Dieses Jahr sind sie besonders früh dran – die lästigen Pollen. Selbst Profis verlieren bei der Therapie schnell den Überblick. Denn zwischen echter Abhilfe und Nullnummern gibt es auch bei allergischer Rhinitis himmelweite Unterschiede.
Sie fliegen wieder – die Pollen. Heuschnupfenkranke haben dieses Jahr nicht einmal bis zum Frühling Ruhe, der Deutsche Wetterdienst warnt schon jetzt vor Hasel und Erle. Als nächstes werden Pappel, Weide, Esche und vor allem Birke aktiv.
Auf dem Markt existieren die abenteuerlichsten „Hilfen“ gegen Pollen. Nasentampons, Ozongeräte, Pollenschutzcremes, die die Schleimhäute versiegeln. Es geht nicht schlimmer? Doch! Eine App lässt das Handy in einer bestimmten Frequenz vibrieren, die die Boten der Pollinose vertreibt. Einfach unter die Nasen halten und die Umgebung ist pollenfrei – so das Versprechen. Erfreuliches Gegenbeispiel: Apps, die den Allergiker vor „seinen“ Pollen warnen, sind tatsächlich sinnvoll.
Eine Allergieprävention beginnt im besten Fall sehr früh, optimal geht's direkt nach der Geburt los. Besonders wenn beide Elternteile Atopiker sind, ist das Risiko, dass das Kind Allergiker ist, sehr groß. Die Leitlinie Allergieprävention, die dieses Jahr aktualisiert werden soll, gibt klare Empfehlungen:
Das Update der S3-Leitlinie zur Allergieprävention beinhaltet, unter anderem, Richtlinien zur Haustierhaltung:
In der aktualisierten Leitlinie wird von Prä- und Probiotika zur Allergieprävention bei Schwangeren oder Säuglingen abgeraten. Diese Empfehlung beruhe auch darauf, dass Probiotika nicht nur harmlos sind, sie könnten eine Sepsis bei immunkompromittierten Patienten verursachen und beinhalten die Gefahr einer plasmidübertragenen Antibiotikaresistenz, wenn sie ungebremst eingesetzt werden.
Eine allergische Rhinitis (AR) ist eine atopische Erkrankung, die durch Symptome wie verstopfte Nase, klare Rhinorrhoe, Niesen, postnasales Tropfen und Juckreiz in der Nase gekennzeichnet sind. Auch der Rachen und das Ohrinnere können quälend jucken.
In der Vergangenheit wurde angenommen, dass AR allein ein Krankheitsprozess der nasalen Atemwege ist. Die Entwicklung der Unified Airway Theory hat AR dagegen als eine Komponente der systemischen allergischen Reaktion klassifiziert. Neben Heuschupfen gehören auch Asthma und Neurodermitis zum atopischen Formenkreis.
Eine AR kann entweder als saisonal (intermittierend) oder chronisch (perennierend) klassifiziert werden. 20 % der Fälle sind saisonal, 40 % perennierend und 40 % tragen Merkmale von beiden. Zusätzlich zu den nasalen Symptomen können Patienten mit AR auch eine assoziierte allergische Konjunktivitis, unproduktiven Husten, Dysfunktion der eustachischen Röhre und chronische Sinusitis entwickeln.
Die allergische Reaktion wird in Früh- und Spätphasenreaktionen eingeteilt. In der frühen Phase ist die allergische Rhinitis eine Immunglobulin (Ig)E-vermittelte Reaktion gegen inhalierte Allergene, die eine Entzündung verursachen, die von Typ-2-Helferzellen getriggert wird. Die erste Reaktion tritt innerhalb von 5–15 Minuten nach Kontakt mit einem Antigen auf, was zur Degranulation der Mastzellen führt. Dadurch wird eine Vielzahl vorhandener und neu synthetisierter Mediatoren freigesetzt, darunter Histamin. Dies löst über den Trigeminusnerv das Niesen aus und spielt auch bei Rhinorrhoe eine Rolle, indem es die Schleimdrüsen stimuliert.
Andere Immunmediatoren wie Leukotriene und Prostaglandine sind ebenfalls beteiligt, da sie auf Blutgefäße einwirken und eine verstopfte Nase verursachen. 4–6 Stunden nach der anfänglichen Reaktion kommt es zu einem Einstrom von Zytokinen wie Interleukinen (IL-4 und IL-13) aus Mastzellen, was die Entwicklung der Spätphasenreaktion anzeigt. Diese Zytokine wiederum erleichtern die Infiltration von T-Lymphozyten.
Eine nicht-IgE-vermittelte Hyperreagibilität kann sich aufgrund einer eosinophilen Infiltration der Nasenschleimhaut entwickeln. Die Nasenschleimhaut reagiert jetzt hyperreaktiv auf normale Reize (wie Tabakrauch, kalte Luft) und verursacht Symptome wie Niesen, Rhinorrhoe und Nasenjucken.
Es gibt Daten, die auf eine genetische Komponente der allergischen Rhinitis hindeuten, aber qualitativ hochwertige Studien fehlen im Allgemeinen. Eineiige Zwillinge zeigen eine Übereinstimmung von 45 % bis 60 % und zweieiige Zwillinge haben eine Übereinstimmungsrate von ungefähr 25 % in der Entwicklung von AR. Eine systematische Überprüfung aus dem Jahr 2018 schätzte, dass 3,6 % der Erwachsenen aufgrund von allergischer Rhinitis arbeitsunfähig waren und 36 % eine beeinträchtigte Arbeitsleistung hatten.
Zu den pharmakologischen Optionen gehören Antihistaminika für die orale, nasale oder occulare Anwendung, intranasale Steroide, Mastzellstabilisatoren, Leukotrienrezeptorantagonisten und die Immuntherapie. Eine detaillierte Auflistung gibt die Leitlinie zu allergischen Rhinosinusitis.
Zu den Antihistaminika der ersten Generation gehören Diphenhydramin, Chlorpheniramin und Hydroxyzin, während Azelastin, Fexofenadin, Loratadin, Desloratadin und Cetirizin Beispiele für Antihistaminika der zweiten Generation sind. Sowohl Antihistaminika der ersten, als auch der zweiten Generation sind wirksam bei der Kontrolle der Symptome von AR.
Antihistaminika der ersten Generation können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und mehr oder weniger sedierend wirken. Diese Mittel wirken auch auf cholinerge Muskarinrezeptoren und verursachen Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Harnverhalt, Verstopfung und/oder Tachykardie. Antihistaminika der zweiten Generation haben eine verbesserte H1-Selektivität, sind weniger sedierend und haben längere Halbwertszeiten (12 bis 24 Stunden) als die der ersten Generation. Fexofenadin hat keine sedierende Wirkung, Loratadin und Desloratadin können in höheren Dosen sedierend wirken. Cetirizin hat von allen Antihistaminika der zweiten Generation das größte Potenzial zur Sedierung.
Intranasale Antihistaminika wie Azelastin wirken schnell und sind bei der Linderung nasaler Symptome wirksamer als orale Antihistaminika, so ein internationales Konsensusstatement. Azelastin ist sozusagen die Eier legende Wollmilchsau unter den Antihistaminika. Es wirkt rasch, antihistaminisch, membranstabilisierend, abschwellend, antientzündlich und bildet somit eine eigene Klasse in der Gruppe der Antihistaminika der zweiten Generation. Es wird als Nasenspray oder Augentropfen zur Behandlung von allergischer Rhinitis eingesetzt.
Im Vergleich zu systemischen Antihistaminika verursacht Azelastin aufgrund lokaler Wirkungen mit geringer systemischer Bioverfügbarkeit weniger anticholinerge Komplikationen wie Verstopfung und Mundtrockenheit bei Patienten. In einer früheren Studie hat Azelastin-Spray die Wirksamkeit bei der Reduzierung von entzündlichen Zytokinen gezeigt. Gut kontrollierte Studien an Patienten mit saisonaler allergischer Rhinitis, ganzjähriger Rhinitis oder vasomotorischer Rhinitis bestätigen, dass Azelastin-Nasenspray einen schnellen Wirkungseintritt hat und die mit Rhinitis verbundenen nasalen Symptome – wie verstopfte Nase und postnatale Symptome – verbessert.
Im Gegensatz zu den meisten oralen Antihistaminika ist Azelastin-Nasenspray wirksam bei der Linderung einer verstopften Nase, ein besonders lästiges Symptom für Rhinitis-Betroffene. Azelastin-Nasenspray wird sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern mit AR gut vertragen. Es wurde gezeigt, dass die Antihistaminika Mepyramin und Azelastin die Hemmung der NF-κB-Aktivität durch Dexamethason in-vitro auf einem IL-6-Promotor-gesteuerten Luciferase-Reporter potenzieren. In einer Studie von Zappia et al. wurde gezeigt, dass eine Azelastin-Therapie die Beschwerden deutlich stärker besserte als Placebo, Cetirizin und Loratadin.
Eine Monotherapie mit nasalem Corticoid allein ist der Kombination aus nasalem Corticoid mit oralem Antihistaminikum vorzuziehen, so hingegen die Empfehlung der US-amerikanischen Leitlinie. Sie beschreibt die Kombination in der Praxis aber immer noch als üblich, weil ältere Leitlinien einen möglichen Zusatznutzen bei bestimmten Symptomen sahen.
Kortikoide haben bei Laien keinen guten Ruf. Die Nebenwirkungen, die bei längerfristiger oraler Einnahme entstehen, lassen sich jedoch keinesfalls auf eine nasale Applikation übertragen. In Deutschland werden überwiegend Mometason und Fluticason als lokale Steroide eingesetzt.
Fluticasonfuroat ist ein topisches Kortikosteroid mit starker entzündungshemmender Wirkung und geringer systemischer Resorption. Es hat Wirkungen auf mehrere Zelltypen wie Mastzellen, Eosinophile, Neutrophile, Makrophagen und Lymphozyten sowie Entzündungsmediatoren wie Histamin, Eicosanoide, Leukotriene und Zytokine. Um ihre entzündungshemmende Wirkung auszuüben, binden Glukokortikoide an den Glukokortikoidrezeptor und regulieren die Genexpression positiv oder negativ, indem sie an Promotorregionen von Zielgenen binden.
Mastzellstabilisatoren wie Natriumcromoglicat oder Nedocromil sind in der Lage, die calciumabhängige Membran einer intakten Mastzelle zu stabilisieren. Sie wirken schwächer als Antihistaminika und haben eine verzögerte Wirkung. Die Substanzgruppe kann in der Schwangerschaft und Stillzeit bedenkenlos angewendet werden. Eine Entscheidungshilfe zur Therapie findet man in der US-Leitlinie.
Nasale Gluco-corticoide
Orale Anti-histaminika
Nasale Anti-histaminika
Obstruktion
+++
+
++
Rhinorrhoe
Niesen
Nasaler Juckreiz
Milde Symptome
Schwere Symptome
Nein
Von Israel et al. wurde eine zweiarmige, randomisierte, kontrollierte, explorative Studie durchgeführt, um die Wirkungen selbst verabreichter Akupressur über 4 Wochen an fünf Akupunkturpunkten im Vergleich zu oralem Cetirizin zu untersuchen. Neben anderen Ergebnisparametern wurden die krankheitsbezogene Lebensqualität und die gesamten Allergie-Symptome anhand einer visuellen Analogskala (VAS) nach 4 und 8 Wochen bewertet.
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass selbst angewendete Akupressur geeignet ist, die krankheitsspezifische Lebensqualität zu verbessern und krankheitsbedingte Symptome sowie die Einnahme antiallergischer Medikamente bei saisonaler AR zu reduzieren. In Zukunft werden qualitativ hochwertige Bestätigungsstudien einschließlich einer Scheinkontrollgruppe benötigt, so die Autoren.
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