Mit der Entdeckung einer epigenetischen Uhr konnten Forscher nachweisen, dass eine kombinierte Hormonersatztherapie bei Frauen nach der Menopause die epitheliale Zellalterung verlangsamt. Doch es gibt einen Haken.
Durch sinkende Östrogenspiegel können Frauen nach den Wechseljahren an Symptomen wie Hitzewallungen, Verstimmungen, Schlafstörungen und Knochenschwund leiden. Eine Hormonersatztherapie (HET) kann diese Symptome lindern und dazu beitragen, die langfristigen Gesundheitsbelastungen der Menopause zu verringern. Unter anderem kann HET auch Krankheiten wie Osteoporose oder Darmkrebs vorbeugen oder – wie erste Studien zeigen – die COVID-19-Sterblichkeit reduzieren.
Die Wissenschaftler um Martin Widschwendter konnten nun nachweisen, dass bei einer kombinierten HET mit Progesteron und Östrogen die Alterung von Epithelzellen nach der Menopause verlangsamt wird. „Dieser Vorteil wurde allerdings nicht bei Frauen mit Brustkrebs beobachtet. Ihre Zellen alterten in derselben Geschwindigkeit wie bei Frauen, die sich keiner HET unterzogen“, erklärt Widschwendter.
Erklär-Video zum Paper (sollte das Video nicht angezeigt werden, bitte Seite neu laden)
„Es ist noch nicht ganz klar, weshalb kombinierte HET die Zellalterung bei Frauen mit Brustkrebs nicht verlangsamt. Durch weitere Forschung könnten wir aber bald in der Lage sein, anhand von epigenetischen Uhren festzustellen, welche Frauen von einer verlangsamten Zellalterung bei einer kombinierten Hormonersatztherapie profitieren und wie wir gesundheitserhaltende Maβnahmen individuell anpassen können.“
Die Erkenntnisse der Forschungsgruppe wurden durch ihre Entdeckung einer epigenetischer Uhr ermöglicht, der sogenannten WID-REA-Uhr. Sie kann den Alterungsprozess von Epithelzellen anhand von Proben einer Gebärmutterhalskrebs-Vorsorgeuntersuchung oder eines Mundschleimhaut-Abstrichs messen.
Bei einer epigenetischen Uhr handelt es sich um einen molekularbiologischen Test, der Markierungen an der DNA untersucht. Diese DNA-Methylierung entstehen im Laufe des Alterungsprozesses und werden durch Umwelt und Lebensstil zusätzlich geprägt. Sie haben einen großen Einfluss darauf, wie DNA ausgelesen und welche Funktionen Zellen erfüllen können. Anhand von epigenetischen Uhren kann die Alterung von Zellen bestimmt und damit das Alter einer Person auf wenige Jahre genau abgeschätzt werden. Die Geschwindigkeit der Zellalterung steht in Verbindung mit einem erhöhten Risiko und einer erhöhten Mortalität durch bestimmte Krankheiten, einschließlich Krebs.
„Die aktuelle Studie zeigt das enorme Potenzial epigenetischer Uhren als Informationsquelle für unser biologisches Alter“, sagt auch Chiara Herzog. Die Molekularmedizinerin ist eine der Erstautorinnen der Studie und forscht am EUTOPS Institut der Universität Innsbruck. „Es wird besonders interessant, die Alterung individueller Zellarten bei weiteren Erkrankungen zu erforschen, und auch zu untersuchen, wie einem vorzeitigen Alterungsprozess gegengesteuert werden könnte.”
Das Forschungsteam bewertete für die Studie über 2.000 Proben. Wie Brustzellen sind Zellen des Gebärmutterhalses epithelial und hormonabhängig, allerdings sind letztere leichter zugänglich. Gebärmutterhalsabstriche werden regelmäßig von den Gynäkologen zu Vorsorgeuntersuchungen abgenommen. Für die klinische Anwendung dieses Alterungstests sind weitere umfassende Studien in einer Zusammenarbeit von Frauen, niedergelassenen Gynäkologen und Wissenschaftlern äußerst wichtig.
„Aktuelle Studien aus England und Amerika bestätigen sehr deutlich, dass Strategien, welche den Alterungsprozess verlangsamen, wesentlich effektiver sind, als Maβnahmen die darauf abzielen, Krankheiten zu heilen. Als Gynäkologen brauchen wir deshalb Tests, die es uns ermöglichen, Alterungsprozesse zu messen und Anti-Aging-Strategien – wie zum Beispiel Hormonersatztherapie, aber auch Bewegung und Ernährung – individuell an die Bedürfnisse jeder Frau anzupassen. Dieser neu entwickelte Test kann einen sehr wesentlichen Beitrag zu einer modernen präventiven Medizin leisten“, sagt Dr. Michael Hubalek, niedergelassener Gynäkologe in Schwaz.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Innsbruck. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: amirali mirhashemian, Unsplash