Narkosen bei Wildtieren laufen anders ab als bei Haustieren. Größtes Problem dabei: Die Atemdepression. Eine neue Behandlungsmethode verspricht nun, das Tierwohl bei und nach Narkosen deutlich zu verbessern.
Zur Behandlung und Untersuchung von Wildtieren ist es häufig nötig, diese zu narkotisieren. Dafür müssen bei vielen Wildtierarten höhere Dosierungen oder potentere Narkosemittel angewendet werden als bei Haustieren. Damit sind allerdings auch unerwünschte Nebenwirkungen verbunden, beispielsweise Atemdepression bei der Gabe von hochpotenten Opioiden oder ausgeprägte kardiovaskuläre Nebenwirkungen, wie Bluthochdruck oder verminderte Herzfrequenz in Verbindung mit hochdosierten Sedativa. Zwei aktuelle Studien zeigen nun, dass sich das Nebenwirkungsprofil deutlich verbessern lässt – ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Tierwohls.
Die durch hochpotente Opioide hervorgerufene Atemdepression ist nach wie vor eine große Herausforderung bei Wildtieren, die mit Etorphin immobilisiert werden. Selektive Serotonin-Agonisten sind eine mögliche Option zur Vorbeugung oder Behandlung einer solchen Atemdepression. Das zeigt die Studie der Vetmeduni, die in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien und der Universität Pretoria (Südafrika) entstand. Das zentrale Ergebnis: BIMU-8, ein selektiver 5-Hydroxytryptamin-Rezeptor-4-(5-HT4)-Agonist, reduzierte die Opioid-induzierte Atemdepression bei Etorphin-immobilisierten Ziegen deutlich.
Konkret schwächte die intravenöse Injektion von BIMU-8 die durch Etorphin induzierte Atemdepression ab. Das zeigen Verbesserungen der Atemfrequenz, der peripheren arteriellen Hämoglobinsauerstoffsättigung (SpO2), des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks (PaO2) und des alveolo-arteriellen Sauerstoffpartialdruckgradienten (P(A-a)O2). Ein durch BIMU-8 verursachter simultaner Anstieg der Herzfrequenz und ein vorübergehender Abfall des arteriellen Blutdrucks sollen in weiteren Studien noch untersucht werden.
„Ohne die Immobilisierung aufzuheben, reduzierte BIMU-8 die durch Etorphin induzierte Atemdepression und verbesserte den Gasaustausch in den Lungen und somit die Sauerstoffversorgung des Blutes. Das Auftreten einer Hyperkapnie wurde dadurch vermindert. Diese Wirkungen weisen darauf hin, dass BIMU-8 ein guter Wirkstoffkandidat für die Behandlung oder Prävention von Etorphin-induzierter Atemdepression bei immobilisierten Wildtieren sein könnte“, sagt Studien-Erstautorin Gabrielle Stalder.
In einer weiteren internationalen Studie unter der Leitung der Vetmeduni wurde untersucht, wie sich die Anästhesie mit dem Sedativum Medetomidin in Kombination mit dem Narkotikum Tiletamin-Zolazepam verbessern lässt. Diese Kombination wird häufig zur Narkotisierung von nicht domestizierten Säugetieren verwendet. Die Anwendung von Medetomidin ist jedoch mit ausgeprägten kardiovaskulären Nebenwirkungen – wie verminderte Herzfrequenz und erhöhter Blutdruck sowie vermindertem Herzzeitvolumen – verbunden.
Anhand von mit Medetomidin-Tiletamin-Zolazepam (MTZ) anästhesierten Wildschweinen (Sus scrofa) untersuchten die Forscher, wie sich die gleichzeitige Gabe des peripher wirkenden Alpha-2-Adrenozeptor-Antagonisten Vatinoxan auswirkt.
Laut Studien-Letztautorin Stalder kann Vatinoxan Nebenwirkungen von kardiovaskulär wirksamen Sedativa, insbesondere Bluthochdruck, bei mit MTZ immobilisierten Wildschweinen reduzieren. „Die intravenöse Verabreichung von Vatinoxan reduzierte den systemischen und pulmonal-arteriellen Bluthochdruck, der durch Medetomidin hervorgerufen wurde, bei Wildschweinen signifikant.“ Auch die verminderte Herzfrequenz bei MTZ-anästhesierten Wildschweinen wurde wirksam umgekehrt, allerdings nur kurzfristig.
Stalders Resümee zu den beiden Studien: „In Summe zeigen unsere Daten, dass sowohl BIMU-8 als auch Vatinoxan das Potenzial haben, Wildtiernarkosen und das damit verbundene Tierwohl deutlich zu verbessern.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Vetmeduni Wien. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Ray Aucott, unsplash