Welche Corona-Regeln sollen ab dem 20. März gelten? Darüber wird seit Wochen gestritten. Jetzt gibt es einen Gesetzentwurf. Und reichlich Kritik: Manche halten den Vorschlag für „grob fahrlässig“.
Von der erhofften Corona-Erleichterung Anfang März fehlt bisher jede Spur. Das Robert Koch-Institut meldet aktuell Fallzahlen in Rekordhöhe. Dennoch: Ab dem 20. März sollen die Corona-Schutzmaßnahmen wie geplant größtenteils aufgehoben werden. Es soll aber Spielräume für die Bundesländer geben. Mit einer Hotspot-Regelung können die Ländern selbstständig darüber entscheiden, verschärfte Regeln zu verhängen.
Dafür muss das Infektionsschutzgesetz erneut angepasst werden. Und die Zeit drängte: Denn nach bisheriger Gesetzeslage laufen die für die Bundesländer möglichen Corona-Maßnahmen in wenigen Tagen am 19. März aus.
An dem Gesetz hatten sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) bis zuletzt die Zähne ausgebissen. Vor allem die FDP sträubte sich gegen zu harte Maßnahmen und pochte auf Lockerungen. Jetzt hat die Ampel-Koalition am Mittwoch (09. März 2022) einen Gesetzentwurf vorgelegt.
Geplant ist, dass über den Stichtag am 20. März hinaus weiter Masken- und Testpflichten in bestimmten Bereichen als Basismaßnahmen greifen können, erklärten Karl Lauterbach und Marco Buschmann am Mittwoch in Berlin. „Wir haben, glaube ich, einen sehr guten Kompromiss gefunden“, äußerte sich Buschmann im ZDF-Morgenmagazin.
Konkret hat sich die Bundesregierung auf ein Paket aus zwei Teilen – den Basisschutz und die Hotspot-Regelungen – geeinigt:
Gesundheitsminister Lauterbach glaubt, mit dem Gesetz ein gutes Instrumentarium an der Hand zu haben, „mit dem die Länder sofort auf neue Ausbrüche oder auf hohe Fallzahlen reagieren können“. Mögliche Sommer- oder Herbstwellen seien mit den Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Und Bundesjustizminister Buschmann betonte, in Regionen ohne hohes Infektionsgeschehen „kehren wir weitestgehend zur Normalität des Lebens zurück“. Alles in allem also der ideale Kompromiss?
Nicht wirklich, finden zahlreiche Kritiker. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Weltärztebunds, kritisiert die neuen Corona-Regeln als unzureichend. „Der ‚Basisschutz‘ ist wirklich nur ein ‚Basisschutz‘ – und damit natürlich besser als gar nichts“, so Montgomery gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Weitergehende, sinnvolle Maßnahmen“ habe die Politik aber „erfolgreich zerredet“.
Harsche Kritik kommt von von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Er hält es angesichts der volatilen Pandemielage für „grob fahrlässig, wenn die Bundesregierung ohne Not wirksame Instrumente für den Notfall aus der Hand gibt.“ In einer Pressemitteilung bemängelt er vor allem, dass die Masken-Pflicht als „sehr effektives Mittel“ im Entwurf an Bedeutung verloren hat.
Auch könnten Länder nicht schnell reagieren, wenn die Fallzahlen in die Höhe schnellen. Sein Vorwurf: Das neue Infektionsschutzgesetz sehe ein „extrem kompliziertes Hotspotkonzept“ vor. Für die Länder sei ein schnelles Eingreifen so kaum möglich, obwohl das der entscheidende Faktor für die erfolgreiche Kontrolle der Pandemie sei.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sieht einige Punkte des Entwurfs ebenfalls skeptisch. Er liefert konkrete Ideen, wie die Pläne nachgebessert werden können „Der Zweiklang aus Basismaßnahmen und Hotspot-Regeln ist im Grundsatz richtig, aber deren Ausgestaltung ist möglicherweise nicht weitreichend genug“, sagte Dahmen der Deutschen Presse-Agentur.
Damit bezieht er sich vor allem auf die Maskenpflicht. Für einen soliden Basisschutz gehöre die Maske auch im Einzelhandel und anderen Innenräumen dazu. „Es wäre wenig konsistent, unter den gegebenen Umständen eine Maskenpflicht im Nahverkehr, aber nicht bei dichtem Gedränge beim Einkaufen zu verhängen.“
Anderen fehlen harte Daten: „Insbesondere müssen die Eingriffsschwellen für die Hotspot-Maßnahmen im Gesetz genau definiert werden“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) der Welt. Sonst könne es zu Missverständnissen und unterschiedlichen Interpretationen kommen.
Die Kritik teilt Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Er fordert Daten zur Belegung von Intensivstationen, „um nicht den Eindruck von Beliebigkeit zu erwecken“.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält insgesamt wenig vom neuen Gesetz. Anders als bei Heimbewohnern sehe die Gesetzesnovelle nichts zum Schutz zuhause lebender Pflegebedürftiger vor, sagte Vorstand Eugen Brysch den Funke-Zeitungen. Sein Fazit: Die Koalition vergesse mit der Gesetzesnovelle Millionen Hilfsbedürftige und ihre Angehörigen.
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