Natürlich high dank Sport: Endocannabinoide könnten die Ursache dafür sein. Doch auch die guten alten Endorphine sind noch nicht ganz aus dem Rennen.
Seit den 90er Jahren bröckelt der Ruf der Endorphine als natürlicher Rauschbringer für Sporttreibende. Immer wieder zweifeln Forscher an, dass die Opioidpeptide der zentrale Auslöser für die Glücksmomente sein sollen.
Das Gegenkonzept kommt aus Hamburg und konzentriert sich auf Endocannabinoide als Verursacher für das Hochgefühl. In einer aktuellen Studie weisen Forscher um Prof. Johannes Fuß, Direktor am Institut für Forensische Psychiatrie und Sexualforschung an der Universität Duisburg-Essen, nach, dass die körpereigenen Cannabinoide der wahre Rauschmacher sind.
Doch eins nach dem anderen, denn auch die Endorphine haben ihre Befürworter. Als so genannte „Endorphin-Hypothese“ gilt die Annahme, dass die Ausschüttung der körpereigenen Opioide nach und bei körperlicher Belastung den Rauschzustand steuern und dafür verantwortlich sind.
Für die beweisgebende Studie haben Wissenschaftler des Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz zehn Athleten vor und nach einem zweistündigen Langstreckenlauf mit dem bildgebenden Verfahren der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) untersucht. Sie setzten dazu die radioaktive Substanz [18F]Diprenorphine ([18F]FDPN) ein, die im Gehirn an Opiat-Rezeptoren bindet und dabei in Konkurrenz zu Endorphinen tritt. Ganz nach dem Motto: Wenn mehr Endorphine ausgeschüttet werden, werden auch mehr Opiat-Rezeptoren besetzt und entsprechend schlechter kann das [18F]FDPN an die Rezeptoren binden.
Zwei Stunden Ausdauersport später freuten sich die Wissenschaftler über Messergebnisse, die ihre Erwartungen bestätigten: Eine signifikant verminderte Bindung von [18F]FDPN. „Damit haben wir nun erstmals Belege dafür finden können, wo und in welchem Ausmaß bei Ausdauerbelastung Endorphine im Gehirn freigesetzt werden“, erklärt Prof. Henning Boecker, der die Studie an der TU München durchführte. „Interessanterweise fanden wir Endorphinfreisetzungen vorwiegend in Bereichen des Frontallappens der Großhirnrinde und des so genannten limbischen Systems, beides Gehirnregionen, die eine Schlüsselrolle in der emotionalen Verarbeitung innehaben. Darüber hinaus konnten wir signifikante Veränderungen des Hoch- und Glücksgefühls nach dem Ausdauerlauf feststellen.“
Doch nicht jeder war mit den Beweisen hinlänglich zufriedengestellt. Bedenken wurde von verschiedenen Seiten insbesondere mit Blick auf die Durchlässigkeit der Beta-Endorphine geäußert. Danach hat das Beta-Endorphin, das von der Hypophyse als Reaktion auf Bewegung und Stress ins Blut freigesetzt wird, Schwierigkeiten dabei, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren – was eine zentrale Wirkung dieses peripheren Opioids unwahrscheinlich macht.
So wurde weiter nach den Kandidaten gesucht und schließlich neue Verursacher für den körpereigenen Rausch ausgemacht: die Endocannabinoide. Die Cannabis-ähnlichen Substanzen, die vom Körper selbst produziert werden, sind Teil des endogenen Cannabinoidsystems und unterteilen sich vor allem in Anandamid, 2-Arachidonyl-glycerol und Noladinether. Eben dieses Anandamid ist dabei ebenfalls nach körperlicher Betätigung erhöht im Blut nachweisbar und kann dank seiner lipophilen Eigenschaft die Blut-Hirn-Schranke überwinden.
Die entsprechende Studie zum Nachweis führte ein Forscherteam um Prof. Johannes Fuß aus. Die Wissenschaftler ließen dazu Mäuse fünf Stunden in Laufrädern laufen und testeten im Anschluss die Schmerzempfindlichkeit und Ängstlichkeit – zwei entscheidende Faktoren, die vom Runner’s High beeinflusst werden sollen. Nachdem die Mäuse sowohl eine größere Schmerzunempfindlichkeit nach Betreten einer heißen Platte, als auch weniger Angst nach einem Test mit einer Licht-Dunkel-Box zeigten, war die Lage offensichtlich.
Um ihre Theorie zu untermauern, gaben die Wissenschaftler den Mäusen Medikamente, die die Endocannabinoid-Rezeptoren blockierten. Hier zeigte sich laut Fuß, dass die positiven Effekte des Läuferhochs ausblieben. Die Blockade der Endorphin-Rezeptoren hatte hingegen keinen Effekt auf das Läuferhoch.
Was fehlte, war noch ein vergleichbarer Nachweis beim Menschen. Diesen lieferten die Forscher mit ihren jüngsten Ergebnissen nach: „Wir untersuchten, ob die Entwicklung von zwei Hauptmerkmalen eines Runner’s High, Euphorie und reduziertes Angstniveau, von der Opioidsignalisierung abhängen, indem wir den Opioidrezeptorantagonisten Naltrexon (NAL) in einer doppelblinden, randomisierten, Placebo (PLA)-kontrollierten Studie verwendeten. Die 63 Teilnehmer zeigten nach 45-minütigem Laufen auf einem Laufband in einem moderaten Intensitätsbereich im Vergleich zum Gehen eine erhöhte Euphorie und eine verminderte Angst. Der Lauf führte zu höheren Plasmaspiegeln der eCBs Anandamid (AEA) und 2-Arachidonoglycerol (2-AG)“, berichten die Forscher in ihrem Abstract.
Dass es sich auf dem Gebiet noch lange nicht ausgeforscht hat, sind sich alle Wissenschaftler einig. So sind unter anderem die Rolle weiterer Neuropeptide wie der Enkephaline nicht ausreichend erforscht. Ebenso sollen mögliche Suchterscheinungen als Symptome noch in den Fokus rücken.
Bildquelle: Peter Conlan, unsplash