Geht es nach dem Willen der Regierung, sollen schwerkranke Patienten ab 2016 Cannabis auf Rezept und als Kassenleistung erhalten. Dagegen regt sich zunehmend Widerstand – bei Politikern, Ärzten und Apothekern. Sie kritisieren die fehlende wissenschaftliche Herangehensweise.
Grünes Licht von Schwarz-Rot: Marlene Mortler (CSU), ihres Zeichens Drogenbeauftragte der Bundesregierung, hatte sich dafür eingesetzt, Schwerkranke besser mit Cannabis zu versorgen – auf Rezept und als Kassenleistung, versteht sich. Gegenüber der „Welt“ sagte Mortler, sie wolle sich für ein entsprechendes Gesetz stark machen. Hilde Mattheis (SPD), gesundheitspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten, begrüßte derartige Pläne ihres Koalitionspartners. Und Jens Spahn (CDU) äußerte Zustimmung aus Sicht der Christdemokraten. Damit reagieren Gesundheitspolitiker auf akute Probleme bei der Versorgung.
Zum Hintergrund: Ärzte können Cannabis-Präparate zwar verordnen; Patienten müssen die hohen Kosten selbst schultern. Ihnen hilft das oft zitierte „Nikolausurteil“ zur Kostenübernahme nicht, da es meist therapeutische Alternativen gibt beziehungsweise keine unmittelbare Lebensgefahr droht. Bleibt noch, selbst aktiv zu werden. Der zustimmungspflichtige Eigenanbau ist Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Das Verwaltungsgericht Köln hatte mehreren Klägern gestattet, Cannabis selbst anzubauen. Gegen alle Entscheidungen legte das BfArM Berufung beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen ein.
CDU/CSU und SPD könnten dem Disput durch staatliche Regelungen schnell ein Ende bereiten – Mortler plant, noch in 2015 ein Gesetz durch den Bundestag zu bringen. Neuregelungen wären frühestens ab 2016 möglich. Umfragen zufolge steht auch ein Großteil aller Bürger hinter Novellierungen. Ein weiteres Argument: Gute Erfahrungen kommen aus anderen Ländern. Kürzlich hatte Chile staatlich kontrollierte Hanfplantagen angelegt, um Schmerzpatienten zu versorgen. Während die Koalition von ihren Plänen überzeugt ist, äußerten sich Heilberufler skeptisch.
Das beginnt mit der Frage, wer Cannabis-Präparate überhaupt erhalten soll. In der Literatur gelten neben starken Schmerzen auch ADHS, das Tourette-Syndrom, Depressionen und Spastiken bei multipler Sklerose als mögliche Indikationen. Suchtexperten kritisieren die schlechte Datenlage und fordern weitere Studien. Ihre Befürchtung: Eine allzu laxe Verordnungspraxis könnte Patienten in die Abhängigkeit treiben. Als Möglichkeit bleibt, Leitlinien und Behandlungsschemata zu aktualisieren. Bei Opioiden etwa hat sich das WHO-Stufenschema bewährt. Das Prinzip lässt sich auf weitere Krankheitsbilder übertragen.