Gerade bei unkomplizierten Harnwegsinfekten muss es nicht immer ein Antibiotikum sein – das sollte inzwischen bekannt sein. Bei all den neuen Wirkstoffen verlieren Ärzte aber manchmal altbewährte Kandidaten aus dem Blick.
Ein Großteil der Frauen mit unkomplizierter Harnwegsinfektion (HWI) wird in der Hausarztpraxis behandelt. Eine HWI ist einer der häufigsten Gründe, warum Frauen ihren Hausarzt aufsuchen. Etwa 80 % der unkomplizierten HWI werden durch Escherichia coli verursacht.
Die Spontanheilungsraten der akuten unkomplizierten Zystitis sind hoch und liegen nach einer Woche bei etwa 30 bis 50 %. Bei der Therapie geht es deshalb im Wesentlichen darum, die klinischen Symptome rascher zum Abklingen zu bringen. In einer Studie von Gágyor et al. wurde der Effekt einer primär symptomatischen Behandlung mit Ibuprofen mit einer sofortigen antibiotischen Behandlung verglichen. Etwa zwei Drittel der Patientinnen mit der rein symptomatischen Behandlung benötigten kein Antibiotikum.
Aus der Gruppe der für die Therapie prinzipiell geeigneten oralen Antibiotika ist die Gefahr für mikrobiologische Kollateralschäden – in Form von Selektion multiresistenter Erreger oder einem erhöhten Risiko für eine Clostridium-difficile-assoziierte Colitis – bei Fluorchinolonen und Cephalosporinen am höchsten. Die Resistenz von Enterobakterien gegenüber Cephalosporinen der dritten Generation, vermittelt durch die Produktion von β-Laktamasen mit erweitertem Spektrum (ESBL), ist ein wachsendes Problem bei E. coli- und Klebsiella pneumoniae-Stämmen.
Zystitis trägt wesentlich zur Antibiotika-Exposition bei ansonsten gesunden Frauen bei, denn etwa eine von zehn Patientinnen hat jedes Jahr mindestens eine Infektion. In den vergangenen Jahrzehnten sind sichere und wirksame Behandlungsmöglichkeiten weniger geworden. Dies ist teilweise auf eine Zunahme von Antibiotikaresistenzen zurückzuführen. Beispielsweise hat die Fluorchinolon-Resistenz in mehreren Ländern weltweit 20 % überschritten. Darüber hinaus wurde auch festgestellt, dass bestimmte Antibiotika eher mit schweren Nebenwirkungen in Verbindung gebracht werden. Beispielsweise wurden vermutete Kardiotoxizität und neuropsychiatrische Erkrankungen mit Fluorchinolonen in Verbindung gebracht. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) empfiehlt aufgrund vermehrter Berichte über seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen, Fluorchinolone bei Harnwegsinfektionen nur dann zu verschreiben, wenn es keine Behandlungsalternativen gibt.
Die aktuelle S3-Leitlinie verstärkt ebenfalls die Empfehlungen gegen den unkritischen Einsatz nicht indizierter Reserveantibiotika. Antibiotika mit schmalerem Spektrum, geringeren Resistenzraten und besser geeigneten Sicherheitsprofilen, wie Nitrofurantoin und Pivmecillinam, rücken bei der Zystitistherapie mehr und mehr in den Fokus.
Für die orale Therapie kommen neben klassischen Antibiotika auch Harnwegstherapeutika wie Methenamin, Cycloserin oder Nitroxolin in Betracht. ESBL-bildende Enterobakterien mit Resistenz gegen Amoxicillin/Clavulansäure oder Sultamicillin, alle Oralcephalosporine, Trimethoprim und Qinolon sind keine Seltenheiten mehr.
Das American College of Physicians, die führende Fachgesellschaft der US-Internisten, spricht sich in einer Leitlinie bei bestimmten häufigen ambulant behandelbaren Infektionen für eine Verkürzung der Antibiotikagabe auf 5 Tage aus. Noch immer ist eine Behandlungsdauer von 10 bis 14 Tagen häufig die Regel, obwohl Studien gezeigt haben, dass die Infektionen häufig bereits unter einer 5-tägigen Behandlung ausheilen.
Die Experten halten die Kurzzeitbehandlung in 4 Indikationen in unkomplizierten Fällen für ausreichend. Die 4. Indikation – neben Bronchitis, Pneunomien und Hautinfektionen –, in der eine 5-tägige Antibiotikabehandlung ausreichen könnte, ist laut den US-Internisten eine unkomplizierte Zystitis oder eine Pyelonephritis. Bei Frauen mit einer unkomplizierten Zystitis könnte sogar eine 3-tägige Behandlung mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol oder eine Einmal-Antibiose mit Fosfomycin ausreichen.
Pivmecillinam ist ein orales Prodrug für die Behandlung von unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Es ist hochaktiv gegen E. coli und andere Enterobakterien, einschließlich ESBL. Es wird häufig als Erstlinien-Therapie eingesetzt. Trotz seiner häufigen und anhaltenden Anwendung wird in den meisten europäischen Ländern eine Resistenz unter häufig vorkommenden gramnegativen Enterobacterales-Uropathogenen mit nur 1–4 % angegeben. In fast 30 Jahren klinischer Anwendung wurden zwischen 1994 und Oktober 2019 außerdem nur 437 Einzelfälle von unerwünschten Ereignissen registriert.
Im Gegensatz zu den Aminopenicillinen (z. B. Amoxicillin) ist Pivmecillinam nur gegen gramnegative Erreger, ausgenommen Pseudomonas, wirksam, dafür auch bei Keimen mit Resistenz gegen andere Betalaktame. Die Kombination mit einem Betalaktamasehemmer (z. B. Mecillinam plus Amoxicillin/Clavulansäure) wirkt synergetisch. Aktuell werden 2–3 x täglich 400 mg empfohlen. Pivmecillinam kann in Schwangerschaft und Stillzeit ohne Einschränkung gegeben werden. Die Verträglichkeit entspricht der anderer Penicilline; Kontraindikation ist eine anaphylaktische Penicillinallergie.
Aufgrund der guten Resistenzsituation ist Pivmecillinam die First-Line-Empfehlung der aktuellen Guidelines zur Therapie der unkomplizierten Zystitis. Weitere Indikationen sind:
Fosfomycin ist wirksam gegen Staphylokokken (nicht S. saprophyticus) und partiell auch gegen Pseudomonas. Fosfomycin hat eine sehr gute In-vitro-Wirksamkeit gegen Enterococcus faecalis und E. faecium. Die typische orale Dosis ist ein 3-Gramm-Granulat; das Trometamol-Ester wird zu ca. 60 % resorbiert. Als kleines Molekül ist Fosfomycin sehr gut gewebegängig und erreicht im Harn anhaltend Wirkspiegel. Bei komplizierten Infekten ist die Mehrfacheinnahme von 3 g alle 2–3 Tage empfohlen. Wird Fosfomycin streng nach Zulassung bei akuter Zystitis nur einmalig genommen, dann ist die Substanz den Vergleichsantibiotika bezüglich klinischer Wirksamkeit leicht unterlegen. Eine einmalige Wiederholung der Dosis nach 48 Stunden erscheint sinnvoll.
Antimikrobielle Medikamente zur Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Mann mit multiresistenten Enterobacterales sind begrenzt. In einer Studie von Bouiller et al. wurde orales Fosfomycin-Trometamol (FT) untersucht. Das Ziel war die Beurteilung der klinischen Heilungsrate bei Patienten mit Harnwegsinfekten, die mit oralem FT behandelt wurden.
In der Entstehung von Resistenzen gegen antimikrobielle Medikamente kann orales FT eine wichtige Rolle bei mehrfach medikamentenresistenten männlichen Harnwegsinfekten spielen. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass das Pharmakon für die Anwendung bei chronischer bakterieller Prostatitis sicher und wirksam sein könnte“, so die Autoren.
Nitrofurantoin ist seit 1952 zugelassen und wird in vielen Guidelines als Mittel der Wahl für die akute unkomplizierte Zystitis empfohlen. Für die bakterizide Wirkung der Substanz sind mehrere Angriffspunkte beschrieben, u. a. die Hemmung der ribosomalen Translation und die Beschädigung der bakteriellen DNA. Nitrofurantoin ist gegen > 90 % der E. coli von Harnwegsinfekten wirksam; bei anderen Enterobakterien kommen Resistenzen vor; gegen Proteus, Serratien und Pseudomonas ist die Substanz unwirksam. Der Arzt sollte den Patienten darauf hinweisen, dass Nitrofurantoin den Harn braun färben kann. Bei eingeschränkter Nierenfunktion (GFR < 40 ml/min) ist die Gabe nicht mehr indiziert.
Indikationen für Nitrofurantoin sind die akute Zystitis, nicht Pyelonephritis oder Harnwegsinfektionen mit Komplikationen, die Prophylaxe rezidivierender Infekte, die postkoitale Prophylaxe und die Sanierung der asymptomatischen Bakteriurie vor urologischer Instrumentation. Die empfohlene Dosierung für den akuten Infekt ist 2 x 100 mg/Tag für 5–7 Tage, die prophylaktische Dosis liegt bei 50–100 mg pro Tag.
In Studien und Metaanalysen erwies sich Nitrofurantoin in der Behandlung unkomplizierter Infekte und auch in der Prophylaxe rezidivierender Harnwegsinfekte als vergleichbar mit anderen Antibiotika, sowohl was die Wirksamkeit als auch Verträglichkeit betrifft. Lungentoxizität ist die bekannteste schwere Komplikation, gerade in Kombination mit Methotrexat, die akut, subakut und chronisch auftreten kann.
Nitroxolin ist seit 1967 auf dem Markt und wirkt als Antiinfektivum gegen Bakterien und Pilze. Es hat ein sehr breites Wirkspektrum, das grampositive Erreger inklusive MRSA, viele uropathogene Enterobakterien – inklusive solche mit Resistenz gegen Carbapeneme – sowie Candida spp. umfasst. Die aktuelle Resistenzlage ist trotz Verwendung seit Jahrzehnten sehr gut, mit > 90 % Wirksamkeit bei E. coli und den anderen Uropathogenen. Die Wirksamkeit ist multifaktoriell, es wirkt durch die Hemmung der RNA-Polymerase und eliminiert den infektassoziierten Biofilm vieler Erreger.
Diskutiert wird auch die Möglichkeit einer MRSA-Eradikation aus dem Biofilm der Harnwege sowie eine Inaktivierung von ß-Lactamasen. In Metaanalysen konnten für unkomplizierte Zystitis Ansprechraten von 90 % gezeigt werden, daher wurde die Substanz auch in die aktuellen S3-Leitlinen als erste Wahl für die empirische Therapie der unkomplizierten Zystitis aufgenommen.
Wir merken: Neu ist nicht immer besser. Bei der Wahl eines Antibiotikums gegen unkomplizierte Harnweginfektionen sollte auch an bewährte Substanzen gedacht werden.
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