Die Pläne zum Corona-Pflegebonus liegen seit gestern auf dem Tisch – und keiner jubelt. Vielmehr fühlen sich Pflegekräfte von der Umsetzung vor den Kopf gestoßen. Was sie am meisten stört, lest ihr hier.
Der Pflegebonus kommt. Lange schon war die Zahlung angekündigt, jetzt hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Eckpunktepapier für eine geplante Corona-Prämie vorgelegt. Insgesamt will der Bund eine Milliarde Euro für „herausragende Leistungen“ in der Pandemie zahlen. Die Branche selbst jubelt darüber allerdings kaum. Häufige Kritik: Das Geld fließt an tausenden Mitarbeitern vorbei, die das Gesundheitssystem in der Krise am Laufen gehalten haben.
So sehen die Pläne des Gesundheitsministeriums aus: Das Geld vom Bund soll je zur Hälfte zwischen den Beschäftigten von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aufgeteilt werden. Für beide Bereiche stehen demnach 500 Millionen Euro zur Verfügung.
In den Kliniken sollen sich die Prämien „in erster Linie an Pflegekräfte in der Pflege am Bett richten.“ Damit sind beispielsweise Pflegekräfte gemeint, die durch erhöhte Hygienemaßnahmen, ein erhöhtes Infektionsrisiko oder einen erhöhten Betreuungsaufwand von Infizierten in der COVID-19-Pandemie besonders belastet gewesen sind.
Nicht jeder Pflegekraft, die den Bonus bekommen soll, steht die gleiche Summe zu – das Eckpunktepapier unterscheidet bei der Belohnung nach Berufsgruppe. So sollen etwa Pflegekräfte im Bereich der Intensivpflege einen höheren Bonus erhalten als Pflegekräfte in anderen Bereichen. Noch ist unklar, wie der Bonus innerhalb der Krankenhäuser genau ausgezahlt werden soll. Vorgesehen ist, dass die Träger gemeinsam mit der Beschäftigtenvertretung entscheiden, wer die Prämie bekommt und wie hoch diese ist.
Fließen soll das Geld an diejenigen Kliniken, die im Jahr 2021 mehr als zehn Covid-Beatmungsfälle behandelt haben. Das seien insgesamt 837 Häuser, die rund 95 Prozent aller Corona-Patienten versorgt haben. Von dem Bonus würden demnach etwa 280.000 Pflegekräfte in den entsprechenden Krankenhäusern profitieren.
Konkreter sehen die Pläne in der Altenpflege aus: Hier soll die Prämie in gestaffelter Höhe an das Personal ausgezahlt werden. Dabei sollen die Kriterien „Nähe zur Versorgung“, „Qualifikation“ und „Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit“ über die Höhe entscheiden.
Dazu heißt es im Ministeriumspapier: „Den höchsten Bonus erhalten dabei Vollzeitbeschäftigte in der direkten Pflege und Betreuung.“ Für sie soll es bis zu 550 Euro geben, für Auszubildende ist ein Bonus von bis zu 330 Euro geplant. Dem Papier zufolge soll das Geld ab dem 30. Juni ausgezahlt werden.
Die Pflege-Branche reagiert größtenteils mit scharfer Kritik auf das Papier. „Der veranschlagte Betrag von einer Milliarde Euro ist viel zu gering. Der Kreis der Empfängerinnen und Empfänger des Bonus muss ausgeweitet werden“, teilt etwa die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit. „Es erschließt sich nicht, warum Beschäftigte aus der Behindertenhilfe, dem Rettungsdienst, den Laboren oder auch die Reinigungskräfte in den Krankenhäusern nach den derzeitigen Plänen keinen Bonus erhalten sollen.“
Ähnlich sieht das die Stiftung Patientenschutz. Vorstandschef Eugen Brysch hält vor allem von dem Unterschied zwischen den einzelnen Berufsgruppen wenig. „Die Fliehkräfte innerhalb der Belegschaft werden zunehmen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Einige Pflegekräfte fühlen sich von den Plänen vor den Kopf gestoßen: „Wir brauchen keinen erneuten Bonus, welcher sowieso nicht bei allen Pflegekräften ankommt. Diese erneuten Überlegungen finde ich geradezu absurd. Wir wollen dieses Schweigegeld nicht. Wir wollen mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen und endlich eine deutliche Reform des Systems“, erklärt Intensivpfleger Ralf Berning auf Anfrage der DocCheck News Redaktion.
Das Thema Pflegebonus sorgt auch auf der Plattform Twitter für Zündstoff. „Der beabsichtigte bürokratische, unzulängliche, unfachlich differenzierende Pflegebonus für nur wenige Pflegende ist die deutliche Aufforderung an Pflegende, ihre Arbeitsverträge & Dienstzeiten genau einzuhalten und kein bisschen mehr“, schreibt Alexander Eichholtz von der Berliner Charité auf seinem Profil.
Carsten Hermes, Fachkrankenpfleger und Pflegewissenschaftler, teilt die Kritik vieler seiner Kollegen. Der Pflegebonus sei zwar an sich eine gute Idee, die geplante Umsetzung aber mangelhaft. Vor allem, weil seitens des Bundesgesundheitsministeriums zuvor andere Versprechungen gemacht wurden.
„Es wurden mal 3.000 Euro als Zahl in den Raum geworfen pro Pflegefachperson, unabhängig davon, ob diese am Bett arbeitet oder nicht.“ Das sei auch nicht das entscheidende Kriterium, erklärt er im Gespräch mit der DocCheck News Redaktion. Beispielsweise sei eine Stationsleitung, die während der Pandemie den ganzen Tag Dienstpläne, Krankheitsausfälle, Isolationen und den Patientenfluss steuert, nicht weniger belastet gewesen. Und Teilzeitkräfte seien oftmals mehr belastet gewesen als Vollzeitkräfte.
Er bemängelt: Viele Arbeitsgruppen, die zwar nicht unter die Pflege fallen, aber dafür gesorgt hätten, „dass das System nicht zusammengebrochen ist“, würden jetzt übergangen bzw. leer ausgehen. Wie etwa Notfall- und Rettungssanitäter oder auch Mitarbeiter der Bundeswehr.
Was ihm aber wirklich fehle, sei der Lösungsansatz. „Wir brauchen dringend und sehr kurzfristig spürbare Änderungen für den kompletten Berufsstand.“ Wenn man dort wirklich etwas ändern wolle, müssten auf Dauer andere Summen in die Hand genommen werden – und nicht nur ein einmaliger Bonus gezahlt werden.
Karl Lauterbach erklärte im ZDF-Morgenmagazin, der Bonus solle an die Pfleger gehen, weil sie in der Coronakrise im Vordergrund gestanden hätten, und nicht an andere Berufsgruppen. Der Bonus komme „jetzt relativ rasch“. Das sei aber nicht alles, vielmehr müssten sich die Arbeitsbedingungen insgesamt verbessern.
In dem Eckpunkte-Papier werden einige weitere Punkte genannt, die noch zur Diskussion und auch unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Wie etwa eine möglichen Erhöhung des finanziellen Rahmens in der Altenpflege auf 1.000 Euro. Auch wird noch über eine mögliche Ausweitung der Bonus-Zahlungen in der Krankenpflege gesprochen. Dann könnten Pflegekräfte in Vollzeit 1.500 Euro erhalten und Beschäftigte auf Intensivstationen 3.000 Euro. Noch nicht ausdiskutiert ist auch, ob die Prämie eventuell nicht nur den Pflegekräften „am Bett“ vorbehalten bleibt, sondern auch an weitere belastete Berufsgruppen gezahlt werden soll.
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