Ein Doktortitel und fachliche Kompetenz sind leider nicht genug, um von manchen Patienten als Arzt gesehen zu werden. Jedenfalls dann, wenn man nicht mindestens vierzig Jahre alt und männlich ist. Wann ändert sich das?
Frau Täuble ist besorgt, denn ihr Liebling hat Durchfall. „Morgens höre ich Bennis Bauch immer ganz laut gluckern. Das kann ja nicht normal sein“, erklärt sie mir. Benni ist ein kleiner, etwas älterer Mischlingsrüde mit zerzaustem Fell. Etwas übergewichtig und sehr verschmust. Er schaut mich unglücklich an, während Frau Täuble ihn auf dem Behandlungstisch beschwichtigend krault. Und in der Tat – auch ich habe Bennis verstärkte Darmperistaltik bei der Auskultation hören können, sein Bauch war ebenfalls angespannt.
„Dann nehmen Sie doch gerade mit Benni nochmal draußen Platz, während ich mir seine Kotprobe anschaue“, bitte ich Frau Täuble.
„Aber – kommt der Herr Doktor denn noch, um ihn zu untersuchen?“, fragt sie kritisch.
Ich könnte schwören, jede junge Medizinerin kennt diese Situationen in den ersten Jahren in der Praxis. Da bemüht man sich, man stellt sich vor, man untersucht besonders gründlich und führt eine detaillierte Anamnese durch. Herrgott – man trägt sogar ein weißes Polohemd, inklusive Namensschild und Stethoskop um den Hals. Und trotzdem wird man von vielen Patienten (Besitzern) nicht als (Tier-) Arzt wahrgenommen. Auch von Freundinnen aus der Humanmedizin habe ich das schon öfter gehört.
Und selbst wenn man als Medizinerin gesehen wird, hatte ich nicht nur einmal das Gefühl, dass die Leute bei jungen Ärztinnen manchmal Schwierigkeiten haben, sie ernst zu nehmen.
Einmal hatte ich einen Südamerikaner mit seiner Tochter im Behandlungszimmer sitzen. Ihr Hund war zum Impfen bei mir. Der Vater sprach nur gebrochen Deutsch, seine Tochter übernahm die meiste Zeit das Gespräch mit mir. Untereinander sprachen sie Spanisch. Da die Tochter sehr souverän war, sah ich es nicht als notwendig an, ihnen zu sagen, dass ich auch Spanisch spreche. Ich sitze also da und gebe gerade die Impfung in unser Abrechnungssystem ein, da fragt der Vater seine Tochter auf Spanisch: „Die Ärztin ist ja recht dünn – was glaubst du, wiegt sie?“
Ich bin fast vom Stuhl gefallen. Zum Glück saß ich gerade mit dem Rücken zu den beiden. Ich gebe die Behandlung also bis zum Ende ein und drehe mich schließlich für die Verabschiedung nochmal zu den beiden. „Wir sehen uns dann für die nächste Impfung nochmal in vier Wochen“, sagte ich zur Tochter auf Deutsch – und dann auf Spanisch zum Vater: „Ich weiß nicht, warum Sie mein Gewicht so sehr interessiert. Wie viel wiegen Sie denn so?“ Der hat ganz schön geguckt. Wenigstens schien es ihm ziemlich unangenehm zu sein. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihn das Gewicht meines Chefs ebenso interessiert hätte.
Wie sieht es bei euch aus – habt ihr ähnliche Situationen in Praxen oder Kliniken erlebt?
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