Bisherige Versuche, die Pille für den Mann zu entwickeln, scheiterten unter anderem an den Nebenwirkungen. Forscher haben jetzt einen Weg gefunden, der auch ohne Beschwerden für den Patienten funktionieren könnte.
Während für Frauen unzählige Verhütungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, sieht es mit Angeboten für Männer dünn aus. Mit Kondomen oder einer Vasektomie als kleinem operativen Eingriff stehen dem modernen Mann lediglich zwei Methoden der Verhütung zur Verfügung – letztere durchaus nicht immer reversibel.
Forscher stellten auf einer Tagung der American Chemical Society nun ihre Ergebnisse zu einem neuen, nicht-hormonellen Verhütungsmittel vor. Dieses konnte, gab man es männlichen Mäusen, erfolgreich eine Trächtigkeit verhindern – und das ohne sichtbare Nebenwirkungen. Der Effekt war nach Absetzen des Wirkstoffs reversibel.
„Wissenschaftler versuchen seit Jahrzehnten, ein wirksames orales Verhütungsmittel für Männer zu entwickeln, aber es gibt immer noch keine zugelassenen Pillen auf dem Markt“, erklärt Abdullah Al Noman, als er die Arbeit auf der Tagung vorstellt. Die meisten Präparate, die sich derzeit in der klinischen Erprobung befänden, zielten auf das männliche Sexualhormon Testosteron ab, was zu Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Depressionen und einem Anstieg des Cholesterinspiegels bzw. LDL führen könne. „Wir wollten ein nicht-hormonelles Verhütungsmittel für Männer entwickeln, um diese Nebenwirkungen zu vermeiden“, so Al Noman, Doktorand im Labor von Dr. Gunda Georg an der Universität von Minnesota.
Bei der Entwicklung ihres Verhütungsmittels setzten die Forscher auf ein Protein namens Retinsäure-Rezeptor alpha (RAR-α). Dieses Protein gehört zu einer Familie von drei Kernrezeptoren, die Retinsäure binden – eine Form von Vitamin A, die eine wichtige Rolle beim Zellwachstum, der Differenzierung (einschließlich der Spermienbildung) und der Embryonalentwicklung spielt.
Wenn das RAR-α-Gen bei männlichen Mäusen ausgeschaltet wird, werden sie unfruchtbar, ohne dass es zu offensichtlichen Nebenwirkungen kommt. Andere Wissenschaftler haben einen oral einzunehmenden Wirkstoff entwickelt, der alle drei Mitglieder der RAR-Familie (RAR-α, -β und -γ) hemmt und bei männlichen Mäusen eine reversible Sterilität hervorruft. Doch Dr. Georgs Team wollte, zusammen mit Kollegen aus dem Bereich der Reproduktionsbiologie, einen Wirkstoff finden, der spezifisch auf RAR-α wirkt und daher weniger wahrscheinlich Nebenwirkungen verursacht.
Daher untersuchten die Forscher die Kristallstrukturen von RAR-α, -β und -γ, die an Retinsäure gebunden sind, und stellten strukturelle Unterschiede in der Art und Weise fest, wie die drei Rezeptoren an ihren gemeinsamen Liganden binden. Mit diesen Informationen entwarfen und synthetisierten sie etwa 100 Verbindungen und untersuchten deren Fähigkeit, RAR-α in Zellen selektiv zu hemmen. Sie identifizierten eine Verbindung mit dem Namen YCT529, die RAR-α fast 500 Mal stärker hemmt als RAR-β und -γ.
Wenn YCT529 männlichen Mäusen vier Wochen lang oral verabreicht wurde, verringerte es die Spermienzahl drastisch und verhinderte zu 99 % eine Trächtigkeit, ohne erkennbare Nebenwirkungen. Die Mäuse konnten 4–6 Wochen nach Absetzen des Wirkstoffs wieder Junge zeugen.
Dr. Georg zufolge soll YCT529 bereits im dritten oder vierten Quartal 2022 in klinischen Studien am Menschen getestet werden. „Da sich nur schwer vorhersagen lässt, ob ein Wirkstoff, der in Tierversuchen gut aussieht, sich auch in Studien am Menschen bewähren wird, untersuchen wir derzeit auch andere Wirkstoffe“, erklärt sie. Um diese Verbindungen der nächsten Generation zu identifizieren, modifizieren die Forscher die bestehende Verbindung, aber testen auch neue Strukturen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der American Chemical Society. Eine Aufzeichnung der Tagung haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Jonas Kakaroto, unsplash