Eine neue Therapie von Mastzelltumoren beim Hund klingt fast schon zu schön, um wahr zu sein: Remission durch Injektion. Was dahinter steckt, erklärt Tierärztin Katja Krummel.
Den Tumor wegspritzen – das klingt für unsere Hundebesitzer nach der Diagnose Mastzelltumor natürlich erst mal wie ein Traum: Die Tierärztin injiziert eine Substanz in den Tumor und nach vier Wochen – tadaaa – ist er weg. Ganz so einfach ist es dann leider doch nicht. Aber welche Möglichkeiten stecken nun wirklich hinter dieser neuen Behandlungsmethode? Wir holen etwas weiter aus.
Konfrontiert mit der Diagnose „Mastzelltumor“ stehen unterschiedliche Behandlungsmethoden zur Verfügung. Welche von ihnen man wählt, hängt von mehreren Faktoren ab: dem Staging des Tumors, der Lokalisation und eventuellen Vorerkrankungen des Patienten, um nur einige zu nennen.
Die klassische Herangehensweise ist natürlich die chirurgische Exzision. Je nach Lokalisation kann es sich aber schwierig bis unmöglich gestalten, die geforderten 2-3cm zum Tumorrand einzuhalten.
Mastzelltumoren (MZT) sprechen auch gut auf Bestrahlung an. Sehr oft scheitert dies aber an der Verfügbarkeit dieser Behandlungsmethode.
In Kombination mit Chirurgie kann Chemotherapie (Vinblastin, Lomustin plus Prednisolon) oft erfolgreich angewandt werden. Seit etwa 10 Jahren stehen zudem mit Toceranib und Mastinib zwei Tyrosinkinasehemmer zur Verfügung. Sie blockeren selektiv den Tyrosinkinaserezeptor von Mastzellen und finden vor allem bei high grade und metastasierenden Formen der MZT Anwendung.
Und dann gibt es noch Tigilanoltiglat. Dieser Wirksoff, ursprünglich aus einem australischen Wolfsmilchgewächs, wird in den MZT injiziert. Dort stimuliert er die Proteinkinase C (PKC). Das wiederum führt zu einer erheblichen lokalen Entzündung mit nachfolgendem Verlust der Zellintegrität, Zerstörung der Blutgefäße und Nekrose des Tumors. Die Überreste werden vom Körper abgestoßen. Danach bildet sich neues Granulationsgewebe, die Wunde epithelisiert und nach 4-6 Wochen ist alles wieder gut.
Was hier so einfach klingt, ist in der Realität ein wenig komplizierter.
Die Zulassung beschränkt sich im Moment auf nicht-metastasierende, intrakutane solitäre MZT bzw. solche, welche subkutan und distal von Ellenbogengelenk oder Tarsalgelenk liegen. Maximale Größe: 8 Kubikzentimeter.
Bevor die Injektion erfolgen kann, ist also gerade im Falle von high grade MZT ggf. eine umfangreiche Vordiagnostik nötig, um eine Metastasierung auszuschließen; eine Zytologie der nahegelegenen Lymphknoten sollte das Mindeste sein.
Ganz eindeutig ausgeschlossen werden kann offenbar nicht, dass sich der Wirkstoff im Körper zu einem gewissen Grad verteilt; auch andere Tumoren könnten so theoretisch der Nekrose anheimfallen. Nur, dass dies dort zur Entzündung des genzen Kompartiments führen könnte, da keine Möglichkeit zur Drainage besteht.
Die extreme lokale Reizwirkung des Präparates ist nicht zu unterschätzen. Deshalb sollte der Tumor auch eine unverletzte Oberfläche haben, um ein versehentliches Auslaufen des Wirkstoffes zu vermeiden und bei der Injektion ist ein Luer Lock Ansatz der Spritze und entsprechende Sicherheitmaßnahmen beim Anwender (Schutzbrille, Handschuhe) empfohlen.
Induktion einer Nekrose: Man kann sich vorstellen, dass der Heilungsverlauf gerade in den ersten ein bis zwei Wochen wirklich nicht schön aussieht: Die Wundflächen sind teilweise um ein Mehrfaches größer als der Tumor, es kommt, wie bei nekrotischen Prozessen, zu manchmal erheblichen Mengen – manchmal übelriechender – Absonderungen und der Heilungsprozess dauert einige Wochen.
Darauf muss der Tierbesitzer unbedingt intensiv vorbereitet werden. Und trotz der Vorbereitung der Besitzer wird es sicher einige unter ihnen geben, die trotzdem ziemlich geschockt reagieren, wenn sie diese Art Wunden live und in Farbe vor sich sehen.
Dazu kommt: Die Granula der Mastzellen enthalten Histamine und Heparin. Die Injektion von Tigilanoltiglat kann zu einer Degranulation führen. Dabei kommt es zur Freisetzung dieser Stoffe. Das führt nicht nur zu lokalen Ödemen, auch systemische Auswirkungen sind möglich. Zu nennen wären hier (blutiges) Erbrechen, Magenulzera und Durchfall, aber auch Kreislaufschock und Atemnot können auftreten. Aus diesem Grund wird auch eine Begleitbehandlung empfohlen. Beginnend mit Prednisolon, Start 2 Tage vor der Injektion mit 0,5 mg/kg zweimal täglich. Dann, ab dem Tag der Injektion, H1 und H2-Blocker. Beides bis 7 Tage nach der Injektion.
Aus diesem Grund wird empfohlen, Tigilanoltiglat nur bei ansonsten gesunden Patienten anzuwenden. Das schränkt natürlich unsere Behandlungsmöglichkeiten ein. Der multimorbide Patient, der aufgrund seiner mangelnden Narkosefähigkeit nicht operiert werden kann, fällt damit aus unserer möglichen Patientenliste raus.
Immerhin 75% der behandelten Hunde sprachen aber schon bei der ersten Injektion auf das Medikament an – der Tumor verschwand komplett. Bei Nichtansprechen ist nach 4 Wochen eine weitere Injektion möglich, nach dieser reagierten wiederum die Hälfte der verbleibenden MZT wie gewünscht mit einem Absterben, so dass wir bei einer Gesamtansprechrate von 88 % sind. Das ist schon ordentlich.
Das Fazit deshalb für mich: Tigilanoltiglat ist eine vielversprechende Option vor allem für MZT, die an chirurgisch ungünstigen Stellen liegen, wie Beispielsweise den Zehen oder auch für sehr kleine Exemplare, wenn die Besitzer keine Narkose wünschen. Möglich, dass ich meine Indikationsliste erweitere, sobald mehr Fallstudien und damit auch mehr Informationen über die möglichen Nebenwirkungen verfügbar sind. Die gute alte Chirurgie hat also vorerst auch mit dieser neuen – zugegeben faszinierenden – Option nicht ausgedient.
Quellen
Kleintier Konkret, Ausgabe 2/2021: Mastzelltumoren der Haut beim Hund – erste Erfahrungen zum Einsatz von Tigilanoltiglat, Meike Horn
Https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/stelfonta-epar-product-information_de.pdf
Bildquelle: Dominik QN, Unsplash