ONKO-KLARTEXT | Rauchstopp durch nikotinbasierte Sprays? Und was bringt eine Liquid Biopsy beim Lungenkarzinom? Ärzte stellen Fragen, hier gibt's die Antworten.
In der aktuellen Onkologie-Sprechstunde von DocCheck Experts ging es um die Themen rund um Lungenkarzinom und Gastrointestinale Tumoren. Unsere Sprechstunde mit dem Experten fand auch diesmal wieder als Live-Stream via Zoom statt. Moderiert wurde das Ganze von unserem Medical Content Manager Mats Klas, der eure Fragen ganz einfach an unseren Experten Dr. Malte Hülsemann gestellt hat. Den ersten Teil unserer Reihe, in dem es um das Lungenkarzinom geht, könnt ihr hier nachlesen oder euch einfach als Video anschauen.
Der wichtigste Risikofaktor – das weißt heute jedes Kind – ist das Rauchen. Das zeigt sich auch im Praxisalltag, nicht nur in den Studien; das sind die allermeisten Patienten, die Lungenkrebs bekommen. Neben Rauchen gibt es noch andere Faktoren, wie die Exposition gegenüber Stäuben, die Atemwege chronisch reizen. Und die wichtigsten Warnsymptome sind neben den bekannten B-Symptomen, die bei fast jeder Tumorerkrankung auftreten können – unerklärbarer Gewichtsverlust, Abgeschlagenheit aus dem Nichts – der chronische Husten. Viele Raucher haben zwar einen chronischen Husten, aber die ehrliche Antwort ist: Die Raucher, die Lungenkrebs haben, bemerken, dass sich der chronische Husten ein bisschen verändert. Häufig handelt es sich um einen ganz trockenen Husten, da durch die Erkrankung die Atemwege gereizt werden. Das zweite und bekannteste Symptom ist Blut im Sputum. Das ist auch etwas, wenn die Therapien dann wirken, auch häufig nochmal auftritt und die Patienten extrem verunsichert. Seltener haben Patienten ein Globusgefühl, dass sie nicht gut schlucken können. Manchmal haben sie auch Heiserkeit oder sprechen nur noch leise; das hängt mit dem Nervus recurrens zusammen, der da unten vorbeiläuft. Es können auch häufiger Lymphknotenmetastasen sein.
Das ist auch die Idee von einem Nikotinpflaster: Das Nikotin selber ist gar nicht so toxisch, sondern die Stoffe bzw. Abbauprodukte, die beim Verbrennen vollkommen unkontrolliert entstehen. Diese giftigen Dinge führen dann dazu, dass sich die Lungenschleimhaut verändert und der Tumor dort entsteht. Diese Problematik wird auch beim dampfen heiß diskutiert. Die Frage ist also: Ist das gesünder oder sollte man das nicht genauso besteuern? Da gibt es aktuell noch keine gute Antwort drauf. Die Vermutung ist aber, dass man beim Dampfen weniger Brennprodukte hat und dadurch auch weniger toxische Substanzen. Doch dazu gibt es keine Studien.
Das hängt vom Individuum und von der Situation ab. Eigentlich kann man das nicht, weil Lorlatinib eine gezielte Therapie gegen eine Mutation ist. Sie wird also nur dann zugelassen oder indiziert, wenn man keine andere Form einer kurativen Therapie hat. Dann würde mit einer Bestrahlung vor solch einer Therapie z.B. Lorlatinib stehen. Von daher kann man sicher nicht auf Bestrahlung verzichten.
Wenn ich einen Patienten habe, bei dem ich aufgrund der Anamnese oder der Symptome ein Bronchialkarzinom hochgradig verdächtige, dann sollte direkt ein CT-Thorax gemacht werden. Damit hat man eine hochauflösende Abbildung des Lungengewebes, Mediastinums und aller Lymphknoten. Man kann auch ein Röntgenbild machen, doch das kann wiederum häufig keine kleineren Veränderungen darstellen. Und wenn man was auf dem Röntgenbild sieht, macht man ohnehin ein CT. Was man auch machen sollte ist Blutabnehmen und nach den Entzündungswerten schauen, um Husten oder eine Lungenentzündung auszuschließen. Dann folgen weitere diagnostische Schritte: Bei Verdacht auf bösartige Veränderungen, würde man versuchen eine Probe zu entnehmen. Wenn das eher in der Peripherie liegt bzw. in der Nähe von der Wand, würde man CT-gesteuert versuchen, von außen eine Probe zu entnehmen. Wenn es aber eher innen liegt, z.B. in der Nähe der Bronchien, dann würde man eine Bronchoskopie bzw. eine Lungenspiegelung machen. Unter Umständen dann von innen Ultraschall-gesteuert die Stelle suchen, um gezielt eine Biopsie zu machen. Das heißt: Der erste Schritt ist ein CT und wenn sich das bestätigt, dann eine Biopsie.
Grundsätzlich gibt es keine großen Unterschiede, ob man ein kleinzelliges oder nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom hat, wenn es um die Diagnostik geht. Ich muss immer gucken, wo ist der Befall und wie ausgeprägt ist er – d.h. ist er nur lokal oder sehr ausgeprägt. Der Standard ist dann ein PET-CT, bei dem man einen radioaktiv markierten Zucker spritzt, der sich im Stoffwechselaktiven Gewebe anlagert. Der Vorteil: Ich bekomme ein CT, das mir ein 3D-Bild zeigt und dazu die Stoffwechselaufnahme, worauf ich wirklich den Lymphknoten sehen kann, der ein kleines bisschen größer ist – ist er nur größer wegen der chronischen Bronchitis oder ist es etwas Malignes? Wenn man ein Bronchialkarzinom diagnostiziert hat, würde man immer ein PET-CT machen; es sei denn, es ist ein sehr kleiner Befund und man könnte sofort operieren. Oder es ist ein so ausgeprägter Befund und es gibt keine Möglichkeit einer kurativen Behandlung – dann muss man das auch nicht machen. Wenn man nach dieser Standarddiagnostik weiß, wie der Befund ist und wo der Tumor sitzt, kann man sich dann entscheiden, wie therapiert werden soll.
Der Einsatz findet dann statt, wenn wir die Biopsie bereits genommen haben und tatsächlich ein Bronchialkarzinom festgestellt haben. Einerseits gibt es die kleinzelligen Bronchialkarzinome – eine Art Sonderfall, denn sie sind eine sehr aggressiv verlaufende Erkrankung. Das ist aber der geringere Teil der Bronchialkarzinome, da spielt diese weiterführende Diagnostik mit PD-L1 oder anderen molekularen Tumormarkern keine Rolle. Das heißt, es gibt auch keine Therapie für diese Patienten. Dann geht es nur darum: Ist es eine Limited Disease? Dann kann man eine Operation oder Strahlentherapie durchführen. Wenn es hingegen schon eine Extensive Disease ist, dann bleibt nur die Chance mit einer Chemotherapie.
Anders sieht es beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom aus: Der Vorreiter der Tumormarker ist PD-L1 (Programmed death-ligand 1). Das ist quasi ein Checkpoint des Immunsystems, den wir an vielen Stellen im Körper haben, der dazu führt, dass unser Immunsystem eben nicht aktiv wird, wenn man das Oberflächenmolekül hat. Der Tumor macht sich das zunutze, indem er es auf seine Oberfläche packt und dem Immunsystem damit signalisiert: „Ich bin einer der Guten, du kannst mich in Ruhe lassen.“ Das Immunsystem kann den Tumor dann nicht erkennen. PD-L1-Inhibitoren sind eine Untergruppe der Checkpoint-Inhibitoren. Sie sind der Oberbegriff für die Medikamente und richten sich gegen PD-L1. Somit hat dieser Marker eine wichtige Rolle und sollte bei jedem Tumorpatienten getestet werden, das ist eigentlich auch der Standard. Man kann verschiedene Dinge darauf testen: Auf der Krebszelle selber, das Bronchialkarzinom, aber auch die Immunzellen, die das auf der Oberfläche haben und mit dem Tumorgewebe verwickelt sind, sowie das Tumorstroma und daraus einen Score errechnen. Daraus ergeben sich dann die Indikationen für die Immuntherapie. Ob es tatsächliche eine Korrelation zwischen PD-L1 und der Proliferation der Tumorzellen gibt, wäre mir neu. Es gibt den Marker KI-67, der anzeigen kann, wie proliferationsaktiv der Tumor ist. Dann hat man ebenfalls die Möglichkeit mit einer Immuntherapie zu behandeln, sie wurde früher eher bei Patienten mit palliativer Erkrankungssituation eingesetzt, doch Daten zeigen auch, dass sie bereits in früheren Stadien Sinn macht.
Neben den molekularen Markern in der Diagnostik, kann man – insbesondere beim Bronchialkarzinom – eine genetische Analyse machen. Welche Mutationen gibt es eigentlich im Lungenkrebs und welche treten auf? Es haben sich einige therapierelevante Mutationen herausgestellt: Die EGFR-Mutation, die ALK-Translokation und die ROS1-Translokation. Diese Drei müssen heutzutage bei jedem Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung getestet werden, denn sie spielen auch in der Erstlinientherapie eine entscheidende Rolle und führten dazu, dass die Chemotherapie da verdrängt wurde.
Sie spielen eine wichtige Rolle bei Patienten, die eine Bestrahlung bekommen: Sie können danach eine einjährige Erhaltungstherapie bekommen, obwohl sie kurativ behandelt werden. Bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung sind sie quasi immer dabei. Entweder als Monotherapie bei Patienten, bei denen das PD-L1 auf über 50 % der Tumorzelle ist, aber auch in Kombination mit der Strahlentherapie, wo man eine Kombination macht aus Chemo- und Immuntherapie und anschließend eine Immuntherapie-Erhaltung. Sie haben relativ wenig Nebenwirkungen, weil sie durch das eigene Immunsystem wirken. Es gibt Autoimmunreaktionen, die können manchmal auch verzögert erst nach 2 oder 3 Monaten auftreten. Aber die allermeisten Patienten vertragen diese Art von Immuntherapie gut, besonders ältere Patienten. Insbesondere im Vergleich zur Chemotherapie, wo häufig zwei oder drei Medikamente notwendig sind; und bei dem Risikoklientel Raucher kommen häufig noch Lungenerkrankungen, Gefäßerkrankungen und Herzerkrankungen hinzu, die sich nicht gut mit den Medikamenten vertragen.
Das spielt beim Bronchialkarzinom keine große Rolle, d.h. KI-67 wird oft gar nicht bestimmt.
Tumorzellen kommen auch irgendwie ins Blut, d.h. sie zirkulieren. Mithilfe einer Blutprobe kann man bei der Liquid Biopsy diese Zellen im normalen Blut isolieren und analysieren.
Auf jeden Fall. Ist leider noch kein Standard, sondern in der Standardisierung. Im Moment steht noch die Gewebebiopsie im Vordergrund und ich würde die auch immer anstreben. Wenn man eine Mutation hat, die man gezielt behandeln kann, dann setzt man die Tumorzellen unter einen starken Selektionsdruck. Deswegen ist auch die Empfehlung, wenn jemand eine solche Therapie bekommen hat und der Tumor dann wächst, nochmal eine Probe zu entnehmen.
Je zentraler der Tumor sitzt, desto größer ist unter Umständen die Operation. Wenn ich das onkologisch operieren will, muss ich eventuell einen ganzen Lungenlappen rausnehmen oder sogar eine Lungenhälfte bzw. eine Hemipneumektomie machen. Das ist sicher nicht für jeden Patienten eine Behandlungsmöglichkeit, d.h. das muss man im Einzelfall immer mit dem Operateur besprechen. Diese schwierigen Fälle macht man i.d.R. in großen Zentren, die technisch besser ausgestattet sind und in denen man auch Video-assistierte Thorakoskopien (VATS) macht. Aber diese Fälle sind sehr individuell: Bei uns wird jeder Patient auch in einer großen Konferenz bzw. in einem Tumorboard besprochen – mit Radiologen, Nuklearmedizinern und Chirurgen. Man müsste beim Patienten auch eine Lungenfunktionstestung machen: Eine Lungenszintigraphie, bei der man eventuell feststellt, dass der Patient eine schlechte Lungenfunktion hat. Der Teil, der für die Operation entfernt werden müsste, wird sowieso nicht gut belüftet und dann kann man den aufgrund fehlender Funktion wegnehmen. Für diese Entscheidungen braucht man erfahrene Chirurgen, insbesondere bei jungen Patienten, die fit sind.
Das ist mir bisher nicht bekannt. Es handelt sich dabei um eine Hyperreagibilität der Atemwege, aber die macht eigentlich keine strukturellen Veränderungen, sondern verursacht Atemanfälle oder Atemnotattacken. Allerdings sind diese reversibel. Wenn dann nur eine sehr, sehr untergeordnete Rolle.
Das Problem bei allen Tumormarkern: Der Tumormarker ist eigentlich kein Tumormarker, sondern ein Eiweiß, das der Körper normalerweise produziert. Das heißt, der Normalwert von Tumormarkern ist nicht 0; beispielsweise bei uns im Labor ist der Normalwert von CEA bei 5 Mikrogramm pro Liter. Wenn der erhöht ist, bedeutet das, dass das Gewebe, in dem dieser Tumormarker vorkommt, gereizt ist. Zwar kann das an einer Tumorerkrankung liegen, aber auch durch alles Mögliche ausgelöst werden. Zum Beispiel spielt CEA auch eine Rolle im Darm. In meinen Augen ist die Interpretation des Tumormarkers ein wenig schwierig. Zumal ich nicht weiß, was bei dem Labor der Normalwert ist. Wenn 5 Mikrogramm pro Liter der Cut-off wäre und der Wert bei 5,3 Mikrogramm pro Liter liegen würde, fände ich das eher unbedenklich. Wenn er hingegen bei 500 Mikrogramm pro Liter liegen würde, müsste man weitergucken. So würde mich der Befund aber nicht beunruhigen, zumal das CT unauffällig war. Tumormarker benutzen wir primär zum Therapie-Monitoring bei diagnostizierten Tumoren und nicht als Screening Methode.
Es gibt molekulare Tumorboards von den großen Zentren: In NRW gibt es beispielsweise einen Zusammenschluss der großen Unikliniken von Essen, Köln und Bonn. Darin werden häufig Einzelfälle besprochen – Patienten mit Veränderungen, die nicht in den Standard-Leitlinien erfasst sind. Beim Bronchialkarzinom ist i.d.R. klar definiert, welche molekularen Veränderungen behandelbar sind. Wenn eine Person eine EGFR-Mutation hat, behandele ich sie mit EGFR-Inhibitor – dafür benötige ich kein molekulares Tumorboard. Wenn man nicht genau weiß, woher stammt der Tumor, die Therapien nicht gut anschlagen oder mithilfe von Next Generation Sequencing rausgefunden wurde, welche Mutationen vorliegen – aber die Therapiemöglichkeiten gar nicht zugelassen sind – dann kann man den Patienten ins molekulare Tumorboard schicken, um die Therapieoption in großer Runde zu besprechen.
Nein. Es gab in der Vergangenheit mal Ansätze, aktuell und perspektivisch jedoch nicht.
Die Dauer einer Immuntherapie ist abhängig von der Indikation: Adjuvant nach Strahlentherapie eingesetzt sollte sie für 12 Monate gegeben werden. Palliativ bei fortgeschrittener Erkrankung wird sie in der Regel bis zum Progress oder Unverträglichkeit eingesetzt.
Rundherde in der Lunge müssen nicht bösartig sein, es können auch Narben, entzündliche Veränderungen oder gutartige Tumoren (z.B. Hamartome) sein. Aus diesem Grund muss bei unklarer Veränderung der Lunge immer eine Biopsie angestrebt werden.