Äthernarkosen bei Pflanzen, Cyborg-Fische mit menschlichen Herzmuskelzellen und Nanopartikel gegen Blutungen – in der Welt der Nerds hat sich einiges getan. Hier drei Studien zum Wochenende.
Würzburger Wissenschaftler haben fleischfressende Venusfliegenfallen erfolgreich mit Äther betäubt. Ähnlich wie ein Mensch reagiert die Pflanze in dieser Zeit nicht auf Berührungen – aber wozu das Ganze?
Äthernarkosen wurden früher häufig bei Operationen, Geburten und in der Palliativmedizin eingesetzt, um Patienten den Schmerz zu nehmen. Doch der genaue Wirkmechanismus konnte niemals aufgeklärt werden. Selbst bei modernen Anästhetika ist oft unklar, wie und wo sie wirken. Dabei soll die Fliegenfalle helfen.
Die elektrischen Impulse (Aktionspotentiale, APs) der Pflanze sind mit denen unseres Nervensystems vergleichbar. Zwar besitzen Pflanzen kein ausgeprägtes Nervensystem, sie leiten aber elektrische Informationen in ihrem Leitgewebe weiter, um die Falle zum Beispiel blitzschnell zu schließen. Jede Berührung der Sinneshaare führt bei der Venusfliegenfalle zum Ausschütten des Signalmoleküls Kalzium. Dieses Molekül spielt auch bei der Reizweiterleitung des Menschen eine entscheidende Rolle. Untersuchungen des Fallen-Gedächtnisses zeigen sogar, dass sich die Falle nicht an Berührungen während der Narkose „erinnern“ kann. Somit unterscheidet sich ihre Reaktion nicht von der eines Patienten, wie das Forscherteam im Journal Nature Scientific Reports berichtet.
Bei der Pflanze konnten sie das Kalzium-Signal mittels Expression genetisch kodierter Kalzium-Sensoren sichtbar machen. Dabei stellte sich heraus, dass in den Sinneshaaren von narkotisierten Pflanzen nach einer Berührung immer noch das Kalzium-Signal entsteht, dass es aber diesen Berührungssensor nicht mehr verlässt. Äther unterbricht also die Reizweiterleitung.
„Jetzt gilt es, herauszufinden, was die Glutamatrezeptoren von Tieren und Pflanzen gemeinsam haben und wie sie sich unterscheiden“, so Prof. Manfred Heckmann, Experte für tierische Glutamatrezeptoren der JMU Würzburg, zu den experimentellen Arbeiten.
Forscher der Harvard University, USA, entwickelten einen künstlichen Fisch, dessen Schwanzflosse von menschlichen Herzzellen angetrieben wird. Der Biohybrid-Fisch besteht aus Papier, Plastik, Gelatine und zwei Streifen aktiver Herzmuskelzellen. Die Kontraktion dieser Zellen bringt wiederum den Fischschwanz in Bewegung – von einer Seite zur anderen – und ermöglicht ihm das Schwimmen. Die rhythmischen antagonistischen Muskelbewegungen sind dabei entweder lichtinduziert oder selbstgesteuert und nutzen sowohl die mechanoelektrische Signalübertragung, als auch die Automatik der Herzzellen. Verstärkt wird die Kontraktion außerdem durch einen elektrischen Stimulationsknoten.
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Die Forscher publizierten ihre Ergebnisse im Fachmagazin Science und veröffentlichten ein Video des flippigen Biohybrid-Fischs via Twitter.
„Der Vorteil dieses Fischprojekts besteht darin, dass wir immer noch versuchen, das Handwerk der Verwendung lebender Zellen als technisches Substrat zu beherrschen“, so Prof. Kit Parker, einer der Autoren der Studie, gegenüber dem Guardian. Die Studie sei ein wichtiger Schritt in der Weiterentwicklung von kardiovaskulären Behandlungen wie Herzschrittmachern.
„Das Herz ist extrem komplex und es reicht nicht aus, die Anatomie nachzuahmen“, fügt Parker hinzu. „Man muss die Biophysik neu erstellen, um das robuste Verhalten zu erreichen, das für den Bau künstlicher Herzen für Kinder erforderlich ist, die mit missgebildeten Herzen geboren wurden.“
Die Herzmuskelzellen wurden durch Übungen stärker, was wiederum einen ersten Ansatz für die Behandlung von Herzinsuffizienz biete. „Indem wir die Biophysik des Herzens in diesen Fisch replizierten, aktivierten wir verschiedene Prozesse in diesen Zellen, die ihnen helfen sollten, sich selbst zu erhalten“, sagt er. „Wir hoffen, dass wir bei unserem nächsten Vorhaben diese Zellen und Gewebe viel länger als nur viereinhalb Monate am Leben erhalten.“
Gefäßverletzungen innerhalb des Torsos führen häufig zu unkontrollierten Blutungen, die eine bedeutende Quelle in der präklinischen Trauma-Mortalität spielen. Die Behandlung solcher traumatischen Verletzungen stellt sich häufig als schwierig heraus, viele Behandlungsansätze befinden sich noch in präklinischen Studien. Ein Ansatz ist der Einsatz von intravenösen Nanopartikel-Hämostatika, die die Hämostase fördern – insbesondere bei unzugänglichen Wunden.
Eine Forschergruppe des MITs, USA, untersuchte nun den Einfluss der Größe solcher Nanopartikel (< 100–500 nm) im Tiermodell, um die Nanopartikel-Plättchen-Wechselwirkung zu bewerten.
Klein, aber fein: Kleinere Partikel banden dabei an mehr Blutplättchen pro abgegebener Partikelmasse. Größere Partikel neigten hingegen zu einer höheren Partikelakkumulation auf einer Oberfläche von Blutplättchen und Kollagen. Mittelgroße Partikel führten wiederum zum größten Blutplättchengehalt in Blutplättchen-Nanopartikel-Aggregaten. Das deutet laut der Autoren darauf hin, dass möglicherweise mehr Blutplättchen in die Wunde rekrutiert werden können.
Kleine und mittlere Nanopartikel wiesen außerdem einen weiteren Vorteil auf: Eine längere Zirkulationslebensdauer. Andererseits neigten große Nanopartikel dazu, vermehrt in der Lung zu akkumulieren.
Am effektivsten waren somit die mittelgroßen Partikel mit einem Durchmesser von etwa 150 nm. Jedoch fokussierten sich bisher die meisten Forschungen zu Nanopartikeln auf Größen von 300 bis 500 nm. „Diese Studie legt nahe, dass die größeren Nanopartikel nicht unbedingt das System sind, auf das wir uns konzentrieren sollten […]. In der Lage zu sein, unsere Aufmerksamkeit auf dieses mittelgroße Sortiment zu richten, kann einige neue Türen öffnen“, sagt Prof. Paula Hammond, Leiterin des Departments of Chemical Engineering am MIT.
„Diese Partikel sollen vermeidbare Todesfälle bekämpfen. Sie sind kein Allheilmittel für innere Blutungen, aber sie sollen einer Person ein paar zusätzliche Stunden geben, bis sie in ein Krankenhaus kommen, wo sie eine angemessene Behandlung erhalten können“, sagt Celestine Hong, Erst-Autorin der Studie.
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Anke Aufmuth entstanden.
Bildquelle: Carla Quario, Unsplash