Sie soll gegen Rückenschmerzen wirken, gegen Migräne und gegen Krebs – die Magnetfeldtherapie. Klingt nach Wundermittel, aber was kann sie wirklich?
Schon der griechische Arzt Hippokrates beschrieb vermeintliche Effekte magnetischer Mineralien. Auch im alten Rom wurden solchen Steinchen zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Die alternative Medizin besinnt sich auf diese Verfahren, teils mit vollmundigen Versprechungen. In Zeiten evidenzbasierter Therapien reicht das nicht aus – ein Faktencheck.
Es gibt zwei technisch unterschiedliche Methoden. Bei der statischen Magnetfeldtherapie kommen Dauermagneten zum Einsatz. Sie werden zeitweise oder dauerhaft am Körper getragen.
Anders ist die Sachlage bei der pulsierenden Magnetfeldtherapie. Hier fließt Strom mit unterschiedlichem zeitlichem Verlauf durch Drähte. Die Leiter werden meist als Spulen gewickelt. Patienten legen beispielsweise ihren schmerzenden Arm ins Innere der Spule. Die sich verändernden Magnetfelder sollen – so die Theorie – Nervensignale normalisieren, die Wundheilung beschleunigen oder das Knochenwachstum verbessern.
Zu den häufigsten Indikationen des alternativmedizinischen Verfahrens gehören idiopathische Kreuzschmerzen. Der Leidensdruck ist groß und Betroffene sind meist bereit, sieben bis 20 Euro oder mehr pro Sitzung zu bezahlen – eine klassische Selbstzahler-Leistung.
Deshalb haben Wissenschaftler des IGeL-Monitors schon vor einiger Zeit die Literatur gesichtet. Sie fanden drei Einzelstudien zum Vergleich einer statischen Magnetfeldtherapie mit einer Scheintherapie. „Die Qualität der Studien war gering, ihre Ergebnisse waren widersprüchlich“, schreiben die IGeL-Experten. Zwei Studien fanden keine statistisch signifikanten Vorteile. Die dritte Studie zeigte zwar positive Effekte, jedoch war eine Verzerrung der Ergebnisse nicht auszuschließen. Bleibt als Fazit: „Die Qualität der Studien lässt keine Aussagen zum Nutzen zu, so dass wir auch keine Hinweise auf einen Nutzen sehen.“
Zu einem ähnlichen Fazit kommt die Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz anhand weiterer Publikationen. „Für die Anwendung von Magnetfeldtherapie bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden“, so das Fazit der Leitlinien-Kommission. „Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.“ Sprich: Wer Magnetfeldern allzu sehr vertraut, bewegt sich weniger und die Schmerzen werden eher schlimmer.
Damit nicht genug. Im Web stößt man bei Magnetfeldern zur Behandlung verschiedener Leiden rasch auf die BEMER-Therapie. Das Akronym steht für Bio-Electro-Magnetic-Energy-Regulation: eine Methode, um laut Entwicklern die Blutzirkulation, speziell die Mikrozirkulation, zu verbessern. Sie zählt ebenfalls zu den Magnetfeld-Therapien. Recherchen bei PubMed oder bei Google Scholar fördern eine Vielzahl an Studien zu Tage. Doch die Frage, ob die Erkenntnisse aus diesen Veröffentlichungen klinisch relevant sind, bleibt offen.
So haben Forscher Krebszelllinien aus der Lunge, dem Kopf, dem Hals, dem Dickdarm und der Bauchspeicheldrüse niederfrequenten, gepulsten Magnetfeldern ausgesetzt. Sie berichten von „signifikante Veränderungen in bestimmten Zwischenprodukten der Glykolyse- und Zitrat-Zyklen“. Beobachtet wurde auch „eine verstärkte Radiosensibilisierung von Krebszellen verbunden mit einer erhöhten Anzahl an DNA-Doppelstrangbrüchen und höheren Gehalten an reaktiven Sauerstoffspezies“, jeweils im Vergleich zu unbehandelten Kontrollen. Aussagen zur klinischen Relevanz anhand von In-vitro-Daten sind – gelinde gesagt – schwierig.
Ähnlich durchwachsen fielen die Ergebnisse zur BEMER-Therapie bei Erkrankungen des Bewegungsapparats aus. Eingeschlossen wurden 50 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen und 50 Patienten mit Osteoarthritis des Knies. Sie erhielten ein standardisiertes Physiotherapie-Paket für drei Wochen, gefolgt von einer BEMER-Therapie oder einem Placebo.
Bei Patienten mit Rückenschmerzen ergab der Vergleich der beim ersten und zweiten Besuch erzielten Ergebnisse eine signifikante Verbesserung der VAS-Scores für Schmerzen in Ruhe und der Fatigue Scale-Scores für Erschöpfung. Der Oswestry-Score zur Bewertung von Einschränkungen durch Schmerzen und der Quality of Life Scale-Scores zur Erfassung der Lebensqualität zeigten keine Veränderung.
Bei Patienten mit Kniearthrose zeigten Vergleiche der ersten und zweiten Messung zeigte keine signifikante Verbesserung der oben genannten Parameter, während der Vergleich der ersten und dritten Bewertung eine signifikante Verbesserung der Ergebnisse der Fatigue-Skala und des Vitalitätstests auf der Lebensqualitätsskala ergab.
Die unterschiedlichen Ergebnisse bei den Skalen, die recht kurze Nachbeobachtungszeit und die kleine Kohorte lassen Ärzte hier etwas ratlos zurück, welchen Nutzen die Therapie denn wirklich haben soll. Diese Frage bleibt offen.
Die Datenlage zu Magnetfeldern ist aber nicht generell schlecht. Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom haben nach einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Anspruch auf den Einsatz von Tumortherapiefeldern (TTF). Das sind lokale elektrische Wechselspannungsfelder mit einer Frequenz von 200 Kilohertz. Sie werden per Kopfhaut auf das Glioblastom übertragen mit dem Ziel, die Tumorzellproliferation zu hemmen.
Grundlage der Empfehlung war eine randomisierte, offene Studie mit 695 Glioblastom-Patienten. Sie erhielten eine Chemotherapie allein oder in Kombination mit TTF. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 6,7 Monate in der TTF-Temozolomid-Gruppe und 4,0 Monate in der Temozolomid-Gruppe. Und für das mediane Gesamtüberleben geben die Autoren 20,9 Monate in der TTF-Temozolomid-Gruppe an, verglichen mit 16,0 Monaten in der Temozolomid-Gruppe. Daraus ergibt sich ein klinisch relevanter Nutzen – was aber auch der Tatsache geschuldet ist, dass es für Glioblastom trotz jahrelanger Forschung keine kurativen Therapien gibt.
Wie so oft in der evidenzbasierten Medizin sind hochwertige Studien – idealerweise RCT – unverzichtbar, um Therapien zu bewerten. Ohne solche Daten wird es schwierig, den Nutzen abschließend zu bewerten. Dann werden Therapien schnell zu Selbstzahler-Leistungen. Und genau dann sollten Patienten gut nachfragen.
Bildquelle: Etienne Desclides, unsplash.