Am AMNOG scheiden sich die Geister. Ärzte und Apotheker sind von der frühen Nutzenbewertung zwar überzeugt. In der Praxis zeigen sich aber Schwächen, sobald etablierte Vergleichstherapien fehlen. Jetzt starten Gesundheitspolitiker einen weiteren Anlauf, um nachzubessern.
Seit mehr als vier Jahren ist das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) in Kraft. Ende 2014 zog der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Bilanz: Insgesamt wurden etwa 100 Medikamente bewertet. Bei 21 Prozent der Pharmaka stellten Experten einen „beträchtlichen Zusatznutzen“ fest. Weitere 26 Prozent bekamen das Prädikat „geringer Zusatznutzen“, und bei acht Prozent gelang es nicht, den Mehrwert zu quantifizieren. Mehrere Beispiele zeigen, dass das Verfahren durchaus Schwachstellen hat.
So hofften Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), etwa Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, auf Vedolizumab. Der humanisierte, monoklonale Antikörper wirkt als Antagonist von Integrin. Laut G-BA sei der Zusatznutzen gegenüber TNF-α-Inhibitoren wie Adalimumab oder Infliximab „nicht belegt“. Experten hatten indirekte Vergleiche des Herstellers nicht akzeptiert; die Studienpopulationen seien zu unterschiedlich gewesen. Aufgrund darmselektiver Eigenschaften schätzen Ärzte und Apotheker den therapeutischen Wert des Antikörpers jedoch als hoch ein. Ein ähnliches Schicksal ereilte den Blutgerinnungsfaktor Turoctocog alfa zur Behandlung von Patienten mit Hämophilie A. Ein Mehrwert gegenüber Faktor VIII: In seltenen Fällen bilden sich Antikörper gegen das exogen zugeführte Protein, was Studien zufolge bei Turoctocog alfa nicht der Fall ist. Trotzdem fand der G-BA keinen Zusatznutzen gegenüber zweckmäßigen Vergleichstherapien. Und Aflibercept, ein Angiogenesehemmer, sollte bei Visusbeeinträchtigungen aufgrund diabetischer Retinopathien zum Einsatz kommen. Der Benefit blieb fraglich.
Jetzt sind Gesundheitspolitiker hellhörig geworden. Der Bundesrat plant, Verbesserungen über das Versorgungsstärkungsgesetz mit einzubringen. Herrmann Gröhes (CDU) Entwurf wird von Ländervertretern momentan kritisch geprüft. Sie planen, mehr Kompetenz in das AMNOG einzubringen. Künftig soll der G-BA „im Einvernehmen“ mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) festlegen, womit neue Wirkstoffe verglichen werden. Der zuständige Ausschuss im Bundesrat will „Maßstäbe anlegen, die sich aus internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin ergeben“. Auch sollen besonders relevante Präparategruppen wie innovative Antibiotika besser gestellt werden. Bleibt als Knackpunkt, dass Apotheker im G-BA nach wie vor nicht als stimmberechtigte Mitglieder vertreten sind. Entsprechende Initiativen müssen vom Berufsstand selbst kommen.