Das Darmmikrobiom beeinflusst die psychische Gesundheit. Vor allem bei Depression zeigen aktuelle Studien einen Zusammenhang mit einem aus dem Gleichgewicht geratenen Mikrobiom.
Was sich in unserem Darm tummelt, ist entscheidend für unsere Gesundheit – soviel ist bereits seit längerer Zeit bekannt. In den vergangenen Jahren wurde aber immer deutlicher, welche Auswirkungen das Darmmikrobiom auf die Psyche hat. Vor allem bei Depression zeigen Studien einen Zusammenhang mit einem aus dem Gleichgewicht geratenen Mikrobiom.
Bisher gibt es vor allem Beobachtungsstudien, welche die Zusammensetzung der Darmbewohner mit klinischer Depression oder einer Vorstufe davon verknüpfen. Das betrifft beispielsweise die Bakterien namens Faecalibacterium prausnitzii und Coprococcus, oder ganze Bakterienfamilien wie die Bacteroidaceae. Solche Beobachtungen zeigen allerdings nur die Korrelation – ob die Veränderungen tatsächlich die Depression auslöst oder begünstigt, lässt sich so nicht feststellen. Tierstudien legen zwar genau solche Effekte nahe, sind aber nicht direkt auf den Menschen übertragbar.
Eine Anfang 2022 veröffentlichte Untersuchung analysierte genetische Daten von fast 6.000 Menschen und den Metagenomen in ihrem Darm. Auch hier fanden die Wissenschaftler Hinweise auf ein verändertes Darmmikrobiom bei Menschen mit klinischen Depressionen. Zusätzlich identifizierten sie genetische Mutationen, die ein solches Ungleichgewicht begünstigen. Und sie sahen sich die Ernährungsgewohnheiten und Gesundheitsinformationen der Beteiligten an.
All diese Informationen entnahmen sie einer großangelegten schwedischen Populationsstudie. Das erlaubte ihnen, mit statistischen Methoden möglichst viele Störfaktoren herauszurechnen und so zumindest Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zu liefern: Offenbar tragen die Bakterien Morganella und Raoultella zu Depressionen bei, wenn sie vermehrt im Darm vorkommen. Welche Mechanismen dahinterstecken, müsse allerdings in zukünftigen Studien untersucht werden.
Gehen wir davon aus, dass ein gesundes Darmmikrobiom eine gesunde Psyche fördert, bedeutet das auch: Die richtige Ernährung kann möglicherweise vorbeugend wirken oder therapiebegleitend die Behandlung unterstützen. Dem Mikrobiom scheint es bereits zu helfen, wenn man auf Ballaststoffe und Gemüse achtet. Reicht das (vorübergehend) nicht, lässt sich ein wenig nachhelfen: „Der Einsatz von Pro- und Präbiotika wird sicher eine neue Strategie in der Prävention und der Behandlung von psychischen Erkrankungen“, so Sabrina Donati Zeppa, Professorin für Human Food and Nutrition an der Università di Urbino.
Bei den Untersuchungen zu Prä- und Probiotika ist allerdings Vorsicht angesagt: Häufig haben die Autoren einen Interessenkonflikt, etwa als Geschäftsführende oder Beratende von Firmen, die solche Mittel verkaufen. Es gebe aber genug unabhängige Forschung bezüglich der Wirkung, so dass die Konflikte kein großes Problem darstellen, findet Zeppa.
In einer Übersichtsarbeit schreiben sie und ihre Kollegen außerdem über die körperliche Fitness: Sport fördert demnach eine größere Vielfalt im Mikrobiom sowie das Wachstum von hilfreichen Bakterienarten. Schon allein, weil eine gesunde Ernährung und körperliche Aktivität insgesamt positiv für Körper und Psyche sind, könnte das ein guter Weg sein, um das Mikrobiom in der Balance zu halten. „Wer allerdings bereits an Depressionen leidet, sollte das höchstens als Unterstützung konventioneller Therapien nutzen“, so Zeppa.
Eine Möglichkeit, das Gleichgewicht schnell zu reparieren, ist die fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT), auch Stuhltransplantation genannt. Hierbei geht es darum, das Mikrobiom eines gesunden Menschen auf einen Patienten zu übertragen – etwa als Kapsel.
Wissenschaftler aus Deutschland und der Schweiz probierten das als Zusatztherapie bei zwei Patienten mit klinischer Depression. Bei beiden verbesserten sich die Symptome innerhalb der ersten vier Wochen, bei einem hielt der Effekt etwa acht Wochen an. Allerdings sind weitere Studien mit mehr Teilnehmern und Placebo-Gruppen nötig, um tatsächlich eine Wirkung nachzuweisen. Außerdem weist Zeppa darauf hin, dass das nicht alle Probleme löst: „Interventionen können das Mikrobiom schnell verändern, aber letztendlich brauchen wir einen gesunden Lebenswandel, um das wiederhergestellte Gleichgewicht dauerhaft zu behalten.“
Bildquelle: Girl with red hat, unsplash