen. Einige bieten Hospitations- und weiterführende Austauschmöglichkeiten an, was uns begeistert und darin bestärkt, das FacharztDuell auch in Zukunft anzubieten. Mittlerweile organisieren wir auch in regelmäßigen Abständen ein FacharztDuell-Spezial, welches sich mit Themen der Medizin beschäftigt, die nicht direkt eine Fachrichtung betreffen, aber für viele von großem Interesse sind. So haben wir bereits FacharztDuell-Speziale zu den Themen „Alternativen zur Klinik“, „Die Einsatzbereiche eines Arztes: Uniklinik, peripheres Haus und Niederlassung“ sowie „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Medizin“ behandelt. FacharztDuell im Hörsaal © MeCuM-Mentor / LMU München DocCheck: Was sind immer wieder gefragte Themen beim FacharztDuell? Lena: Regelmäßig werden sehr viele Fragen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Medizin und Frauen in der Medizin gestellt. Daher haben wir uns auch dazu entschieden, ein FacharztDuell-Spezial zu diesem Thema zu organisieren. DocCheck: Was war ein besonderes Erlebnis im Rahmen des FacharztDuells? Lena: Das FacharztDuell hat schon für sehr viele lustige Momente gesorgt. Dazu gehören Erzählungen von Ärzten aus dem Alltag, die gewisse Vorurteile bestimmter Fachrichtungen bestätigt haben oder genau das Gegenteil versuchten. Da das Veranstaltungsformat ja auf einem Duellcharakter basiert, werden diese Erzählungen gerne zum Vorteil der eigenen Fachrichtung ausgelegt, um das Duell für sich zu entscheiden. Für uns als Veranstalter ist es schön zu sehen, dass das Veranstaltungsformat eine offene Atmosphäre schafft, in der viele Fragen Studierender direkt diskutiert und Fragen nicht zurückgehalten werden können. DocCheck: Wie ist das Feedback von den Medizinstudenten und teilnehmenden Fachärzten? Lena: Sowohl die Evaluationen als auch das persönliche Feedback der teilnehmenden Studenten und Ärzte ist sehr positiv. Wir freuen uns, dass die Veranstaltung offensichtlich dazu beiträgt, diese beiden Gruppen enger zusammenzuführen und das Netzwerk der Teilnehmer zu vergrößern. DocCheck: Wie sieht die Finanzierung des Projekts aus? Lena: Das Projekt wird mittlerweile über Drittmittel aus dem Förderprogramm „Lehre@LMU“ der LMU München finanziert. DocCheck: Wie schaffst Du es, neben Deinem Medizinstudium noch Zeit für Deine Tätigkeit beim FacharztDuell und MeCuM-Mentor aufzubringen? Lena: Seit 2012 arbeite ich als studentische Hilfskraft bei MeCuM-Mentor und habe im Rahmen dieser Tätigkeit das FacharztDuell initiiert. Das wichtigste Attribut der Mitarbeiter von MeCuM-Mentor sehe ich in der Motivation, sich aktiv an der medizinischen Lehre beteiligen zu wollen. Das Team besteht aus zwei hochmotivierten Assistenzärzten, die das Mentoring-Programm 2008 im Rahmen eines Stipendienprogramms gründeten und bis heute ehrenamtlich betreuen, einer Projektleitung und derzeit acht studentischen Hilfskräften, die motiviert sind, weit über die erforderliche Arbeitszeit hinaus für das Programm zu arbeiten. Viele unserer Projekte wären aber auch ohne die zusätzliche ehrenamtliche Mitarbeit der Juniormentoren, die sich für Studierende jüngerer Semester engagieren, nicht möglich. DocCheck: Wie beeinflusst Dich die Arbeit beim FacharztDuell im Hinblick auf Deinen Wunsch, Ärztin zu werden? Lena: Das FacharztDuell hat mir verdeutlicht, wie wichtig der rege und offene Austausch zwischen Ärzten und Studenten ist. Persönliche Erfahrungsberichte von Ärzten sind für die meisten Studierenden von großem Interesse und man kann als Student in seiner Entscheidungsfindung nur davon profitieren. Das FacharztDuell lebt als Mentoring-Veranstaltung vom Mentoring-Gedanken und unterstreicht die Wichtigkeit, sich bereits während des Studiums mit einem Mentor auszutauschen. Ich hoffe, mit wachsender Berufserfahrung nicht zu vergessen, wie schwer mir selber bestimmte Entscheidungen gefallen sind, die ich im Laufe meines Studiums treffen musste und welche Beweggründe ich für die eine oder andere Entscheidung hatte. Natürlich bleiben auch Entscheidungen nicht aus, die man im Nachhinein anders treffen würde. Daher möchte ich als Ärztin den Kontakt zu Studierenden aktiv suchen und aufrechterhalten, um die studentische Perspektive, an der ich ja jetzt noch sehr nah dran bin, nicht aus den Augen zu verlieren. DocCheck: Hast Du schon eine Ahnung, in welche Richtung es bei Dir später mal gehen soll? Lena: Ich möchte gerne Pädiaterin werden. Das breite Spektrum der Pädiatrie, die besondere Kommunikationssituation mit Kindern und die praktischen Erfahrungen, die ich am Dr. von Haunerschen Kinderspital und in London am Great Ormond Street Hospital gemacht habe, haben mich sehr begeistert. Das FacharztDuell zwischen der Pädiatrie, Gynäkologie und Kinderchirurgie hat mich in dieser Entscheidung glücklicherweise nur noch bestärkt. DocCheck: Gibt es das Projekt inzwischen auch schon an anderen Medizin-Universitäten in Deutschland? Lena: Die Universität Mainz veranstaltet mittlerweile auch FacharztDuelle, worüber wir uns sehr freuen. Allerdings sollte das Konzept aus unserer Sicht natürlich noch von viel mehr Fakultäten übernommen werden, da wir aufgrund des positiven Feedbacks davon ausgehen können, dass eine große Zahl von Studierenden sehr von diesem Angebot profitieren kann und das Veranstaltungsformat ja problemlos auf andere Universitäten übertragbar ist.