Kinder scheinen vor einer Corona-Infektion nicht so gut geschützt zu sein wie gedacht. Auch Long Covid spielt bei ihnen eine größere Rolle. Woran liegt's?
Sind Kinder besser geschützt vor COVID-19? Zumindest gibt es mehr und mehr Hinweise, dass Kinder eine stärkere initiale Immunantwort gegen COVID-19 aufweisen und die Infektion schneller überwinden als Erwachsene. Eine australische Studie zeigt: Kinder, die mit SARS-CoV-2 infiziert wurden, produzieren seltener Antikörper gegen das Virus – obwohl sie ähnliche Symptome und Viruslasten wie Erwachsene aufweisen. Antikörper sind aber wichtig, um Reinfektionen zu verhindern. Die eigentliche Frage lautet also: Wie gut sind Kinder gegen zukünftige Infektionen geschützt?
In der kürzlich veröffentlichten Studie untersuchten Forscher die SARS-CoV-2-spezifische Antikörperantwort, sowie die T- und B-Zellantwort in 52 Kindern mit einem Durchschnittsalter von 4 Jahren. Als Vergleich wurden ebenfalls die Daten von 51 Erwachsenen mittleren Alters erhoben. Alle Teilnehmer wurden zuvor positiv auf das Virus getestet und hatten leichte Symptome bis keine. Obwohl alle Probanden eine ähnliche Viruslast aufwiesen, produzierten lediglich 37 % der Kinder SARS-CoV-2-Antikörper, verglichen mit 76 % der Erwachsenen. Allerdings beziehen sich die Ergebnisse noch auf das ursprüngliche Wuhan-Virus – Delta und Omikron verursachen höhere Viruslasten. Möglicherweise kann es daher auch zu höheren Serokonversionsraten in Kindern kommen, folgern die Autoren.
Diese Studie geht mit früheren Ergebnissen d'accord: So wurden bereits unterschiedliche Antikörperreaktionen bei Kindern und Erwachsenen festgestellt. Demnach produzieren Erwachsene ein breiteres Spektrum an SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern – auch mehr neutralisierende Antikörper – nach einer durchgemachten Infektion als Kinder. „Eine verringerte Wahrscheinlichkeit einer Serokonversion kann dazu führen, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen langfristig weniger vor SARS-CoV-2-Infektionen geschützt sind“, erklären die Autoren.
Eine Erklärung für die niedrigeren Titer könnte eine stärkere angeborene Immunantwort im Vergleich zu Erwachsenen sein. Sie wirkt unspezifisch und richtet sich erstmal generell gegen Krankheitserreger. Prof. Donna Farber, Immunologin an der Columbia University in New York City, USA, geht davon aus, dass Kinder auch dort besser auf Infektionen reagieren, wo sie in den Körper gelangen – beispielsweise im Nasen-Rachen-Raum. Das bedeutet, dass der Körper das Virus schnell beseitigt und es nicht „herumhängt“, um die adaptive Reaktion auszulösen, die für die Antikörperproduktion verantwortlich ist.
Andere Studien bestärken diese Annahmen und konnten zeigen: Kinder reagieren stärker und schneller auf eine Infektion, wobei das angeborene Immunsystem eine wesentliche Rolle spielt.
Außerdem konnten die australischen Forscher feststellen, dass die SARS-CoV-2-Infektion bei Erwachsenen zu einer Veränderung der zellulären Immunprofile führte; während bei den Kindern – mit Ausnahme von Übergangs-B-Zellen – keine solchen Veränderungen beobachtet werden konnten. Darüber hinaus fanden sie niedrigere Konzentrationen bestimmter Klassen von Antikörper-produzierenden Gedächtnis-B- und T-Zellen in den Kindern. Das deute wiederum darauf hin, dass Kinder weniger eine gezielte adaptive Immunantwort entwickeln. „Zusammenfassend deuten unsere Ergebnisse auf einen unterschiedlichen Infektionsverlauf und eine unterschiedliche Immunantwort bei Kindern hin“, heißt es.
Auch wenn die australische Forschergruppe die weniger starke adaptive Immunantwort der Kinder als Risiko einer erneuten Infektion ansehen, reichen die Daten noch nicht aus, um ein definitives Fazit zu ziehen – insbesondere da sich die aktuellen Studien zu Kindern vermehrt auf die ursprüngliche SARS-CoV-2-Variante beziehen.
Fehlende Daten sprechen mittlerweile Bände: Auch Kinder können nach einer durchgemachten COVID-19-Erkrankung an Long Covid leiden – allerdings ist die Datenlage zur jüngeren Altersgruppe wesentlich lückenhafter. Das wenige, was wir über Long Covid bei Kindern und Jugendlichen wissen, deutet auf eine ähnliche Einschränkung wie bei Erwachsenen hin. Jedoch gibt es viel weniger Studien zu Jugendlichen als zu Erwachsenen – bei Kindern unter 11 Jahren sind es noch weniger. Gerade diese Gruppe macht einen Anstieg an COVID-19-Infektionen durch, auch weil in vielen Ländern Kinder nicht geimpft werden. Erhöhte Inzidenzen in dieser Altersgruppe werden zwangsläufig zu mehr Long Covid-Fällen unter Kindern führen.
Die meisten Long Covid Studien zu Kindern wurden an hospitalisierten Patienten durchgeführt. Die kürzlich veröffentlichte CloCk-Studie untersuchte beispielsweise Post Covid-Symptome bei nicht-hospitalisierten Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren. Dazu verglichen sie eine Gruppe aus etwa 6.800 Probanden, die entweder SARS-CoV-2-positiv oder -negativ getestet wurden. Zwar berichteten sowohl negativ als auch positiv getestete Probanden über ähnliche Symptome, allerdings wiesen die Personen mit positivem Testergebnis zum Zeitpunkt des PCR-Nachweises und 3 Monate später eine höhere Prävalenz – fast doppelt so häufig – einzelner und insbesondere multipler Symptome auf.
In der CloCk-Studie wird davon ausgegangen, dass zehntausende Kinder und Jugendliche in Großbritannien von Long Covid betroffen sein könnten. Dies stimmt auch mit einer Schätzung des UK Office for National Statistics überein, die einen vierwöchigen Zeitraum bis zum 31. Januar 2022 umfasst: Demnach seien 24.512 Kinder zwischen 2 und 11 Jahren von Long Covid betroffen und 21.213 im Alter von 12 bis 16 Jahren. Ein weiteres Review berichtet von einer geschätzten Prävalenz von 4 % bis zu 66 % bei Kindern und Jugendlichen. Demnach variieren die Ergebnisse erheblich abhängig davon, wer in die Studie eingeschlossen wurde und wie sie erhoben wurde.
Neben Long Covid besteht bei Kindern nach einer COVID-19-Infektion auch die erhöhte Gefahr an MIS-C (Multisystem inflammatory syndrome in children) bzw. PIMS (Pediatric inflammatory multisystemic syndrome) zu erkranken. „Betroffene Kinder leiden u.a. an hohem Fieber, Schmerzen, Erbrechen, Ausschlag und Müdigkeit“, schreibt das RKI. „MIS-C oder auch PIMS stellen ein hochakutes Krankheitsbild, überwiegend innerhalb von vier Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion, dar.“ Allerdings gehören diese Symptome durch den zeitlichen Kontext nicht zum Krankheitsbild Long bzw. Post Covid.
Das lückenhafte Bild der Datenlage zu COVID-19 und Kindern spiegelt sich auch in der Behandlung wider: Zunächst werden in klinischen Studien Erwachsene getestet, dann erst Kinder – ähnlich wie es bei den Impfungen gegen COVID-19 zu sehen war. Natürlich ist es schwieriger Daten in besonders jungen Altersgruppen zu generieren und es gibt durchaus berechtige Herausforderungen. Dennoch ist es wichtig, auch die Jugend nicht zu vergessen, insbesondere vor dem Hintergrund bevorstehender bzw. bestehender Hürden für das Gesundheitssystem. Denn auch Kinder können Langzeitfolgen durch eine COVID-19-Erkrankung erleiden; aktuelle Studien weisen außerdem auf eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Reinfektion hin – daher sollten gerade auch Jüngere als schützenswert gelten.
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