Bei einer 78-jährigen Frau mit bekanntem Typ-2-Diabetes und schlechter Compliace wird ein hyperosmolarer Hyperglykämiezustand festgestellt. Sofort beginnen die Ärzte eine Behandlung mit Insulin. Doch nach drei Tagen kann die Frau plötzlich ihre Armbewegungen nicht mehr kontrollieren.
Eine 78-jährige Frau mit bekanntem Typ-2-Diabetes bei schlechter Compliance stellt sich in einer Klinik für Allgemeinmedizin vor und klagt über Appetitlosigkeit. Sie wirkt desorientiert, ihre körperliche Untersuchung ist jedoch unauffällig. Erste Laboruntersuchungen zeigen einen hyperosmolaren Hyperglykämiezustand mit einem Plasmaglukosegehalt von 44 mmol/L und einer berechneten Plasmaosmolarität von 332 mOsm/L. Ihr glykiertes Hämoglobin im Serum liegt bei 16 %. Die Ärzte beginnen daraufhin eine Behandlung mit Insulin.
Doch drei Tage später bemerkt die Patientin unkontrollierbare Bewegungen ihrer Arme. In der neurologischen Untersuchung stellen die Ärzte unwillkürliche, beidseitige, choreische Bewegungen fest, welche die obere Extremität betreffen. Bei körperlicher Aktivität verschlimmern sich die Bewegungen, im Schlaf treten sie jedoch nicht auf. Davon abgesehen ist die neurologische Untersuchung unauffällig. Doch um den nach der Hyperglykämie neu aufgetretenen Beschwerden noch einmal auf den Grund zu gehen, ordnen die Ärzte eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns an. Diese zeigt tatsächlich ein hyperintenses T1-Signal in den Basalganglien auf beiden Seiten. Doch wie lassen sich diese Befunden in einen Zusammenhang bringen?
Die Ärzte vermuten eine hyperglykämische Chorea. Dabei handelt es sich um eine seltene Komplikation des Diabetes mellitus, die durch eine akut einsetzende Chorea und eine striatale Hyperintensität im T1-gewichteten MRT gekennzeichnet ist. Vermutlich liegt dabei eine Dysfunktion der striatalen Neuronen zugrunde. Die Kontrolle des Blutzuckerspiegels ist die wichtigste Behandlungsmethode der hyperglykämischen Chorea. Bei refraktären Fällen können zusätzliche Chorea-Medikamente wie Haloperidol in Betracht gezogen werden.
Doch bei der 78-Jährigen bleiben die choreischen Bewegungen merkwürdigerweise auch nach Korrektur der Hyperglykämie und Behandlung mit Haloperidol bestehen. Um eine mögliche dopaminerge Funktionsstörung abzuklären, lassen die Ärzte nun Dopamintransporter-SPECT-Aufnahmen anfertigen. Tatsächlich zeigen diese eine deutliche Verringerung der striatalen Akkumulation auf beiden Seiten, was sie auf eine präsynaptische dopaminerge Funktionsstörung in der Pathogenese der hyperglykämischen Chorea schließen lässt.
Daher beginnen sie eine therapeutische Dopaminsubstitution und kurze Zeit nach Beginn der Levodopa-Therapie sind die choreischen Bewegungen Geschichte.
Text- und Bildquelle: Sasaki et al. / Oxford Medical Case Reports
Bildquelle: Joanna Kosinska / Unsplash