Menschen mit Autismus-Störung haben häufig Probleme bei der Verarbeitung von akustischen Reizen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Störung in der Verarbeitungskette viel früher als angenommen auftritt.
Menschen, die unter einer Autismus-Störung leiden, haben häufig Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Kommunikationssignalen. Dies beinhaltet z. B. Schwierigkeiten bei der Erkennung von Personen anhand ihrer Stimme, oder beim Erkennen von Gefühlen anhand der Stimmmelodie. Auch die Erkennung von Sprache in lauten Umgebungen kann für Personen im Autismus-Spektrum besonders herausfordernd sein. Bisher wurde angenommen, dass die Schwierigkeiten hauptsächlich mit Verarbeitungsunterschieden in der Großhirnrinde oder in Hirnstrukturen, die mit der Gefühlsverarbeitung zusammenhängen, auftreten. Ein Forschungsteam der TU Dresden hat nun herausgefunden, dass die Verarbeitung viel früher gestört ist.
In einer aktuellen Studie untersuchten die Wissenschaftler die Funktionsfähigkeit der Hörbahn für die Stimmverarbeitung sowohl bei Erwachsenen im Autismus-Spektrum als auch bei einer nicht-autistischen Kontrollgruppen. Dabei konzentrierten sich die Forscher auf zwei Aspekte der Stimmverarbeitung, die bei Autismus beeinträchtigt sind: Die Wahrnehmung der Stimmidentität und das Erkennen von Sprache in geräuschvoller Umgebung.
Das Ergebnis: Bereits in einer viel früheren Verarbeitungsphase scheint es zu Problem zu kommen: „Wir fanden bei den autistischen Personen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine verringerte Aktivierung in den sogenannten ‚unteren Hügeln‘ (Colliculi inferiores), einer zentralen Mittelhirnstruktur der Hörbahn. Die Unterschiede traten insbesondere auf, wenn sich die Studienteilehmer:innen auf die Identität einer Person (im Vergleich zum Inhalt des Gesagten) oder generell auf Stimmen (im Vergleich zu nicht-stimmlichen Reizen wie beispielsweise Musikinstrumente), konzentrierten. Wir fanden zudem erste Hinweise darauf, dass es im Colliculi inferiores Unterschiede bei der Verarbeitung von Sprache in geräuschvoller Umgebung gibt“, fasst Erstautorin Dr. Stefanie Schelinski zusammen.
Die bereits die frühe sensorische Verarbeitung der Stimme bei Menschen mit Autismus verändert ist, ist nicht nur ein wichtiger Ansatz, um zwischenmenschliche Kommunikationsprobleme zu lösen, sondern kann auch bei der klinischen Diagnostik helfen. „So könnte zukünftig die Prüfung von Beeinträchtigungen in der Erkennung der Stimmidentität, von Emotionen in der Stimme oder der Wahrnehmung akustischer Stimmmerkmale, wie der Stimmlage, ein zusätzliches Instrument bei der Diagnose von Autismus sein“, erläutert Studienleiterin Prof. Katharina von Kriegstein. „Frühere Studien lieferten erste Hinweise darauf, dass Hirnstrukturen, die mit der auditiven Verarbeitung in Zusammenhang stehen, durch Training verändert werden können. Darauf aufbauend könnten sich durch die Studienergebnisse zusätzliche therapeutische Möglichkeiten ableiten“, ergänzt Schelinski.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität Dresden. Die Originalpublikation findet ihr hier.
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