Sie sind gut getarnt und schwierig zu diagnostizieren: Mastzelltumoren beim Hund. Zwei neue Verfahren erleichtern Diagnose und Prognose.
Mastzelltumoren sind ja wohl die nervtötensten Vertreter ihrer Zunft, die einem als Tierarzt unter die Augen kommen können: Schon makroskopisch können sie nach allem Möglichen aussehen und sich anfühlen. Von gut abgrenzbaren kutanen, derben Knoten über ulzerativ aussehende Läsionen, die nicht heilen wollen, bis hin zu subkutanen Schwellungen unterschiedlicher Konsistenz ist so ziemlich alles dabei, was man sich vorstellen kann.
Erst letzte Woche hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, einer besorgten Hundebesitzerin die Diagnose Mastzelltumor (MZT) für eine Umfangsvermehrung mitzuteilen. Ich hätte aufgrund des Tastbefundes Stein und Bein geschworen, es hier mit einem Lipom zu tun zu haben.
Kein Problem, denken wir uns, ein Zellausstrich sollte uns ja Gewissheit bringen. Mastzellen sind mit ihren basophilen Granula ja perfekt zu identifizieren … von wegen! Je bösartiger Mastzelltumoren werden, desto häufiger sieht man sie nicht mehr, diese wunderbar hinweisenden basophilen Granula. High Grade MZTs können also durchaus auch mal mit anderen Rundzelltumoren verwechselt werden. Für eine zielgerichtete Therapie ist dieser Umstand nicht eben günstig. Vorsichtig gesagt.
Zur prognostischen Einteilung der MZTs haben sich zwei histologische Methoden bewährt: Den meisten Kollegen wird wohl das Modell nach Patnaik bekannt sein. Basierend auf der Anzahl der Mitosen im Sichtfeld, dem Differenzierungsgrad der Zellpopulation und der Infiltration in umliegendes Gewebe erfolgt eine Einteilung in Patnaik Grade l (Low grade: gute Prognose, ca. 93 % aller Hunde 3 Jahre später noch am Leben) bis lll (High grade: schlechte Prognose, 3-Jahres-Überlebenszeit gerade mal 6 %).
Hier die Einteilung noch einmal im Detail:
In jüngerer Zeit wird dieses Modell zunehmend ersetzt durch eine Einteilung in zwei Schweregrade (low grade/high grade) nach Kiupel, wiederum basierend auf der Mitoseanzahl im Sichtfeld und in diesem Fall der Zellmorphologie (Vielkernigkeit, bizarre Zellkerne, Vorkommen von Riesenzellen).
Beide Methoden haben ihre Schwächen. Von den Hunden mit nach Kiupel als „low grade“ eingeteilten Mastzelltumoren sterben ca. 5–15 % am Ende an MZT bedingten Erkrankungen. Wenn man bedenkt, dass um die 80 % aller MZT als Kiupel low grade eingeordnet werden, sind das schon sehr viele.
Bei der Einteilung nach Patnaik wiederum fällt ein sehr großer Anteil in die Kategorie ll – und diese verhalten sich unangenehm unberechenbar. In dieser Kategorie hatte ich schon Hunde, die trotz rundheraus abgelehnter Behandlung noch Jahre später fit und munter waren und deren Tumor sich nicht rührte. Ebenso gab es aber solche, die trotz aller chirurgischer und adjuvanter Maßnahmen kein halbes Jahr mehr zu leben hatten.
Dazu kommt, dass die einzelnen Patienten unterschiedlich gut auf die adjuvante Therapie ansprechen, es aber bisher keinen Anhaltspunkt gibt (gerade in der Gruppe Patnaik ll), der hier eine Vorausschau ermöglicht.
Um bei der prognostischen Einteilung mehr Genauigkeit zu erziehlen, wird zunehmend auf die Immunhistochemie zurückgegriffen. Durch immunhistochemische Färbung wird der c-kit-Mutationsstatus bestimmt.
Die Tyrosinkinase KIT ist ein Rezeptor für Stammzellfaktoren in der Zellmembran verschiedener Zellen, so auch der von Mastzellen. Bei einer Mutation des dafür kodierenden c-kit-Gens ist dieser Rezeptor daueraktiviert, was unter anderem zur erhöhten Zellvermehrung führt. Durch Bestimmung der Mutationsrate kann durchaus eine größere Sicherheit in der Prognosestellung erreicht werden. Nur leider ist c-kit nicht spezifisch für Mastzellen, erlaubt also nicht immer die Differenzierung zu anderen Rundzelltumoren (z. B. epitheliotrophes Lymphom).
Zwei neue wissenschaftliche Arbeiten haben das Potential, uns in Zukunft die Diagnostik und die Entscheidung, ob Therapie oder nicht, ein wenig leichter zu machen:
Die charakteristischen Granula von Mastzellen bei Menschen, Mäusen, Ratten und auch bei Hunden enthalten (neben Chymase und Tryptase) auch die Protease Carboxypeptidase A3 (CPA3). Die biologische Rolle dieser Protease ist bisher unklar – eine Rolle in der unspezifischen Immunabwehr wird vermutet.
Ein Team der Veterinärmedizinischen Fakultät Helsinki ist der Frage nachgegangen, ob mittels immunhistochemischer Markierung von CPA3 Mastzellen sicher detektiert werden können. Positivkontrolle war hier das etablierte c-kit Verfahren. Es wurde zudem der Frage nachgegangen, inwieweit eine eindeutige Einordnung der markierten Zellen als Mastzelle mittels der CPA3 Markierung möglich ist (Spezifität). Letzteres wäre ein deutlicher Vorteil gegenüber dem c-Kit Verfahren.
Aus Proben von normaler Haut, Leber, Milz und Dünndarm, sowie von Mastzelltumoren und von anderen Rundzelltumoren (Lymphom, Histiozytom, Plasmazelltumor) wurde CPA3 immunhistochemisch markiert und das Färbeverhalten unter dem Mikroskop verglichen.
Hier erwies sich die Markierung des CPA3 in Mastzellen als ebenbürtig zum etablierten c-KIT mit einem entscheidenden Unterschied: Während sich auch andere als Mastzelltumoren mittels c-KIT anfärben ließen, war dies nach der CPA3 Methode nicht der Fall. Sie erlaubt dadurch eine deutlich bessere Unterscheidung zwischen MZT und anderen Neoplasien. Gerade bei histologisch schwierig einzuordnenden Tumoren kann dies einen entscheidenen Vorteil bringen.
Ob CPA3 auch für die Prognosestellung taugt, konnte leider nicht ermittelt werden, da die Erkrankungsverläufe der Hunde, von denen die Proben kamen, nicht bekannt waren.
Auch in der Entscheidungsfindung für und wieder einer adjuvanten Therapie nach chirurgischer Exzision tut sich etwas.
Im Falle von Low grade und High grade MZTs fällt den meisten Kollegen und Besitzern die Entscheidung für oder gegen eine Weiterbehandlung (mittels Bestrahlung, Chemotherapie oder Toceranib) noch vergleichsweise leicht. Nun befindet sich aber ein großer Teil der MZTs im Bereich Patnaik Grad ll und gerade diese erweisen sich bisher, wie oben bereits erwähnt, als ziemlich unberechenbar, auch was das Ansprechen auf eine Therapie angeht.
Beclin-1 als prediktiver Biomarker kann hier in Zukunft möglicherweise Abhilfe schaffen.
Biomarker sind ein wenig wie Glaskugeln: Variablen, die mit einem bestimmten biologischen Verhalten eines Tumors in direkter Verbindung stehen. Durch eine Messung können so Aussagen über den Verlauf einer Erkrankung (prognostische Biomarker) und/oder über das Ansprechen auf eine geplante Therapie (prediktive Biomarker) getroffen werden.
Beclin-1 ist ein Protein, welches direkt an der Zellautophagie beteiligt ist. Autophagie ist so etwas wie die Recyclingfunktion der Zelle, mit der beschädigte Zellorganellen und Proteine einer neuen Verwendung zugeführt werden können. Das ermöglicht das Überleben der Zelle unter ungünstigen Bedingungen. Diese Autophagiefunktion gerät in neoplastischen Zellen aus der Bahn. Die Auswirkungen sind unterschiedlich – vollständig verstanden sind sie bisher noch nicht. Bei Mastzelltumoren jedoch scheinen sie die Zellen gegen üngünstige Einwirkungen von außen zu schützen.
Die vorhandene Untersuchung wurde durchgeführt am Institut für Pathobiologie des Veterinary College in Ontario, Kanada. Es wurden Proben von 229 Mastzelltumoren aus den Jahren 2002 bis 2014 untersucht, bei denen der Krankheitsausgang für die betroffenen Hunde bekannt war. Beclin-1 wurde immunhistologisch markiert und anschließend gefärbt. MZT-Zellen aus Primärtumoren unterschiedlichen Maligignitätsgrades, Rezidiven, sowie Metastasen aus Lymphknoten waren Gegenstand der Studie.
Verglichen wurde das immunhistochemische Färbeverhalten bei MZTs sowohl mit adjuvanter Therapie (Toceranib, Bestrahlung, Chemotherapie oder Kombination) als auch ohne. Die Ergebnisse wurden mit dem jeweiligen Krankheitsverlauf in Beziehung gesetzt. Je besser die Zellen anfärbbar waren, desto höher war der Beclin-1 Gehalt der untersuchten Zellen. Die Beurteilung erfolgte unter dem Mikroskop nach standardisiertem Schema.
Bei den Hunden, die keine zusätzliche Therapie erhielten, konnte kein statistischer Zusammenhang zwischen dem Färbeverhalten und dem Krankheitsausgang festgestellt werden.
In der Gruppe der adjuvant behandelten Hunde sah man hier jedoch einen sehr deutlichen Unterschied: Je besser sich die Zellen mittels dieser immunhistochemischen Methode anfärben ließen, desto schlechter hatten die betroffen Hunde auf die Therapie angesprochen und waren somit umso früher an mit dem Tumor assoziierten Krankheiten verstorben. Kein Unterschied bestand hier zwischen den einzelnen Arten der adjuvanten Therapie.
Dies wäre, sollte diese Methode sich nachhaltig verlässlich erweisen, auch für die Therapieentscheidung unsere Glaskugel: Schon im Vorfeld könnte man eine belastbare Aussage darüber treffen, ob eine adjuvante Therapie die erwünschte Wirkung verspricht.
Dazu kommt: Für einige Medikamente (z. B. Chloroquin) ist inzwischen bekannt, dass sie die Autophagie hemmen. Gerade für die Patienten, bei denen das Beclin-1 Immunolabeling einen ungünstigen Ausgang der adjuvanten Therapie voraussagt, könnte die zusätzliche Verabreichung eines Autophagiehemmers den entscheidenden Vorteil bringen.
Stück für Stück machen wir uns die Unberechenbarkeit immer etwas berechenbarer. Zum Wohle unserer Patienten.
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