Die Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie ist komplex – und vielfältig. Wann welche Therapieoption hilft und wer von welchen Wirkstoffen profitiert, lest ihr hier.
Teil 10 unserer Serie über seltene Krankheiten und ihre Behandlung. Hier geht's zu Teil 9.
Die pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) ist selten. Jährlich erkranken 3–10 Erwachsene pro 1 Mio. an der Erkrankungen. Neue Therapieansätze haben zu einer deutlichen Abnahme der Sterblichkeit und zu einer starken Verbesserung der Lebensqualität geführt. Das Prostaglandinanalogon Treprostinil steht nun in drei Darreichungsformen zur Verfügung.
Die pulmonale Hypertonie ist keine Diagnose, sondern lediglich ein hämodynamischer Zustand, der durch einen pulmonal arteriellen Mitteldruck (PAPm) ≥ 25 mm Hg in Ruhe charakterisiert ist. Der Begriff PAH beschreibt eine Untergruppe, die hämodynamisch durch eine präkapilläre pulmonale Hypertonie mit erhöhtem Lungengefäßwiderstand gekennzeichnet ist. Zu den häufigsten Ursachen einer pulmonalen Hypertonie gehören Linksherzerkrankungen.
Die PAH galt ursprünglich als Erkrankung, die überwiegend junge Frauen betrifft. Der Altersdurchschnitt der Patienten ist über die letzten Jahre kontinuierlich angestiegen und liegt derzeit bei 65 Jahren. Die pulmonale Hypertonie ist eine fortschreitende Erkrankung, die unbehandelt zu einer sehr hohen Morbidität und Mortalität führt. Todesursache ist meistens ein Rechtsherzversagen.
Die pulmonale Hypertonie wird in fünf Gruppen der WHO eingeteilt:
Als Symptome der PAH kommt es zu Husten, Zyanose und Dyspnoe, Hypotonie, pectanginösen Beschwerden sowie peripheren Ödemen.
Die Erkrankung wird in vier Schweregrade eingeteilt (NYHA-Klassifikation nach der New York Heart Association). Ausschlaggebend ist, wie stark die körperliche Aktivität eingeschränkt ist und ob Symptome auftreten.
Klasse I: Keine Auswirkungen auf die körperliche Aktivität, keine typischen Symptome, wie Atemnot, vorhanden.
Klasse II: Die körperliche Aktivität ist leicht eingeschränkt. Beschwerden bei Alltagsarbeiten, aber nicht in Ruhe.
Klasse III: Deutliche Einschränkung der körperlichen Aktivität, schon leichte Tätigkeiten verursachen Beschwerden, aber keine Symptome in Ruhe; Sauerstoffsättigung bei ca. 60 Prozent – es besteht Behandlungsbedarf.
Klasse IV: Rechtsherzinsuffizienz, es sind keine körperlichen Aktivitäten möglich, Symptome sind schon im Ruhezustand vorhanden.
Zur Abschätzung dieses individuellen Risikos werden Symptome, funktionelle Klasse, Belastungstests, Laboruntersuchungen, Echokardiografie und RHK gemeinsam bewertet, da keine einzelne Variable ausreichend Informationen liefern kann. Als Therapieziel gilt das Erreichen des Status „geringes Risiko“ für möglichst viele Parameter.
Die Therapie erfolgt nicht allein durch Medikamente, sondern als komplexe Gesamtstrategie. Diese umfasst Allgemeinmaßnahmen und supportive Therapien, die Behandlung mit hochdosierten Kalziumantagonisten sowie den Einsatz gezielter PAH-Medikamente als Mono- oder Kombinationstherapie. Ultima Ratio bleibt die Lungentransplantation. Zu den unterstützenden Therapiemaßnahmen gehören Diuretika, Sauerstofflangzeittherapie, Antikoagulation, Anämiebehandlung und Influenza- und Pneumokokkenimpfungen.
Eine effektive Kontrazeption wird unverändert empfohlen, da Schwangerschaft und Entbindung weiterhin mit einem erheblichen Risiko für PH-Patientinnen einhergehen.
Zur symptomorientieren Therapie stehen folgende Optionen zur Verfügung.
Prostacyclin ist ein Prostaglandinanalogon der Eicosanoid-Familie. Es ist ein natürlich vorkommendes Prostaglandin, das hauptsächlich von den Endothelzellen der vaskulären Intima produziert wird. Es wirkt auf die Antithrombozytenaggregation, als starker Vasodilatator und als Zytoprotektivum. Inhaliertes Prostacyclin oder Analoga stehen als alternative Behandlungsoption für PH-Patienten zur Verfügung.
Treprostinil ist das neueste Mitglied in der Therapie der PH. Es ist ein synthetisches Analogon von Prostacyclin und wird zur Linderung von körperlichen Symptomen bei PH-Patienten mit Symptomen der NYHA-Klassen II–IV eingesetzt. Es ist in intravenöser, subkutaner, inhalierter und oraler Form erhältlich. Diese vier Applikationsmöglichkeiten, eine lange Halbwertszeit und seine Stabilität bei Raumtemperatur verleihen Treprostinil einen Vorteil gegenüber den anderen Prostaglandinanaloga.
In klinischen Studien ist inhalatives Treprostinil eine sichere, gut verträgliche, wirksame Behandlung mit Verbesserungen der körperlichen Leistungsfähigkeit, Funktionsklasse, pulmonalen Hämodynamik, Lebensqualität und des klinischen Zustands bei symptomatischen Patienten mit PH, die unter Sildenafil symptomatisch bleiben.
Bei der Infusionsform klagen Patienten über Schmerzen an der Infusionsstelle, bei oraler Gabe über Bauchbeschwerden. Die subkutane Verabreichung wird bevorzugt, da das Arzneimittel schnell und vollständig absorbiert und über eine Infusionspumpe verabreicht wird. Wenn der Patient den subkutanen Infusionsweg nicht verträgt, kann er auf eine intravenöse Infusion umsteigen. In diesem Fall muss die Lösung verdünnt und über einen zentralen Verweilkatheter verabreicht werden, was das Risiko einer Sepsis und Bakteriämie erhöhen kann. Patienten, die inhalatives Treprostinil erhalten, sollten in der Lage sein, das System und das Zubehör anzuwenden und zu pflegen.
Die Infusionsform ist für Patienten mit PAH (WHO-Gruppe I) mit Klasse II–IV. Die inhalative Form wird zur Behandlung von PAH bei Patienten mit NYHA-Klasse III verwendet. Die orale Form wird zur Behandlung von PAH bei Patienten mit NYHA-Klassen II–III verwendet.
Studien haben auch gezeigt, dass bei Patienten mit schwerer chronischer thromboembolischer pulmonaler Hypertonie (CTEPH) oder WHO-Gruppe 4 PH die körperliche Leistungsfähigkeit durch subkutanes Treprostinil verbessert werden kann. Die TRIUMPH-I-Studie zeigte, dass die Beschwerden von Patienten, die trotz Doppelbehandlung mit Bosentan und Sildenafil symptomatisch waren, sich nach der Zugabe von Treprostinil verbesserten.
In klinischen Studien verbesserte Treprostinil die körperliche Belastbarkeit, die Lebensqualität, die Funktionsklasse und den klinischen Zustand. Orales Treprostinil verbessert die körperliche Leistungsfähigkeit und verzögert das Fortschreiten der Krankheit bei Patienten mit PAH.
In der FREEDOM-EV-Studie – einer internationalen, placebokontrollierten, doppelblinden, ereignisgesteuerten Phase-III-Studie – erhielten die 690 Teilnehmern mit PAH eine einzelne orale Therapie. Die Studie zeigte ein signifikant reduziertes Risiko für eine klinische Verschlechterung bei dreimal täglicher oraler Einnahme.
Die Pulmonalarterien-Compliance (PAC, Verhältnis von Schlagvolumen zu Lungenpulsdruck) stieg im Vergleich zur Placebo-Gruppe signifikant an. Es gab einen signifikanten Anstieg des Herzzeitvolumens in der Gruppe mit oralem Treprostinil im Vergleich zur Placebogruppe und eine entsprechende signifikante Verringerung des pulmonalvaskulären Widerstands (PVR). Die Daten deuten darauf hin, dass durch die erhöhte PAC die körperliche Leistungsfähigkeit verbessert und eine klinische Verschlechterung bei Patienten mit PAH verzögert wird, halten die Autoren um Khan et al. in ihrem Resümee fest.
Steckbrief: Treprostinil
Name der Erkrankung
pulmonale arterielle Hypertonie (PAH)
Häufigkeit
1–9:100.000
Gestörte Funktion/Symptome
Genetik
autosomal-dominant, autosomal-rezessiv oder nicht anwendbar
Wirkung
Prostaglandinanalogon, das den Lungenhochdruck senkt
Die Zunahme der Therapieoptionen für Patienten mit PAH oder CTEPH hat die Behandlung erfolgreicher werden lassen. Für die wesentlich größere Zahl von Patienten mit einer PH bei Linksherz- oder Lungenerkrankungen stehen weiterhin keine zugelassenen gezielten Therapieformen zur Verfügung.
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Bildquelle: Noah Negishi, Unsplash