Ein 63-jähriger Mann stellt sich mit leichter Dyspnoe und linksseitigen Brustschmerzen im Krankenhaus vor. Die Beschwerden bestehen bereits seit Jahren. Auf Röntgen- und CT-Aufnahmen entdecken die Ärzte einige auffällige Raumforderungen. Doch deren Ursprung liegt deutlich weiter zurück als zunächst angenommen.
Ein 63-jähriger Mann leidet seit Jahren an leichter Dyspnoe und linksseitigen Brustschmerzen, die sich immer mal wieder verschlimmern. Nun stellt er sich mit diesen Beschwerden im Krankenhaus vor. In seiner medizinischen Vorgeschichte ist eine unbehandelte Hepatitis-C-Infektion bekannt, außerdem raucht er seit mehr als 30 Jahren und konsumiert intravenös Drogen. Er hatte sich bereits einige Monate zuvor in einem anderen Krankenhaus deswegen vorgestellt. Damals wurde auf Röntgenaufnahmen auffällige Massen an der Pleura festgestellt. Jedoch hatte der Mann damals den Befund nicht weiter abklären lassen.
Nun schließen die Ärzte zunächst einen akuten Myokardinfarkt aus. Anschließend lassen sie erneut Röntgenaufnahmen anfertigen. Diese zeigen die bereits beschriebenen Läsionen an der Pleura.
Mittels einer anschließenden kontrastmittelverstärkten Computertomographie können darüber hinaus zwei weitere Läsionen im vorderen Mediastinum neben dem rechten Vorhof mit einem Durchmesser von 2 und 4 cm identifiziert werden. Die pleuralen Massen sind bis zu 5cm groß.
Aufgrund dieser Konstellation vermuten die Ärzte ein Pleuramesotheliom.
Doch seltsamerweise zeigen die CT-Aufnahmen keine Pleuraergüsse, wie sie typischerweise bei einem Mesotheliom zu erwarten wären. Der Patient hat außerdem seines Wissens nach nie in einer asbestbelasteten Umgebung gearbeitet - was einen wesentlichen Faktor bei der Entstehung eines Mesothelioms darstellt. Als die Ärzte die Aufnahmen noch einmal genauer betrachten, entdecken sie zudem mehrere ähnliche Läsionen im Abdomen. Sie finden weitere Tumore zwischen Zwerchfell und Magen, Leber und Bauchdecke sowie in der kleinen Beckenhöhle neben dem M. iliopsoas sinister.
Dies ist bei einem Mesotheliom zwar möglich, aber sehr selten. Und noch etwas fällt auf: Der Patient scheint keine Milz zu haben. Doch wie passen all diese Befunde zusammen?
Die Ärzte ziehen eine diagnostische Biopsie in Betracht, um festzustellen, ob es sich bei den Läsionen um Metastasen eines Krebses unbekannten Ursprungs handelt. Doch zunächst entscheiden sie sich, noch einmal ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten zu führen. Dabei kommt ein bislang unbekanntes Detail zum Vorschein: Auf die Frage nach früheren Verletzungen erinnert sich der Patient an einen Vorfall in den frühen 1970er Jahren. Damals hatte er mit Drogen gehandelt und war in einen Streit über eine Drogenlieferung verwickelt, wobei er eine Bauchschusswunde erlitt. Leider liegen aus dieser Zeit keine medizinischen Berichte vor, da der Patient nur sehr selten einen Arzt aufsucht. Der Patient erinnert sich jedoch, dass seine Milz und sein Zwerchfell schwer beschädigt waren und eine OP nötig war. Dies erklärt die nun fehlende Milz, die damals vermutlich entfernt wurde.
Anstelle einer Biopsie führen die Ärzte daher nun eine kontrastverstärkte Ultraschalluntersuchung durch. Dabei zeigen die bereits zuvor festgestellten Läsionen ein für Milzgewebe charakteristisches Muster der Kontrastmittelanreicherung in der Spätphase.
In Kombination mit der spezifischen Anamnese sind sich die Ärzte daher nun sicher: Es handelt sich bei den Läsionen keinesfalls um ein Mesotheliom, sondern um eine abdominelle und thorakale Splenose als Folge des Bauchschusses. Dies bestätigt sich zudem, da auch bei Folgeuntersuchungen nach 12 Monaten kein Fortschreiten der Läsionen zu sehen ist. Da es sich bei der Splenose um eine gutartige Erkrankung handelt, ist keine spezifische Therapie erforderlich. Die Ärzte behandeln jedoch die Hepatitis C und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung des Mannes.
Text- und Bildquelle: Föh et al. / Journal of Medical Case Reports
Bildquelle: Mike U / Unsplash