Akustische Reize wie Sprache oder Musik werden in unterschiedlichen Hirnhälften verarbeitet. Forscher konnten nun zeigen, dass die Hemisphären trotzdem kooperieren. Die Erkenntnisse zeigen neue Therapiemöglichkeiten auf.
Bei der Verarbeitung akustischer Reize erfüllen die beiden Großhirnhälften unterschiedliche Funktionen. Während bei der Wahrnehmung von Sprache hauptsächlich die linke Großhirnhälfte aktiv ist, wird Musik in der rechten Hälfte verarbeitet. Diese Spezialisierung beruht auf akustisch-physikalischen Unterschieden: Wort- und Satzanfängen weisen schnelle zeitliche Veränderungen auf, Melodien bestehen hingegen aus kontinuierlichen Veränderungen der Tonhöhe. Die Hörrinde, die für diesen Prozess zuständig ist, liegt jedoch in beiden Hirnhemisphären.
Ein Forschungsteam wolllte nun wissen, welche Gehirnhälfte wesentlich am Erlernen akustischer Parameter beteiligt ist. Dr. Katja Saldeitis, Erstautorin der Studie, arbeitete dafür mit Mongolischen Wüstenrennmäusen, da das Hörvermögen der Tiere dem des Menschen ähnlich ist. Die Wissenschaftlerin trainierte die Mäuse so, dass sie Schallreize mit absteigender oder aufsteigender Tonhöhe unterscheiden konnten und beobachtete die neuronalen Prozesse.
Dabei wurde deutlich, dass eine neuronale Kooperation zwischen beiden Hirnregionen stattfindet: „Mäuse mit intakten Verbindungen zwischen den Hörrinden beider Hemisphären erlernten diese Aufgabe innerhalb weniger Tage. Mäuse mit gestörten interhemisphärischen Verbindungen benötigten dafür wesentlich länger und waren am Ende auch nicht so erfolgreich wie gesunde Mäuse“, fasst Saldeitis zusammen.
Wurden die interhemisphärischen Verbindungen bei den gesunden Tieren jedoch nach dem Erlernen gezielt unterbrochen, war die Leistungsfähigkeit der Mäuse bei dieser Aufgabe trotzdem nicht eingeschränkt. Gleichzeitig wurde auch das Erkennen und Unterscheiden kurzer zeitlicher Änderungen in den Schallreizen, wie zum Beispiel Pausen, nicht durch gestörte interhemisphärische Verbindungen beeinträchtigt.
„Wir schlussfolgern aus den Ergebnissen unter anderem, dass die rechte Hemisphäre melodische Tonhöhenveränderungen zwar bevorzugt verarbeitet, für deren Erlernen aber Informationen aus der linken Hemisphäre benötigt. Umgekehrt benötigt die linke Hemisphäre, die bevorzugt zeitliche Veränderungen verarbeitet, aber keine zusätzlichen Informationen aus der rechten Hemisphäre“, so Studienleiter Prof. Eike Budinger.
Die Erkentnisse liefern wichtige Hinweise für die Behandlung von Störungen der interhemisphärischen Kommunikation, wie sie bspw. bei Schizophrenie, Dyslexie und Tinnitus auftreten. Budinger nimmt an: „Diese Symptome könnten vielleicht durch gezielte akustische Trainingsprogramme therapiert werden, die alternative Verarbeitungswege, die in tieferen Hirnstrukturen oder nur einer Hemisphäre verankert sind, stärken.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Neurobiologie. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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